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Coronamaske auf der Straße.

© Getty Images/DuKai

Das stille Ende der Pandemie: Corona – war da was?

Der Expertenrat zu Corona stellt seine Arbeit ein. Gefühlt ist die Pandemie vorüber. Doch noch immer infizieren sich Menschen. Und auf die Zukunft ist niemand vorbereitet. Wie kann das sein?

Ein Kommentar von Sidney Gennies

Damals, also vor dem Krieg, schien die Pandemie allgegenwärtig. Als man im Winter aus Angst, aus Vorsicht oder Rücksicht zwar alleine zu Hause saß, aber sich wenigstens die Heizkosten noch leisten konnte, gab es kein anderes Thema als das Coronavirus und den Umgang damit. Wäre Olaf Scholz schon Kanzler gewesen, er hätte vermutlich eine Zeitenwende ausgerufen.

Nun, drei Jahre später, ist Corona aus dem öffentlichen, aus dem medialen, aus dem politischen Diskurs klammheimlich verschwunden. War da was?

Am Dienstag hat nun auch noch ohne viel Aufsehen der Corona-Expertenrat, der die Bundesregierung beraten soll, seine Arbeit eingestellt. Nachdem die Maskenpflicht als letztes sichtbares Element der Maßnahmen im März gefallen war, scheint die Pandemie politisch für beendet erklärt worden zu sein.

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Kein Freedom-Day, wie ihn die FDP einst viel zu früh forderte, kein Moment der Katharsis. Irgendwann, allmählich und unmerklich, war einfach alles nicht mehr so schlimm. Und nun ist es eben vorbei. Ist es das?

Ein Moment für Jubel ist dies sicher nicht. Nicht nach allem, was diese Gesellschaft ausgehalten, was diese Gesellschaft gespalten hat.

Doch auch wenn es schwerfällt nach all den Traumata: Ein Moment zum Innehalten ist es schon. Zum Nachdenken über die Opfer, die jeder Einzelne gebracht hat, um sich und andere zu schützen.

Nachdenken über jene, die nicht geschützt werden konnten, die gestorben sind oder immer noch unter den Folgen der Erkrankung leiden. Ein Moment des Nachdenkens darüber, was wir gelernt haben. Haben wir etwas gelernt?

Die Idee, dass die Pandemie erst vorbei ist, wenn auch die Langzeitfolgen im Griff sind, hat sich gemeinsam mit dem öffentlichen Bewusstsein verflüchtigt.

Sidney Gennies

Nicht gelernt haben wir offenbar, dass man dieses Virus nicht unterschätzen darf. Anders ist nicht zu erklären, wie der unter großen Mühen eingesetzte Expertenrat seine Arbeit einstellt, obwohl sich noch immer sehr viele Menschen infizieren – und jede Infektion das Risiko einer Long-Covid-Erkrankung mit sich bringt, deren volkswirtschaftlicher Schaden noch nicht absehbar ist. Die Idee, dass die Pandemie erst vorbei ist, wenn auch die Langzeitfolgen im Griff sind, hat sich gemeinsam mit dem öffentlichen Bewusstsein verflüchtigt. Die zahllosen Long-Covid-Patienten werden größtenteils alleingelassen.

Gelernt hatten wir eigentlich, dass nicht nur jene „systemrelevant“ sind, die unser Finanzsystem am Laufen halten, sondern vor allem die, die die Gesellschaft zusammenhalten. Kassierer, Pflegekräfte, Erzieherinnen. Und doch müssen sie um bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne kämpfen, als wäre nie etwas gewesen.

Noch zu lernen hat auch die neue Regierung, dass selbst das Ende der Pandemie nicht das Ende von Pandemien wäre. Wie ist Deutschland auf den nächsten Gesundheitsnotstand vorbereitet? Ein Blick auf die Nationale Reserve, die für den Fall einer neuen Pandemie aufgebaut werden sollte, gibt Antwort: gar nicht. Weder Masken noch Medikamente wurden beschafft. Noch nicht einmal die Haushaltsmittel dafür wurden freigegeben.

Was wir also hauptsächlich gelernt haben, ist zu vergessen. Mit dem Vergeben allerdings ist es so eine Sache.

Über den Streit um den richtigen Umgang mit der Pandemie sind Familien und Freundschaften zerbrochen. Der Riss zieht sich durch politische Lager und die Wissenschaftscommunity. Das zu heilen braucht nicht nur Zeit, es braucht auch Aufarbeitung. Und Ehrlichkeit.

War es nötig, schnell und entschieden zu handeln? Wahrscheinlich ja. War alles nötig, was getan wurde? Wahrscheinlich nicht. Wurden die Entscheidungen so getroffen, dass Deutschland seinem Anspruch an Demokratie für solch einschneidende Maßnahmen gerecht wurde? Es bleibt ein großes Fragezeichen.

Bei der Aufarbeitung darf es nicht darum gehen, Schuldige zu benennen. Aber Ziel muss sein, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Die Pandemie hat Fragen aufgeworfen. Die nun besonnen zu beantworten, bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.

Ein in „Team Vorsicht“ und „Team Freiheit“ gespaltenes Land war schon schmerzhaft. Ein neues „Team Gleichgültigkeit“ wäre nun ungleich fataler.

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