zum Hauptinhalt
Generalisten in Uniform. Weil in Brandenburg keine Kriminalisten mehr ausgebildet werden, sinkt auch die Erfolgsquote in Strafverfahren vor Gericht.

© dpa

Kritik an Polizeiausbildung in Brandenburg: Miese Ermittlungen

Die Qualität der Polizeiarbeit bei der Verfolgung Krimineller sinkt in Brandenburg seit Jahren drastisch. Experten fordern daher eine Rückkehr zur Kriminalistenausbildung

Potsdam - Immerhin sorgt Brandenburgs Landesregierung jetzt für Nachwuchs bei der Polizei. Doch die 98 neuen Polizeianwärter, die Innenstaatssekretär Arne Feuring am Mittwoch in der Polizeifachhochschule in Oranienburg begrüßte, werden alle zu Generalisten und Alleskönnern ausgebildet. In den vergangenen Jahren landeten die meisten bei der Bereitschaftspolizei oder im Wach- und Wechseldienst. Bei Brandenburgs Kriminalpolizei, die wegen der vielen übernommenen, studierten Kriminalisten aus DDR-Zeiten nach der Wende einen guten Ruf genoss, kam von dem frischen Personal, das zumindest in der Praxis noch viel lernen könnte, so gut wie nichts an. Richtige Kriminalisten werden in Brandenburg seit der Wiedervereinigung nicht mehr ausgebildet. Ein Direkteinstieg zur Kriminalpolizei gibt es nicht.

Die Kripo schickt immer schlechtere Akten

Die Folgen dieser Politik sind aus Sicht von Justiz und Kriminalpolizei verheerend. Sie schlagen deshalb jetzt Alarm und kritisieren die Einheitsausbildung bei der Polizei heftig. Sie führe zu einer immer schlechteren Qualität der Ermittlungsverfahren und zu unzumutbaren und defizitären Ermittlungen. „Spätestens vor Gericht zeigen sich die Mängel der Strafverfolgung. Und auch die Staatsanwaltschaft hat gar keine Chance, mehr aufzuklären“, sagte der Landesvorsitzende des Richterbundes, Mattias Deller. Die Qualität der Strafakten von der Kriminalpolizei sei in den vergangenen Jahren stark gesunken. Verfahren würden deshalb immer häufiger eingestellt. Riccardo Nemitz, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, erklärte, die Aufklärungsquote in der Kriminalstatistik der Polizei sei trügerisch. Sie sage nur aus, dass bei einer Straftat der einfache Tatverdacht gegen mindestens eine Person begründet wurde. Das heiße nicht, dass die Ermittlungen auch beweissicher waren und vor Gericht standhalten.

Weniger Fälle mit Verdächtigen, weniger Anklagen

Tatsächlich ist die sogenannte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsquote, die aussagt, in wie vielen Fällen gegen Tatverdächtige überhaupt ermittelt werden konnte, seit Jahren drastisch gesunken. 2014 hätten die Behörden lediglich in 53 Prozent aller Strafverfahren gegen namentlich bekannte Täter ermitteln können, ganz konkret waren es 138 000 Verfahren mit Täter. 2007 habe die Polizei noch in 61 Prozent der Fälle einen Beschuldigten benannt, das waren 194 000 Fälle. Noch aussagekräftiger ist ein Blick auf die Zahl der Fälle, bei denen es überhaupt zu einer Anklage kommt. Bei den Verfahren mit Tatverdächtigen haben die Staatsanwaltschaften 2007 bei 24 Prozent eine Anklage erhoben. „Die Verfahren sind so wenig gerichtsfest, dass inzwischen nur noch in 20 Prozent der Fälle Anklage erhoben wird“, sagte Deller. Bezogen auf die Gesamtzahl aller bei der Staatsanwaltschaft eingehenden Verfahren, kommt es in nur zehn Prozent der Fälle zur Anklage.

Spezialisten werden dringend benötigt

Nemitz beklagte, dass Brandenburg bei der Polizei-Ausbildung auf Generalisten setzt. Gefragt seien Spezialisten, um den stetig wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, sagte der BDK-Landeschef. In der Landespolitik stehe aber die Präsenz uniformierter Beamter und die Prävention im Zentrum. Die Verfolgung von Straftaten finde nur beiläufig Erwähnung. Dabei sei die Qualität der Ermittlungen der Kriminalpolizei und die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft maßgeblich für den Erfolg. Auch Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg fordert seit Jahren eine Rückkehr zur getrennten Ausbildung von Schutzpolizisten und Kriminalbeamten. Die  Einheitsausbildung führe zu schlechter qualifizierten Kriminalbeamten. Staatsanwälte und Kriminalbeamte kritisierten ausdrücklich auch die schlechte Tatortarbeit und Personalmangel bei der Kriminaltechnik.

Deller und Nemitz forderten Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) auf, die Evaluierung der Polizeireform für ein Umdenken zu nutzen. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen in Kürze vorgestellt werden. „Jetzt muss die Chance genutzt werden, um das Ruder herumzureißen“, sagte sie. „Junge Beamte müssen direkt nach dem Studium zur Kriminalpolizei.“ Ein weiterer Personalabbau bei der Kriminalpolizei ist nicht zu rechtfertigen.

Markov kritisiert, doch Schröter hält an Polizeibildung fest

Vor wenigen Wochen hatte auch Justizminister Helmuth Markov (Linke) im PNN-Interview eine kriminalistische Ausbildung gefordert – was bei seinem Kabinettkollegen Schröter nicht so gut ankam. Er hält an der allgemeinen Grundausbildung der Polizei fest. „Sie hat sich bewährt und beinhaltet natürlich auch kripospezifische Themen“, sagte eine Sprecherin. Je nach späterem Einsatz schließe sich daran eine umfassende Fortbildung für den jeweiligen Polizeibereich an. „Dies ist bei der Kriminalpolizei genauso wie bei der Verkehrspolizei und vielen anderen Sparten polizeilicher Tätigkeit.“ Es gebe nur wenige Fälle, in denen der Staatsanwalt einen Ermittlungsauftrag aufgrund mangelnder Ergebnisse an die Polizei zurückschickt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false