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Das Pournara-Flüchtlingslager auf Zypern.

© Imago/Tobias Steinmaurer

Eine Milliarde zur Entlastung von Zypern : Die EU will einen Flüchtlingsdeal mit dem Libanon

Nach Tunesien, der Türkei und Ägypten: Die EU will ein weiteres Drittland dafür bezahlen, dass es Flüchtlinge an der Weiterreise hindert. Dazu fährt Kommissionspräsidentin von der Leyen nach Libanon.

Boote mit verzweifelten Menschen aus Syrien landen an der Küste eines EU-Staates, um Krieg und Elend zu entfliehen: Was Griechenland vor einigen Jahren auf seinen Ägäis-Inseln erlebte, spielt sich jetzt auf Zypern ab, wenn auch im kleineren Maßstab.

Etwa 2100 Flüchtlinge kamen im ersten Quartal 2024 auf der Mittelmeerinsel im Teil der Republik Zypern an – fast 30-mal so viele wie im Vorjahreszeitraum.

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Ihre Boote kommen aus Libanon, rund 170 Kilometer östlich von Zypern. Jetzt will die EU Libanon zum Torwächter machen, wie zuvor schon die Türkei, Tunesien und Ägypten.

11.000
Flüchtlinge landeten 2023 per Boot auf Zypern.

Libanon, ein Land mit nur 5,5 Millionen Einwohnern, das seit Jahren in einer Wirtschaftskrise steckt, hat 800.000 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen.

Immer mehr von ihnen entscheiden sich für die gefährliche Fahrt über das Meer zur geteilten Insel Zypern, dessen griechische Republik zur EU gehört. Im vergangenen Jahr zählte Zypern knapp 11.000 Bootsflüchtlinge, 37 Prozent mehr als 2022. Dieses Jahr könnten es noch mehr werden.

Republik Zypern ist einer der kleinsten EU-Staaten

Die Republik Zypern zählt mit 800.000 Einwohnern zu den kleinsten EU-Staaten und kann die Flüchtlinge nach eigenen Angaben nicht mehr versorgen. Präsident Nikos Christodoulides fordert seit Monaten, die EU müsse etwas tun.

Migranten auf Zypern demonstrieren gegen die härtere Politik Zyperns gegenüber Flüchtlingen.

© dpa/AP/Petros Karadjias

Zwar schloss Nikosia vor vier Jahren ein Abkommen mit Libanon, in dem sich die Regierung in Beirut verpflichtete, Flüchtlinge aus Zypern zurückzunehmen. Doch wegen wachsender Probleme bei der Versorgung der Syrer im eigenen Land weigert sich Beirut seit einigen Monaten, Syrer aus Zypern wieder aufzunehmen. Christodoulides‘ Regierung stoppte daraufhin die Bearbeitung von Asylanträgen der Syrer.

Nun will der zyprische Präsident zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an diesem Donnerstag in Beirut ein Abkommen mit Libanon vorstellen, das die Flüchtlingsboote aufhalten soll. Nach dpa-Recherchen sollen die Zahlungen der EU einen Umfang von rund einer Milliarde Euro haben.

Mit dem EU-Geld soll nach Angaben von EU-Beamten das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen im Libanon gestärkt werden. Zudem sind Mittel für die Sicherheitsbehörden und die Streitkräfte des Landes sowie für den Kampf gegen Schleuserbanden und für Wirtschafts- und Finanzreformen vorgesehen. Die legale Migration wird den Plänen zufolge erleichtert werden.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und der zyprische Präsident Christodoulides reisen am Donnerstag gemeinsam nach Beirut.

© AFP/Ludovic Marin

Ein Vertrag mit Ägypten, der im März abgeschlossen wurde, sieht europäische Hilfen in Höhe von 7,4 Milliarden Euro für Kairo vor. Der EU-Flüchtlingsdeal mit Tunesien aus dem vergangenen Jahr hat ein Volumen von rund einer Milliarde Euro. Die Türkei hat im Rahmen ihres Flüchtlingsabkommens mit der EU aus dem Jahr 2016 bisher Zusagen für sechs Milliarden Euro erhalten.

EU-Flüchtlingsdeals sind umstritten

Über Wirksamkeit und Moral dieser Abkommen wird seit Jahren gestritten. Das Abkommen mit der Türkei hat die Zahl der Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, von mehr als 850.000 im Jahr 2015 auf knapp 42.000 im vergangenen Jahr reduziert.

Diese Abkommen auf der Basis von Geldzahlungen sind zum Scheitern verurteilt.

Fatih Sanli, Direktor der türkischen Menschenrechtsorganisation Solaris

Flüchtlinge suchen sich aber andere Routen in die EU, wie nicht nur das Beispiel Zypern zeigt. In Italien kamen im vergangenen Jahr fast 160.000 Flüchtlinge an, 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Der EU-Rechnungshof kritisierte den Vertrag mit der Türkei jetzt als nicht nachhaltig. EU-Ombudsfrau Emily O‘Reilly untersucht den Tunesien-Deal.

Menschenrechtler werfen der EU vor, sie wolle sich vom Flüchtlingsproblem freikaufen. „Die Migrations-Abkommen sind eine absolute Schande für die Fundamente der Europäischen Union“, sagt Fatih Sanli, Direktor der Menschenrechtsorganisation Solaris und Spezialist für Flüchtlingsfragen.

„Diese Abkommen auf der Basis von Geldzahlungen sind zum Scheitern verurteilt“, sagte Sanli dem Tagesspiegel. „Langfristig werden sich die Leute trotz allem einen Weg suchen, um ein Leben in Würde führen und ihren kriegszerstörten Ländern zu entfliehen.“

Zypern will noch weiter gehen. Christodoulides sucht in der EU nach Bundesgenossen, um Teile des Bürgerkriegslandes Syriens zu sicheren Gebieten für die Rückkehr von Flüchtlingen zu erklären. Zypern will zusammen mit Tschechien eine Delegation nach Syrien schicken, um Möglichkeiten dafür zu sondieren.

Die EU lehnt bisher jede Zusammenarbeit mit dem syrischen Staatschef Baschar al-Assad ab, der wegen der hunderttausenden Opfer des Bürgerkrieges im Westen als Kriegsverbrecher gilt. Wenn es nach Zypern geht, soll sich das ändern.

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