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Die Lehrerin Yolanda, gespielt von Yolanda Cuéllar, setzt sich in „De cierta manera“ für die Kinder in Havannas Armenvierteln ein. 

© Arsenal Distribution

Arsenal restauriert Filmklassiker: Sara Gómez, eine Revolutionärin der Bilder

Die kubanische Filmemacherin ist eine Pionierin des postkolonialen und feministischen Kinos. An ihrer Wiederentdeckung hat auch das Berliner Arsenal seinen Anteil.

Von Andreas Busche

Die bekanntesten Bilder der kubanischen Revolution sind Alberto Kordas ikonische Porträts von Fidel Castro und Che Guevara, die in den 1960er Jahren in den Küchen vieler studentischer WGs hingen; der anti-imperialistische Kampf hinterließ auch in Westdeutschland seine Spuren. Andere, marginalisiertere Eindrücke aus dem postrevolutionären Kuba kamen erst mit einiger Verspätung in Westberlin an.

1977 erlebte Sara Gómez’ Spielfilm „De cierta manera“ („In gewisser Hinsicht“) im Internationalen Forum der Berlinale seine Premiere, drei Jahre nach dem Tod der kubanischen Filmemacherin. Gómez war seit den 1960er Jahren mit dem Instituto Cubano del Arte e Industria Cinematográficos (ICAIC) affiliiert – und damit für die Selbstdarstellung von Castros Kuba verantwortlich.

„De cierta manera“ blickt auf eine interessante Geschichte zurück. Er wurde zu einem Meilenstein des postkolonialen und feministischen Kinos, obwohl er immer seltener zu sehen war. Das beschädigte 16mm-Negativ ging bereits vor Jahren bei ersten Restaurierungsarbeiten in einem schwedischen Kopierwerk verloren. Die zwei Kopien, die das Arsenal nach der Forum-Premiere eingekauft hatte, zeigten nach vierzig Jahren im Kinobetrieb Verschleißerscheinungen, sodass die letzten Zeugnisse dieses Klassikers des „Dritten Kinos“ zu verschwinden drohten.

Ihre Filme waren lange in Kuba verboten

Dass „De cierta manera“ heute wieder einem breiten Publikum verfügbar ist, verdankt sich der gemeinsamen Initiative des Arsenals, des ICAIC, in deren Besitz sich ein Duplikat-Negativ befindet, und des Hauses der Kulturen der Welt, die 2021 im Rahmen des Projekts „Das Neue Alphabet“ eine digitale Restaurierung in Auftrag gaben.

Solche transnationalen Unterfangen sind heutzutage nicht ungewöhnlich, besonders wenn es um die Sicherung des kulturellen Erbes von peripheren und ökonomisch prekären Filmnationen geht. Gómez’ dokumentarische Arbeiten waren in ihrer Heimat bis in die späten 1980er Jahre verboten und nur im Ausland zu sehen. Über viele Jahre gaben sie einen einzigartigen Einblick hinter die Kulissen des post-revolutionären Kubas – und damit in ein politisches Projekt, das in der europäischen Linken Vorbild-Charakter besaß. Der Fall Sara Gómez zeigt, wie wichtig solche internationalen Kooperationen inzwischen sind.

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Das Arsenal nimmt sich schon seit einigen Jahren mit der Initiative „Archive außer sich“ solcher „verwaister“ Filme an. Dass nun auch der Kurator Can Sungu, Mitbgeründer des Sinema Transtopia im Wedding und langjähriger Partner des Arsenals, zum Team des neuen HKW-Leiters Bonaventure Ndikung gehört, lässt hoffen, dass solche Kooperationen künftig intensiviert werden.

„De cierta manera“, der aktuell auf der Digitalplattform des Arsenals und im Rahmen einer kleinen Sara-Gómez-Hommage neben ihrem Kurzdokumentarfilm „Iré a Santiago“ („I am Going to Santiago“, 1964) auf Mubi zu sehen ist, hat nichts von seiner Faszination eingebüßt. Anfang der 1970er hatte sich Gómez von der Doktrin Castros distanziert, die Kuba als eine homogene utopische Gesellschaft zeichnete. „De cierta manera“ legte die sexistischen, sozialen und ökonomischen Sollbruchstellen offen, in einer Mischung aus Essay- und Liebesfilm.

„Einige Figuren sind real, andere frei erfunden“, heißt es zu Beginn des Films. Die engagierte Lehrerin Yolanda gespielt von der Laiendarstelleirn Yolanda Cuéllar, erteilt dem machistischen Vorarbeiter Mario (Mario Balmaseda) eine Lektion im Klassenkampf, gleichzeitig dokumentiert Gómez, wie die Revolution die Situation in den Armenvierteln verschärft hat. „De cierta manera“ ist im Stil der französischen Nouvelle Vague didaktisch und dialektisch zugleich. Ein Afro-Samba-Liebeslied des ehemaligen Preisboxers Guillermo Díaz besiegelt nicht nur die Beziehung von Yolanda und Mario, es zeigt auch die mögliche Zukunft eines neuen, besseren Kubas auf.

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