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Douce Steiner, die im Restaurant «Hirschen» kocht.

© dpa/Nicole Jankowski

Der raue Ton der Männerküche : Wie Douce Steiner zur besten Köchin Deutschlands wurde

Die Deutsch-Französin hat sich über Jahre an die Spitze gearbeitet. Nun ehrt sie der Restaurantguide Gault & Millau. Was ihre Kreationen ausmacht und was man bei ihr nicht auf dem Teller finden wird.

Der bitterste Moment in Douce Steiners Karriere liegt rund 15 Jahre zurück. Der neue Guide Michelin erschien – und ihre Küche im „Hirschen“ in Sulzburg wurde mit einem Stern ausgezeichnet. Immerhin.

Das Dumme daran war allerdings, dass ihr Vater, der ihr das Haus offiziell übergeben hatte, seit über zwei Jahrzehnten mit zweien geehrt worden war – der Abstieg war ein Schock. Vor allem deshalb, weil die Tochter die Küche zusammen mit ihrem Mann Udo Steiner schon seit Jahren geführt hatte.

Es war ein Rückschlag nicht nur für sie, sondern auch für die Sache der deutschen Spitzenköchinnen, von denen es immer gerade eine Handvoll zum Michelin-Stern bringt. Lange wurde das in der Szene als Beleg dafür genommen, dass Frauen diesen Job eben offenbar doch nicht packen könnten.

Die Sache ist längst ausgestanden, der zweite Stern kehrte 2012 zurück, und seither könnte Douce Steiner sich, wenn sie wollte, zur besten deutschen Köchin erklären.

Das läge ihr nicht, aber es sagen immer wieder andere, und seit dem 19. Juni 2023 schließt sich auch der Restaurantguide Gault&Millau mit Nachdruck an: Er ernannte die Deutsch-Französin zur „Köchin des Jahres“, der ersten Frau überhaupt mit dieser Auszeichnung, seit der Guide 1982 seine Arbeit in Deutschland aufnahm.

Chefredakteur Christoph Wirtz sagte aber sicherheitshalber dazu, dass diese Entscheidung „ohne jeden inhaltlichen Kompromiss“ getroffen worden sei. Er hat in diesem Jahr sämtliche persönlichen Auszeichnungen an Frauen aus der Branche vergeben, eine hochpolitische Entscheidung.

In die feine Küche hineingeboren

Douce Steiner, das macht ihre Leistung nicht geringer, ist in die feine Gastronomie hineingeboren worden, das war 1971. Der „Hirschen“ im südbadischen Sulzburg, den ihre Eltern 1979 übernahmen, wurde schnell zum Inbegriff des feinen Dorfgasthauses, ein wichtiges kulinarisches Reiseziel im badisch-elsässischen Grenzgebiet zwischen Basel und Freiburg.

Vater Hans-Paul und Mutter Claude waren gelernte Köche, und auch die Tochter absolvierte ihre Lehre der Einfachheit halber im Haus.

Das war aber nicht alles. Bei einem Praktikum in Harald Wohlfahrts „Schwarzwaldstube“ lernte sie ihren späteren Mann Udo Weiler kennen, sie absolvierte Wanderjahre zum Beispiel bei Georges Blanc und Fritz Schilling, lernte im berühmten Baseler „Stucki“ den rauen Ton der Männerküche zu ertragen: „Nicht selten weinte ich wegen der Schikanen, die mir angetan wurden“.

Pointe: Dieses Restaurant wurde viel später ebenfalls von einer Frau übernommen, von Tanja Grandits. Unterdessen zückte der Michelin für die Arbeit ihres Vaters 1995 den zweiten Stern.

Wer will, der kann diese klassisch französisch-badischen Grundlagen in Douce Steiners Küche noch immer schmecken.

Sie nutzt vor allem die bekannten Luxusprodukte und könnte von der calvinistischen Kargheit skandinavischer Trendküche kaum weiter entfernt sein. Doch sie hat diese Tradition längst in ihre eigene Handschrift übersetzt, in der Kräuter, Gemüse und frische Säureakzente über die althergebrachte Schwere von Butter und Sahne triumphieren. Ob das eine als „feminin“ erkennbare Stilistik ist?

Nur, um den Zeitgeist einer Frauenquote zu erfüllen, möchte ich keinen dritten Stern haben wollen.

Douce Steiner, Spitzenköchin

Sie selbst begibt sich nur zögernd auf dieses Glatteis und sagte vor ein paar Jahren in einem Zeitungs-Interview, die Frauen in der internationalen Topliga kochten nach ihrem Eindruck mehr aus dem Bauch heraus, „sie bauen keine Tennisplätze auf dem Teller oder arbeiten mit Geodreieck und Zirkel statt mit den Händen“.

Und die Frage nach einem eventuellen weiteren Aufstieg beantwortet sie klar: „Nur, um den Zeitgeist einer Frauenquote zu erfüllen, möchte ich keinen dritten Stern haben wollen“.

Ihr Menü, das sie für selbstbewusste 298 Euro auf die Karte setzt, enthält vor allem Fischgerichte wie die „Confierte Bachforelle mit weißen Spargelspitzen und Rhabarber, Verbene-Jus und Sauerklee“ oder „Flusszander mit Estragon und blaue Garnele auf einem Fond von frischen Erbsen und Holunderblüte, grüne Spargelspitzen, Melisse“.

Fleisch taucht darin nur als Hauptgang in Gestalt eines Bisonfilets mit indischem Pfeffer auf einer Waldpilzessenz und Sellerie auf, erweitert um ein Bison-Tatar mit Kaviar und Sauerrahm.

In ihren Gerichten zeigt Douce Steiner nicht nur, dass sie mit Spitzenprodukten adäquat umgehen, sie also perfekt garen und würzen kann – das ist nur die Basis.

Wichtiger ist ihr Verständnis von aromatischen und texturellen Balancen und Korrespondenzen, das heute die Teller der größten Köche ausmacht und häufig eher instinktiv gesteuert als erlernbar scheint. Die festlich-familiäre Atmosphäre im Haus ergänzt das Gesamtkunstwerk, das längst anspruchsvolle Nachbarn ebenso anzieht wie Franzosen im kleinen Grenzverkehr und internationale „Foodies“.

Douce Steiners Tochter Justine übrigens ist 27 Jahre alt und - gelernte Köchin. Sie ist die vermutlich einzige Frau in Deutschland, die so etwas wie eine Köche-Dynastie begründen könnte.

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