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Steffen Tzschoppe

© Foto: TSP/Kseniya Apresian

Bushidos Anwalt Steffen Tzschoppe: „Vieles an der Rapszene irritiert mich bis heute“

Zum ersten Mal spricht Bushidos Anwalt Steffen Tzschoppe ausführlich über den Mammutprozess – und verrät, warum er den Angeklagten Arafat Abou-Chaker auch nach dem Urteil sehen wird.

Seit mehr als zwei Jahren läuft am Berliner Landgericht der Prozess gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder. Steffen Tzschoppe ist der Anwalt des Nebenklägers Bushido und dadurch sowohl im Saal als auch außerhalb verbalen Anfeindungen ausgesetzt. In der neuen Folge des Tagesspiegel-Podcasts „Tatort Berlin“ berichtet Steffen Tzschoppe erstmals ausführlich, wie er den Mammutprozess und seine Beteiligten erlebt.

Herr Tzschoppe, was wussten Sie über Gangsterrap, bevor Sie Bushidos Anwalt wurden?
Diese Welt war mir vollkommen fremd. Bushidos Musik kannte ich kaum, Arafat Abou-Chaker nur vom Namen. Ich habe mich dann eingearbeitet, Biografien gelesen, wobei da oft Wichtiges weggelassen oder beschönigt wird. Straftaten zum Beispiel. Vieles an der Rapszene irritiert mich bis heute. Zum Beispiel, wie häufig dort das Lager gewechselt wird. Wer heute dein Feind ist, ist morgen dein Freund. Das kann ich nicht nachvollziehen. Wenn ich mit jemandem breche, vertrage ich mich doch nicht drei Jahre später wieder.

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Die Staatsanwaltschaft wirft Arafat Abou-Chaker unter anderem vor, dass er seinen ehemaligen Geschäftspartner – Ihren Mandanten Bushido – im gemeinsamen Büro eingesperrt, bedroht und misshandelt haben soll. Weshalb dauert dieser Prozess bereits mehr als zwei Jahre?
Einerseits liegt das an Corona. Wegen der Infektionsschutzmaßnahmen war die tägliche Verhandlungsdauer limitiert, wir mussten teils schon mittags Schluss machen. Außerdem gab es viele Pausen: Zwei Richter sind zwischendurch erkrankt, auch Zeugen hatten Corona. Was soll eine Kammer da machen? Hinzu kommt, dass in diesem Fall niemand in Haft sitzt, da haben andere Verfahren natürlich Vorrang.

Der Prozess ist reich an kuriosen Momenten. Manche Zeugen können sich vor Gericht an nichts mehr erinnern, einer wurde vom Richter gefragt, ob er gerade bekifft sei. Außerdem ist eine Audiodatei aufgetaucht, die ein Mitschnitt des Tatmoments sein soll, aber Bushidos Zeugenaussage widerspricht. Hat Ihr Mandant gelogen?
Bei dieser dubiosen Datei ist völlig unklar, was darauf zu hören ist oder wo, wann und wie das aufgenommen wurde. Anders als zunächst behauptet enthält diese Datei nämlich keine Metadaten. Die Aufnahme ist von so mieser Qualität und übersteuert, dass es teilweise Schmerzen bereitet zuzuhören. Und im Gegensatz zu anderen Audiodateien, die in diesem Verfahren eine Rolle spielen, wurde diese hier als MP3 vorgelegt. Das ist ein sehr leicht zu manipulierendes Dateiformat.

Nebenkläger Bushido
Nebenkläger Bushido

© dpa / Monika Skolimowska

Als Anwalt von Bushido müssen Sie sich einiges anhören. Trifft Sie das?
Wenn man diesen Beruf schon so lange ausübt wie ich, hat man ein dickes Fell. Ich kann persönliche Angriffe gut ab, egal ob die jetzt von einem der Angeklagten kommen oder vom Publikum im Saal. Wenn ich dort Hurensohn genannt werde, geht das bei mir links rein und rechts wieder raus. Ich glaube auch, das Wort hat – gerade in dieser Szene – keinen großen beleidigenden Wert mehr. Da gibt es Beschimpfungen, die einen mehr treffen. In einem anderen Verfahren hat mich ein Prozessbeteiligter mal „Stück Scheiße“ genannt, das war schon wirklich tiefster Keller.

Weil Bushido in der Berliner Szene so viele Feinde hat, werden Sie auch von dessen Rivalen beleidigt.
Das sind meist so Leute, die in ihrer Karriere einfach viel weniger Erfolg hatten als Bushido. Die es in 20 Jahren nicht geschafft haben, eine einzige Goldene Schallplatte zu bekommen. An deren Musik besteht halt wenig Interesse, also müssen sie irgendwie gegen ihre eigene Bedeutungslosigkeit ankämpfen und Aufmerksamkeit erregen. Ich weiß noch, dass mir dieser Fler eines Tages plötzlich auf Twitter gefolgt ist, und dann kamen von dem Provokationen. Ich bin ihm aber nie zurück gefolgt und habe nie geantwortet, auch wenn es gelegentlich mal in den Fingern juckte. Ich mag mich einfach nicht auf das Level von einem Fler herab begeben. Ich habe kein Interesse, mit dem überhaupt zu kommunizieren. Mit anderen gern, aber nicht mit dem.

Die Hetze gegen Sie und Bushido findet teilweise in stundenlangen Sendungen im  Internet statt. Gucken Sie das?
Dort wird eine Zuhörerschaft bedient, die billig zu unterhalten ist. Das merkt man, wenn man sich dort die Kommentarspalten ansieht. Diese Leute wollen ja nicht hören: Hey, der Bushido hat aber einen coolen Anwalt! Die wollen hören, dass sein Anwalt eine Schlaftablette ist. Ich hab vor Monaten aufgehört, mich mit dem Mist zu beschäftigen.

In unserem Podcast „Tatort Berlin“ erzählen Sie ausführlich, wie Sie überhaupt zum Strafrecht gekommen sind, wie Sie mit schwierigen Mandanten umgehen und welche Fälle Sie grundsätzlich nicht übernehmen. Einer Ihrer prominentesten Mandanten war der Terrorist Ilich Ramírez Sánchez, bekannt als Carlos, der Schakal.
Wir telefonieren heute noch alle paar Wochen miteinander, er sitzt ja in Frankreich im Gefängnis, und ich denke nicht, dass er nochmal die Freiheit erleben wird. Carlos hat schließlich mehrfach lebenslang bekommen. Ein paar Mal habe ich ihn auch in der Haft besucht. Ein freundlicher, eloquenter, humorvoller Gentleman. Also das ist jedenfalls die Seite von ihm, die ich erlebt habe. Die andere gibt es natürlich ebenso.

Was Sie als Anwalt erleben, kann man auch auf Twitter nachlesen, wo Sie unter dem Namen @robenknueller sehr launig und unterhaltsam aus Ihrem Alltag berichten. Haben Sie Freude an ihrem Beruf?
Größtenteils und meistens. Manchmal ärgere ich mich, dass der Tag nur 24 Stunden hat. Und du fragst dich als Strafverteidiger ständig: Habe ich wirklich alles unternommen, um meinem Mandanten zu helfen? Habe ich in den Akten, die manchmal mehrere zehntausend Seiten umfassen, auch ja nichts übersehen?

In manchen Tweets kommen Richter und Kollegen von Ihnen nicht allzu gut weg...
Wir sind ja alle Menschen und machen deshalb Fehler. Einige Richter sind zum Beispiel taktlos, denen fehlt es an Einfühlungsvermögen gegenüber Zeugen. Neulich habe ich in einem Verfahren eine Angeklagte vertreten, die im fortgeschrittenen Stadium dement ist, mit angegriffenem Hirn. Und der Richter verstand einfach nicht, weshalb meine Mandantin Schwierigkeiten hatte, dem Prozessgeschehen zu folgen und die gewünschten Antworten zu geben. Da meinte der Richter dann tatsächlich: „Ja, aber zur Tatzeit war sie noch nicht dement.“ Als ob es darauf ankäme.

Der Hauptangeklagte Arafat Abou-Chaker.
Der Hauptangeklagte Arafat Abou-Chaker.

© imago

Sie fordern, dass Hauptverhandlungen mit einer Kamera aufgezeichnet werden. Weshalb?
Weil ich häufig erlebe, dass Aussagen von Zeugen am Ende im schriftlichen Urteil falsch wiedergegeben werden. Und dagegen hast du als Strafverteidiger nichts in der Hand. Würde die Hauptverhandlung dokumentiert, wäre das kein Problem. Genauso sollten übrigens auch endlich die Vernehmungen aufgezeichnet werden, die von Polizeibeamten auf dem Revier durchgeführt werden. Wenn du dir vor Gericht die Protokolle dieser Vernehmungen durchliest, fragst du dich manchmal: War der Typ, der das aufgeschrieben hat, überhaupt in der Schule? So ein radebrechendes Deutsch ist das.

Der Prozess gegen Arafat Abou-Chaker wird sich bis nächstes Jahr ziehen. Und wahrscheinlich werden sie den Angeklagten auch danach noch gelegentlich sehen.
Ja, wir wohnen beide in Kleinmachnow, ich allerdings schon deutlich länger als er. Manchmal treffe ich seine Frau beim Einkaufen. Wir grüßen uns dann nicht, aber wir wissen, wer wir sind. Wenn ich sie sehe, nehme ich halt einen anderen Gang und kaufe zuerst Gemüse. Die Frau hat ja schließlich ein Recht auf Privatleben, die muss ich jetzt nicht anfangen zu grüßen. Das würde Arafat glaube ich zu recht als übergriffig empfinden. Das ist eine korrekte Distanz, die man einfach hält.

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