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Schnelle Nummer: Mit dem Wok sind die Ramen-Nudeln mit Garnelen superfix fertig. 

© mauritius images/The Picture Pantry / Lisovskaya Natalia

Wok Hei! : Von der Kunst des Blitz-Bratens

Auf ein paar Millimetern Carbonstahl gründet die Küche eines halben Kontinents. Wie man mit dem Wok richtig umgeht – und welche Modelle man besser meidet.

Vor einigen Jahren ist der Wok in Deutschland vor allem als Wintersportgerät bekannt geworden. Doch da Stefan Raab seine Wok-WM schon lange eingestellt hat, lohnt es sich, auf den ursprünglichen Zweck des Geräts zurückzukommen, nämlich das unfassbar gute asiatische Kochen – knackige Gemüse, zarte Meeresfrüchte, duftende Gewürze, veredelt vom berühmten „Wok-Taste“. Eine Schüssel aus Blech, geformt wie ein Mittelding aus Pfanne und Topf, das ist alles, darauf baut die Küche eines halben Kontinents auf, eine Küche, deren Beliebtheit in Europa noch längst nicht auf dem Gipfel angekommen scheint.

Im Haushaltswarenhandel ist das gut zu sehen. Es gibt längst eine Fülle von Geräten, die alle das Wort „Wok“ im Namen tragen, von der traditionellen Blechschüssel bis hin zu sogenannten „Wok-Pfannen“ aus Alu-Guss oder mehrlagigem Stahl, oft auch innen beschichtet, die die Wok-Küche angeblich auf deutschen Küchenherden möglich machen sollen.

Diese Dinger, um das gleich zu sagen, taugen nichts. Sicher lässt sich darin kochen, braten und dünsten in europäischer Tradition. Aber die spezifischen Eigenschaften des Woks gehen in mehrfacher Hinsicht verloren. Schon dem Laien erschließt sich zumindest, dass ein auf höchstmögliche Herdhitze ausgerichtetes Küchengerät keine Beschichtung verträgt, egal was der Hersteller behauptet. Und dass „Tischwoks“ mit Spiritusbrenner überflüssiges Spielzeug sind und allenfalls für schlechtes Fondue taugen, ergibt sich aus der Funktionsweise eines richtigen Woks.

Die Randzone muss kühler bleiben

Wie funktioniert der überhaupt? Entscheidend ist ein Zentrum unten in der Rundung, in dem die klein geschnittenen Zutaten sehr intensive Hitze abbekommen – und eine Zone am Rand, in der sie sich abkühlen können. Im stetigen Wechsel des „Pfannenrührens“, idealerweise mit einer Bratschaufel, werden die Zellen also unter Druck gesetzt und wieder entspannt, kurz erneut erhitzt, wieder nach oben, was die Säfte im Inneren hält und die typische Textur ergibt, nicht mehr roh, aber schön bissfest. In zwei Minuten ist oft alles vorbei, zumal längeres Garen das Bratgut eben doch trocken (Fleisch) und matschig (Gemüse) werden ließe.

Dieses Prinzip stellt hohe Anforderungen an die Geräte – oder auch nicht, wenn einfach ein runder Stahlwok auf offenes Feuer oder gezielt fokussierte Gasflammen trifft. Aber beim Gasherd muss zumindest ein spezieller Ring sicherstellen, dass die Hitze unten bleibt. Und mit Elektroherden wird die Sache richtig schwierig.

Die Wahrheit ist, dass Kochen mit dem Wok auf herkömmlichen Kochplatten oder Ceranfeldern nicht wirklich funktioniert. Sie bringen nicht die nötige Hitze, da hilft es auch nicht, wenn der Wok – dann wohl „Wokpfanne“ – unten an der Kochfläche entsprechend abgeflacht ist.

Erst die Induktionstechnik hat hier neue Perspektiven eröffnet. Speziell mit der bei den meisten Platten eingebauten Booster-Funktion lässt sich die nötige Hitze leicht erreichen. Nun ist es sogar möglich, einfachste Blechwoks aus dem Chinaladen ihrer Bestimmung entsprechend einzusetzen. Experten hämmern auf halber Höhe gern noch ein paar kleine Beulen hinein, an denen das Gargut hängenbleiben kann und dann nur auf ausdrücklichen Befehl wieder in die Hitze wandert.

Bestes Material ist Carbonstahl

Der Nachteil dieser Technik: Gerade Anfänger werden es schwer finden, den auf der Rundung schaukelnden Wok permanent mit einer Hand festzuhalten, während die andere den Pfanneninhalt herumschaufelt. Dann kommen doch Woks mit abgeflachtem Boden ins Spiel: Wichtig ist eine möglichste kleine Abflachung, und das Material sollte auf jeden Fall Eisen sein, präziser: dünner Carbonstahl.

Komplizierte Edelstahl-Alu-Kupferschichten machen mit ihrer hohen Wärmespeicherfähigkeit den Hauptvorteil des Woks, nämlich Schnelligkeit und ungleiche Wärmeverteilung, zunichte. Und Gusseisen oder Alu-Guss gehen deshalb überhaupt nicht. China-Shops können helfen, und vor allem der französische Profiversorger DeBuyer bietet geeignete Geräte an. In allen Größen, wobei klar ist, dass ein Wok so groß wie möglich sein sollte, um mindestens ein komplettes Gericht für vier Hungrige fassen zu können.

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Wichtig immer: Den Vorschriften zum Einbrennen mit Speiseöl sollte unbedingt gefolgt werden, denn wenn drunten alles Stärkehaltige festbäckt und sich zur schwarzen Kohleschicht verdichtet, lässt sich das nur mit viel Mühe reparieren. Ziel ist die begehrte Patina, eine Schutzschicht, an der nichts mehr anbrennt oder auch nur haftet; sie kommt mit Glück und Vorsicht allmählich ganz von allein.

Doch auch über den reinen Garvorgang hinaus sind ein paar Überlegungen zweckmäßig. Der Wok ist in China auf Basis der konfuzianischen Philosophie entstanden, nach der das Messer in die Hand des Kochs gehört und nicht in die des Essers; dass er die Garzeit entscheidend verkürzte, war angesichts mangelnden Brennmaterials für die Armen ein Hauptgewinn.

Alles muss vorgeschnippelt werden

Folglich funktioniert Wok-Küche nur, wenn alle Zutaten vorher akkurat mundgerecht zerteilt und gegebenenfalls mariniert sind. Während des Garvorgangs noch irgendetwas aus dem Kühlschrank zu holen und klein zu schneiden, ist zwar möglich, ruiniert aber das Gesamtergebnis. Der britisch-chinesische Koch Jeremy Pang hat dafür das System der „Wok Clock“ erfunden. Um die richtigen Garpunkte zu erwischen, ordnet er die Zutaten im Uhrzeigersinn an, bevor er den Herd anschaltet, nachlesen lässt sich das in seinem gerade erschienenen Buch „School of Wok“.

Jeremy Pang dachte sich das Prinzip der „Wok Clock“ aus: Alle Zutaten werden im Uhrzeigersinn aufgebaut und kommen nach und nach in die Pfanne.

© Kris Kirkham

Und dann der „Wok-Taste“, auch „Wok Hei“ („der Atem des Woks“) genannt. Das ist das spezifische, zwischen rauchig und gerade noch nicht angebrannt angesiedelte Aroma, das sich in den Hitzehöllen der chinesischen Garküchen mehr oder weniger von selbst ergibt. Nicht bitter, aber voller Umami. „Wenn es den Wok Hei nicht hat“, so heißt es, „ist es kein chinesisches Essen.

Logisch, dass die enorme Garhitze allein schon mehr Anbrenngefahr mitbringt, als dem Laien lieb ist. Aber wer einmal näher hingeschaut hat, wenn Experten kochen, weiß, dass sie die Gasflammen richtig brandgefährlich über dem Wok zusammenschlagen lassen. Das ist kein Anbrennen, sondern ein physikalisch anders gearteter Vorgang: Ein feiner, von Wasserdampf getragener Ölnebel aus dem Wok gerät in die aufsteigende Hitze der Gasflamme, entzündet sich, polymerisiert und fällt als fertiges Aroma wieder in den Wok – die Quelle des rauchigen Geschmacks.

Ein kleiner Gasbrenner kann die Lösung sein

Dieser Effekt lässt sich in der heimischen Küche kaum erzielen, mit Induktion nicht, und mit Gas auch nur um den Preis völliger Küchenverwüstung. Wer mag, kann es mit dem Gartengrill versuchen, einen teuren und raumgreifenden Gas-Wokbrenner anschaffen oder mit der Methode experimentieren, die Tim Chin von „Serious Eats“ ausprobiert und beschrieben hat: Der Dampf-Öl-Nebel über dem Wok lässt sich nämlich auch mit einem kleinen Gasbrenner der Crème-brûlée-Größe abfackeln, und das Ergebnis, so beschreibt er, kann sich durchaus schmecken lassen.

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Viel Öl dagegen nützt überhaupt nichts, weil das Pfannenrühren dann zum Frittieren wird. Auch dazu lässt sich ein Wok hervorragend nutzen, aber das ist wieder eine andere Sache. Das Abfackeln per Mini-Brenner geht paradoxerweise am besten mit flachem Pfannenboden und mit wasserhaltigen Gemüsen, während bei Fleisch noch Wasser hinzugefügt werden sollte, beispielsweise in der Marinade. Wusch! Es liegt nahe, dass blutige Amateure bei dieser Methode zumindest ihre Augenbrauen einbüßen werden – jeder sollte selbst entscheiden, ob es ihm das Risiko wert ist.

Ein ganz anderes Kapitel ist „Wok mit Deckel“. Dann wird aus der Blechschüssel ein Multifunktionstopf, der sich hervorragend zum Dämpfen eignet. Das mit dem Frittieren hatten wir schon erwähnt: Weil der Wok durch seine Form mit wenig Fett auskommt, ist er ideal sogar für kerneuropäische Zubereitungen.

Die Kochbuchautoren Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer, bekennende Wok-Fans, schlagen in ihrem Buch „Kochwerkstatt“ vor, Apfelküchlein drin zu machen. Und alle, die den Wok lieber in klassischer Manier mit hiesigen Rezepten ausprobieren wollen, können sich nach ihrer Anleitung an Boeuf Stroganoff aus dem Wok versuchen – das schmeckt, so schreiben sie, noch viel besser als das Original.

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