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Ein Biologielaborant bereitet eine Probe von einem Rachenabstrich für einer Infektion mittels PCR vor.

© dpa/ Michael Matthey

Kosten von sechs Milliarden Euro: Medienrecherche zeigt fragwürdige Preiskalkulationen bei PCR-Tests

Ein Rechercheverbund deckt auf, dass Lobbyvereine vor allem im ersten und zweiten Pandemiejahr hohe Preise für PCR-Tests aushandelten. Das Bundesgesundheitsministerium weist das zurück.

Mit mehr als sechs Milliarden Euro haben Staat und Krankenkassen für PCR-Tests laut WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ deutlich mehr Geld ausgegeben als erforderlich.

In einem am Sonntagabend veröffentlichten Bericht verwies der Rechercheverbund auf fragwürdige Preiskalkulationen, mit denen Ärztefunktionäre hohe Erstattungspreise für die Labore aushandelten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) räumte demnach auf Anfrage ein, dass die Preise für PCR-Tests „zu hoch“ gewesen seien.

Die Recherchen ergaben demnach, dass die Testmaterialien auf dem Markt damals deutlich günstiger zu kaufen waren, als Ärztevertreter in den Preisverhandlungen angegeben hätten. Demnach bezifferten Ärztevertreter in den Verhandlungen mit den Krankenkassen im Mai 2020 die Materialkosten für einen PCR-Test auf 22,02 Euro.

Das gehe aus bisher vertraulichen Unterlagen und Abrechnungen hervor, die WDR, NDR und SZ einsehen konnten. Auf dem freien Markt hingegen hätten mehrere Anbieter zertifizierte Testkits zu dieser Zeit für vier bis sieben Euro verkauft.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wollte laut WDR, NDR und „SZ“ auf Anfrage keine Belege für ihre Berechnungen vorlegen. Sie habe lediglich mitgeteilt, dass gerade zu Beginn der Pandemie „erhebliche Marktengpässe bei Reagenzien und Materialien auftraten, die zu einem langfristig hohen Preisniveau beigetragen haben“.

Spahn bleibt unspezifisch

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts hätten zu dieser Zeit 30 von 170 Laboren über Knappheit geklagt. Gleichzeitig bauten die Labore ihre Kapazitäten in diesen Wochen massiv aus.

Der damalige Minister Jens Spahn (CDU) erklärte demnach auf Anfrage, die Verfügbarkeit von PCR-Tests schnell und verlässlich herzustellen, sei „gerade im schweren ersten Jahr ein zentrales Mittel der Pandemie-Bekämpfung“ gewesen. Konkrete Fragen könne er nicht beantworten, da er keinen Aktenzugang mehr habe.

Jens Spahn (CDU) gibt zu Beginn der Unions-Fraktionssitzung ein Fernsehinterview im Reichstagsgebäude.
Jens Spahn (CDU) gibt zu Beginn der Unions-Fraktionssitzung ein Fernsehinterview im Reichstagsgebäude.

© Foto: dpa/Kay Nietfeld

Heute erhalten die Labore noch rund 30 Euro für einen PCR-Test, und zwar inklusive Personal-, Transport- und sonstige Kosten. Mit den Recherchen von WDR, NDR und „SZ“ konfrontiert, räumte Lauterbach ein: „Mir erschienen die Testkosten zu hoch. Ich habe sie dann um mehr als die Hälfte abgesenkt. Trotzdem kommen die Anbieter mit dem Geld aus. Daher können die Kosten also nicht höher sein als das, was jetzt bezahlt wird.“

Das Gesundheitsministerium selbst antwortete nach Angaben des Rechercheverbunds auf detaillierte Fragen knapp: Die Vergütung orientiere sich an den „relevanten Kostenfaktoren“.

Die Gesetzlichen Krankenkassen beklagten gegenüber WDR, NDR und „SZ“ ein „Informationsungleichgewicht“: Die Ärzteschaft, die auch die Labore vertrete, wisse „deutlich mehr über die echte Kostenstruktur in den Laboren“, sagte deren Sprecher. Die Kassen hätten unter Druck gestanden, die Versorgung von 73 Millionen Versicherten sicherzustellen.

Die Recherchen hätten auch den Einfluss gezeigt, den der Lobby-Verein „Akkreditierte Labore in der Medizin“ (ALM) im Ministerium von Lauterbachs Vorgänger Spahn gehabt habe. Mehrfach wurden den Recherchen zufolge Referentenentwürfe so geändert, wie der ALM es in seinen Eingaben vorgeschlagen hatte.

So setzte sich die Laborlobby erfolgreich für die Beibehaltung höherer Preise ein und lobbyierte dagegen, dass sich Zahnärzte und Veterinärmediziner an den Tests beteiligen dürfen. Der ALM ließ laut WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ eine Anfrage unbeantwortet. (AFP)

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