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Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping begrüßte Kanzler Olaf Scholz im November in der Großen Halle des Volkes.

© AFP/Kay Nietfeld/Pool

Alle sprechen von „Diversifizierung“ der Wirtschaft : Aber wie kann Deutschland wirklich unabhängiger von China werden?

Lange schon wird vor einer zu großen Abhängigkeit Deutschlands von China gewarnt. Drei Experten analysieren, wie eine Loslösung gelingen kann.

Von
  • Cora Francisca Jungbluth
  • Lisandra Flach
  • Bernd Schäfer

Zunächst: Es geht nicht darum, komplett von China unabhängig zu werden. Das ist wirtschaftlich weder sinnvoll noch möglich, denn Deutschland und die EU sind nach wie vor eng mit China verflochten.

Innerhalb dieser Verflechtungen gibt es jedoch eine Reihe sogenannter kritischer Abhängigkeiten, zum Beispiel bei Rohstoffen wie Seltenen Erden oder Schlüsseltechnologien für die grüne Transformation, wie der Batterietechnik. China kann mittels solcher Abhängigkeiten wirtschaftlichen Druck ausüben, um politische Ziele zu erreichen.

Das würde die Handlungsfähigkeit von Deutschland und der EU einschränken. Daher gilt es, diese kritischen Abhängigkeiten in den Wirtschaftsbeziehungen mit China zu verringern.

Mögliche Instrumente hierfür sind Rohstoffpartnerschaften mit anderen Ländern, die Entwicklung alternativer Technologien, die Erschließung alternativer Lieferländer oder der Aufbau lokaler Produktion in Deutschland bzw. der EU.


Wir sollten eine De-Risking-Strategie als Ziel verfolgen, um die Abhängigkeit von China zu reduzieren. Die Forderungen nach einer wirtschaftlichen Abkopplung von der Volksrepublik, was an vielen Stellen zu vernehmen sind, verkennen häufig ihre hohen wirtschaftlichen Kosten.

Wir haben in einer Studie gezeigt, dass ein Handelskrieg mit China Deutschland sechsmal so viel kosten würde wie der Brexit. Zielführender ist es daher, kritische Abhängigkeiten zu identifizieren und gezielt zu verringern („De-Risking“). Zu den zentralen Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, gehören eine aktive und geographisch breiter aufgestellte Handelspolitik mit einer Vertiefung des EU-Binnenmarkts und einer stärkeren Diversifizierung von Handelsbeziehungen mit weiteren Weltregionen.

Mehr Pragmatismus bei den Verhandlungen von Handelsabkommen und strategischen Partnerschaften sind dafür dringend notwendig. Diese bieten die Chance, den Handel mit zusätzlichen Partnerländern durch einen verbesserten Marktzugang zu fördern, Unternehmen bei der Diversifizierung ihrer Lieferketten zu unterstützen und gleichzeitig die bilaterale Zusammenarbeit mit Partnerländern zu stärken.


Das Maß unserer Abhängigkeit von China zeigte sich beispielhaft 2021: Nur kurz unterbrach die Volksrepublik infolge der Corona-Pandemie die Lieferung von Magnesium nach Europa. Lagerbestände retteten viele Unternehmen über diese Zeit – und doch war es ein Schock für ganze Industriezweige, die meist zu 100 Prozent auf die chinesischen Exporte angewiesen sind.

Es gibt nur einen Ausweg: Europa muss seine eigenen, inländischen Fähigkeiten ausbauen und weiterentwickeln. Erstens müssen wir mithilfe radikal verkürzter Genehmigungsprozesse zehn Prozent der gefragten Rohstoffe in der EU selbst fördern.

Zweitens muss Europa 15 Prozent seines Rohstoffbedarfs durch konsequentes Recycling, etwa von Batterie-Komponenten, Brennstoffzellen aus der Solarenergie etc. decken.

Drittens müssen wir Handelspartnerschaften mit Abbauländern breiter aufstellen und uns auch auf die Veredelung und Weiterverarbeitung kritischer Rohstoffe konzentrieren. Hierfür bedarf es Fachkräfte, die mit Förderprogrammen schon jetzt ausgebildet werden müssen – und nicht erst dann, wenn es zu spät ist.

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