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Von Jana Haase: Behinderte fordern wirksames Verbandsklagerecht

Negativpreis „Betonkopf“ für die Stadt Lübben: Nur Wendeltreppe zum Konzertsaal im Schlossturm

Potsdam/Lübben - Dieser Preis ist keine Auszeichnung: Die Spreewald-Stadt Lübben wurde am gestrigen Montag in Potsdam für den diesjährigen „Betonkopf“ gekürt. Mit diesem Negativpreis weist der Allgemeine Behindertenverband Land Brandenburg e.V. (ABB) seit 2004 jährlich auf behindertenunfreundliche Gebäude, Einrichtungen, Unternehmen oder Behörden hin.

Lübben hat sich den Preis für den nicht barrierefrei sanierten Schlossturm eingehandelt, wie Karl Lehmann vom ABB-Vorstand bei der gestrigen Verleihung vor rund 60 Gästen und dem Podium mit Vertretern aus den Ministerien für Gesundheit, Soziales und Infrastruktur erklärte. In dem Lübbener Schlossturm befinden sich demnach das Eheschließungszimmer sowie der als Konzert-, Ausstellungs- und Veranstaltungsort genutzte Wappensaal mit 180 Plätzen. Rollstuhlfahrer sowie Gehbehinderte könnten ihn jedoch über die vorgesehene Sandstein-Wendeltreppe nicht erreichen.

Lehmann warf den Verantwortlichen in der Lübbener Stadtverwaltung „Nichtachtung“ der Belange Behinderter vor: Ein barrierefreier Zugang sei „von Anfang an“ durch Interessenvertreter eingefordert worden, einen entsprechenden Vorschlag in Form eines Außenaufzuges habe die Stadt jedoch mit Hinweis auf Denkmalschutzbedenken verworfen - allerdings ohne den Plan durch die Untere Denkmalbehörde beim Landkreis prüfen zu lassen. „Die Stadt hat somit einer möglichen Entscheidung durch die Untere Denkmalbehörde vorgegriffen“, so Lehmann. Das brandenburgische Denkmalschutzgesetz sehe zudem die Berücksichtigung der Belange von Behinderten ausdrücklich vor, betonte er weiter.

In Lübben zeigte man sich gestern „überrascht“ von der Auszeichnung. „Wir sind natürlich nicht erfreut“, sagte Stadtsprecherin Hannelore Tarnow auf PNN-Anfrage. Gegen den Außenaufzug habe man sich entschieden, weil im Gespräch mit Landkreis eine Zustimmung „aus denkmalpflegerischen Aspekten nicht in Aussicht gestellt“ worden sei. Die Stadtsprecherin betonte zugleich, dass bisher lediglich die Außenhaut des Turm saniert worden ist. Möglicherweise könne im Rahmen der Innensanierung ein Aufzug oder Treppenlift eingebaut werden: „Das wurde aber noch nicht geprüft oder projektiert.“ Auch einen Zeitplan gebe es bislang nicht. Die Außensanierung des Turmes war bereits Ende 2008 fertiggestellt worden: In die Restaurierung von Türen, Fenstern, Decken und Fassade flossen nach Stadtangaben rund 400 000 Euro aus Mitteln des Bundes, des Landes und der Stadt.

Dass von öffentlicher Hand durchgeführte Sanierungen und Bauprojekte nicht barrierefrei geplant werden, sei kein Einzelfall, kritisierte Andrea Piesker, die Vorsitzende des Allgemeinen Behindertenverbandes Brandenburg, in dem nach Vereinsangaben rund 1200 Mitglieder aus 21 Vereinen organisiert sind. Piesker bemängelte die zögerliche oder fehlende Umsetzung von geltendem Recht gegen Diskriminierung und forderte ein wirksames Verbandsklagerecht für Interessenvertretungen Behinderter.

Weitere Betonkopf-Nominierungen waren an das Unternehmen Busverkehr Oder-Spree und an den Landkreis Spree-Neiße gegangen. Das Busunternehmen betreibt den Angaben zufolge seine 40 Überlandlinien ohne rollstuhlgerechte Niederflurfahrzeuge und ohne Haltestellenansage. In Spree-Neiße bemängelt der ABB den neuen Aussichtsturm „Bärenbrücker Höhe“ in Neuendorf, für den die Baubehörde keinen barrierefreien Zugang eingefordert hatte. Bereits 2009 hatte die Stadt Senftenberg einen Betonkopf erhalten - ebenfalls für einen barrierefreien Aussichtsturm.

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