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Ausstellungsansichten „Menschenbild – der expressionistische Blick“.

© Rainer Fetting; Foto: Natalia Carstens

Ausstellung in der Stiftung Kunstforum: Die Leinwand als Kampfplatz der Emotionen

Der Expressionismus blühte in Berlin unterm Ost-West-Konflikt auf. Die Schau „Menschenbild – der expressionistische Blick“ zeigt es in der Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank.

Stilistisch ist der Expressionismus kaum einzugrenzen. „Expressiv“ ist jede Äußerung, die Unmittelbarkeit zum Ausdruck bringt, die „nach außen“ drängt, ohne durch den Filter des abwägenden Verstandes gegangen zu sein.

Allerdings gibt es Zeiten, in denen der expressive Impuls in der Kunst vorherrscht. Und es gibt Orte, die dem Expressionismus zugetan sind. Ein solcher Ort ist Berlin. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg dominierte der Expressionismus.

Wirbel in Berlin: Ellen Fuhrs Zeichnung „Mauer“ (aus der Serie Mauerstadt), 1990.

© Nachlass Ellen Fuht; Foto: Peter Adamik

Ein vergleichbares Aufwallen hat es nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs nicht mehr gegeben. Stattdessen blühten expressive Richtungen ausgerechnet unter der politischen Windstille des festgefahrenen, in Berlin durch die Mauer für jedermann sichtbaren Ost-West-Konflikts.

Die Gleichzeitigkeit expressionistischer Kunst hüben wie drüben ist es, die die Ausstellung „Menschenbild – der expressionistische Blick“ in der Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank sehenswert macht. Gerade weil keine Feinaufteilung vorgenommen wird, sondern die Bilder Seite an Seite zu sehen sind.

Rainer Fetting, „Susanne und Axt“.

© Rainer Fetting, Foto: Peter Adamik

Rainer Fetting. Elvira Bach oder Salomé spiegeln das Lebensgefühl westlicherseits, Werner Liebmann, Hartwig Ebersbach und Sighard Gille dasjenige im Osten. Gemeinsam ist beiden Seiten die berlinische Wurschtigkeit: Man kümmerte sich nicht mehr um das, was offiziell gestattet oder erwünscht war, sondern „machte sein Ding“.

Der Blick geht nach Ost und West

Eindrucksvoll sind die beiden Hochformate von Neo Rauch, in Mischtechnik auf Papier auf Holz. Sie fallen in ihrem gezügelten Ausdruck deutlich heraus und spielen mit den figurativen Versatzstücken des Rauch’schen Bilderkosmos. Der Ausstellung eingefügt ist ein Kapitel expressiver Kunst vor 1933. Da finden sich eine Kohlezeichnung von Otto Dix aus dem Jahr 1928, ein Genrebild von Alexander Gerbig von 1913, dazu kleinformatige Bronzen von Käthe Kollwitz und Ernst Barlach. Das Spektrum ist weit, die Auswahl von Arbeiten der 1980er und 1990er Jahre ist stringenter.

Plötzlich entdeckt man ein kleines Bild von Wolfgang Mattheuer, ein „Stürzender“, doch bereits aus dem Jahr 1958. So alt also war dieses Thema bei dem Leipziger Maler; während doch der „Sozialistische Realismus“ unangefochtene Doktrin war. Oder eben nicht unangefochten.

Die Kräfte des Expressiven machten ihm ein unrühmliches Ende. Die Leinwand wurde zum Kampfplatz der Emotionen, im Osten existenzieller als im Westen, wo eher Lebenslust den Pinsel führte.

„Die 80er Jahre waren Spätherbst, oder leise Ahnung von einem Frühling“, wird Werner Liebmann im Katalog zitiert. Genau diese Janusköpfigkeit ist dem Expressionismus grundsätzlich zu eigen – Aufbruch zu sein wie auch Abgesang. In welcher Reihenfolge auch immer.

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