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Etwa 70 Prozent der nötigen Stimmen für ein Volksbegehren waren zur Zeit der Absage gesammelt.

© Ralf Hirschberger/dpa

Kreisreform in Brandenburg: Landkreise: „Unbrauchbar und ungeeignet“

Die Landkreise zerpflücken den Entwurf des Innenministeriums für eine Strukturreform und lehnen diesen kategorisch ab. Sie zweifeln grundsätzlich an der Sinnhaftigkeit.

Potsdam  - Die Landkreise in Brandenburg lehnen die von der rot-roten Landesregierung geplante Kreisreform mit dem bisherigen Gesetzentwurf zu Fusion und Neugliederung kategorisch ab. Nach den Stellungnahmen der Landkreise an Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) werde deutlich, dass die Landkreise den Gesetzentwurf „als unbrauchbar und ungeeignet bewerten“, sagte der Vorsitzende des Landkreistages Brandenburg, Potsdam-Mittelmark-Landrat Wolfgang Blasig (SPD), am Mittwoch. Für die Landkreise sei eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfs nach Form und Inhalt zwingend notwendig.

Landkreise üben harsche Kritik am Gesetzentwurf

Der Landkreistag hatte die bisher vorliegenden Antworten der Kreise ausgewertet, die bis zum Freitag an das Innenministerium geschickt werden sollen. „Nach aktuellem Sachstand üben die Landkreise harsche Kritik an dem Gesetzentwurf“, hieß es in der Mitteilung. Es gebe teils grundsätzliche Zweifel am Sinn der Vorschläge, die Übertragung von Aufgaben des Landes an die Kreise bleibe hinter den Erwartungen zurück und die Reform berücksichtige kaum die anhaltend starke Zuwanderung aus Berlin.

Die derzeitigen Pläne der rot-roten Landesregierung sehen vor, dass es in Brandenburg künftig statt der 14 Kreise und vier kreisfreien Städte nur noch neun Landkreise und die kreisfreie Landeshauptstadt Potsdam geben soll. Nach dem Willen von Rot-Rot soll damit die Landesverwaltung fit gemacht werden für die Zukunft, wenn einige Kreise weiter Einwohner verlieren und andere, berlinnahe Regionen weiter expandieren.

"Weitgehend unbeachtet bleibt die anhaltende Zuwanderung aus Berlin"

Bei den Landkreisen gebe es „grundsätzliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit“ der von Innenminister Schröter vorgeschlagenen Fusionen. „Große Flächenausdehnungen“ drohten „die angestrebten Effizienzvorteile“ zu neutralisieren. Für das erklärte Ziel, die Bürgernähe, bleibe der Vorschlag hinter den Erwartungen zurück. Die zugrunde gelegten Bevölkerungsprognosen wiesen eine hohe Spannbreite auf. „Weitgehend unberücksichtigt bleibt bislang die anhaltende starke Zuwanderung aus Berlin“, hieß es. Bei der Einkreisung der kreisfreien Städte Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel würden die neuen Kreise gelähmt. Besonders kritisieren die Kreise, dass die Kommunen selbst auch Reformkosten von 150 Millionen Euro aus den Landeszuweisungen tragen sollen. „Eine Kofinanzierung der vom Land initiierten Verwaltungsreform durch die Kommunen ist aber bereits dem Grunde nach nicht akzeptabel“, hieß es. Zudem decke die vom geplante „Transformationskostenpauschale“ nur einen Teil der Kosten ab. Während Sachsen je altem Kreis zehn Millionen Euro ausgab, sollen es in Brandenburg nur 1,5 Millionen sein.

Paul-Peter Humpert, Geschäftsführer des Brandenburger Landkreistages, sagte, der bisherige Kostenvorschlag des Landes sei verfassungswidrig. Das Land wolle bisher nur die Kosten für das Personal tragen, das für bisherige Aufgaben zuständig war, die an die Kreise übertragen werden. Nötig sei auch ein Verwaltungsaufschlag für die Personalverwaltung. Rot-Rot habe auch die Möglichkeiten ohne Fusionen nicht ausgeschöpft, etwa durch E-Government oder Kooperationen. Zudem bezeichnete er es als verheerend, welches Bild Rot-Rot derzeit bei dem Reformprojekt abgebe. „Wir haben erwartet, dass man eine Verwaltungsreform von umfassender Bedeutung für das Land vernünftig und strukturiert anfasst. Es wirkt aber alles sehr wie von der Hand in den Mund“, sagte Humpert. „Es fehlen die Vorläufe, ein intensiver Dialog.“ Immer deutlicher werde eine ablehnende Grundhaltung der Kreise. Vor Ort werde die Notwendigkeit einer Reform durchaus gesehen, „aber nicht so, wie sie jetzt vorliegt“. Die ursprüngliche Idee, erst die Funktionen und Aufgaben anzupacken, dann die Strukturen zu ändern, sei vom Fuß auf den Kopf gestellt worden. Bereits das Leitbild, auf dem alle nun kommenden Reformgesetze fußen, trage nicht. Zudem sei es höchst ungewöhnlich, dass die Landkreise eine Stellungnahme zu einem Referentenentwurf des Innenministeriums abgeben sollen, der noch nicht einmal das Kabinett passiert hat. Das soll erst Ende Mai geschehen.

Petke (CDU): Landesregierung muss einlenken

Der kommunalpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Sven Petke, forderte am Mittwoch ein Einlenken der Landesregierung. Die Kritik der Landkreise sei so grundsätzlich und erheblich, dass selbst Änderungen am vorliegenden Gesetzentwurf nichts verbessern könnten. Nötig sei ein Neustart bei der Verwaltungsreform. „Es muss auf Augenhöhe mit den Landkreisen und kreisfreien Städten gesprochen werden, wie in Zukunft eine verlässliche Verwaltung im ganzen Land organisiert werden kann“, sagte Petke. Nach der mit 130 000 Unterschriften erfolgreichen Volksinitiative und der Ablehnung durch die Kreise dürfte die Landesregierung dieses politische Signal nicht ignorieren.

SPD-Fraktionsvize Daniel Kurth dagegen sieht das Papier des Landkreistages als „kritische, aber konstruktive Mitwirkung“ an. „Wir können die Kritik des Landkreistages in Teilen nachvollziehen“, sagte er. Die Landesregierung habe bereits Änderungen des Gesetzentwurfes angekündigt. Zudem warf er Petke indirekt vor, nicht sachlich und verantwortungsvoll an der Reform mitwirken zu wollen.

SPD hat sich in die Defensive manövriert

Wie berichtet hatte sich insbesondere die SPD vor zwei Wochen selbst in die Defensive manövriert. Zunächst hatte sie Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit der Volksinitiative genährt und den Vorwurf provoziert, die Koalition wolle mit juristischen Tricks die Initiative aushebeln. Seither kam die SPD nicht mehr aus der Defensive. Während die Linke einen möglich Volksentscheid gegen die Kreisreform akzeptieren will, ließen die Sozialdemokraten auch hier Zweifel aufkommen – indem sie vor allem die fehlende rechtliche Bindungswirkung in den Vordergrund stellten.

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