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Seit fast 40 Jahren entfernt die Aktivistin aus Zehlendorf rechte Sticker, Plakate und Schmierereien.

© Mike Wolff/Tagesspiegel

Aktivistin Irmela Mensah-Schramm besorgt: „Nirgendwo habe ich so viele Nazi-Schmierereien entfernt wie in Rudow“

Seit fast 40 Jahren entfernt die „Polit-Putze“ rechte Sticker und Schmierereien. Nirgends gebe es so viele wie in Süd-Neukölln, schreibt sie in einem Brandbrief.

Seit bald 40 Jahren entfernt die Menschenrechtsaktivistin Irmela Mensah-Schramm bundesweit Nazisticker und -plakate, macht rechte Schmierereien unkenntlich und geht dabei auch Konflikten nicht aus dem Weg.

Seit 1995 kommt Mensah-Schramm etwa einmal pro Woche ins südliche Berlin nach Rudow, um auch hier rechtes Gedankengut aus dem Straßenraum zu entfernen. Sie sagt: „Nirgendwo habe ich so viele Nazisticker, Plakate und Nazischmierereien entfernt oder unkenntlich gemacht wie in Rudow.“

In einem Brandbrief, der dem Tagesspiegel vorliegt, beklagt sie die hohe Zahl an rechten Schmierereien und das fehlende Engagement der Anwohnenden in Süd-Neukölln.

Der allseits – zu Recht – beklagte Neukölln-Komplex entstand nicht von ungefähr.

Irmela Mensah-Schramm befürchtet eine Eskalation rechter Gewalt in Neukölln.

Sie berichtet, dass sie seit Mai insbesondere im engeren Umkreis rund um die Kreuzung zwischen Selgenauer Weg und Neuhofer Straße – also in unmittelbarer Nachbarschaft etwa zur Michael Ende-Grundschule –insgesamt 31 Hakenkreuze entfernt habe. Auch Schmierereien wie „Kanaken raus“ habe sie im Umkreis beseitigt.

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Über die rechten Schmierereien habe sich offenbar niemand empört, schreibt Mensah-Schramm – dann allerdings über ihre Übersprayaktion. So habe sich jemand über ihre „politisch-motivierte Sachbeschädigung“ beklagt, bei der sie auch ein Hertha-Graffito „beschädigt“ habe.

Anwohnende und Behörden würden nichts gegen Nazi-Propaganda unternehmen

„Bekanntlich sind all diese Schmierereien eine Vorstufe zur nächsten Aktion“, schreibt Mensah-Schramm. Sie betont, auch mit Verweis auf die rechte Straftatenserie in Neukölln, dass die „Täter auch vor Brandanschlägen und Mord nicht zurückschrecken“ würden.

„Der allseits – zu Recht – beklagte Neukölln-Komplex entstand nicht von ungefähr“, schreibt Mensah-Schramm. So würden Anwohnende und auch Behörden die Nazi-Botschaften im Kiez seit Jahrzehnten ignorieren und auch bei Bedrohungen nicht einschreiten.

Ihrer Wahrnehmung nach würden die rechten Schmierereien und Sticker häufig von Schüler:innen aus dem Umfeld verbreitet, schreibt die mittlerweile 77-Jährige. Diese würden, teils mit Deckung der Eltern, offenbar die Nazistrukturen im Kiez verfestigen wollen. Bei Lehrer:innen stoße sie in Rudow in der Regel auf Desinteresse, schreibt sie.

Mensah-Schramm wird auch immer wieder selbst bedroht

Gleichzeitig würde etwa die Polizei Drohungen, die sich auch gegen Mensah-Schramm direkt richten, nicht verfolgen: Sie berichtet von Graffiti mit Aufschriften wie „Schramm wir kriegen Dich“ oder „Zeckenoma wir kriegen dich“. Einige dieser Sticker trugen das Logo der „Freien Kräfte Berlin-Neukölln“, einer ehemaligen Neonazi-Gruppierung aus Rudow.

Zudem sei sie vor einigen Jahren von einem Motorradfahrer in der Groß-Ziethener Chaussee angegangen worden: Dieser habe sie, als sie gerade NPD-Sticker entfernte, übelst beschimpft und auch Morddrohungen geäußert, berichtet Mensah-Schramm.

Er habe sich ihr mit dem Motorrad bis auf wenige Zentimeter genähert und den Motor dann aufheulen lassen, wohl um sie einzuschüchtern. Erst als sie anfing, ihn zu fotografieren, sei er abgefahren. Auch diese Anzeige sei beim Landeskriminalamt versandet, sagt Mensah-Schramm.

Dem sogenannten Neukölln-Komplex rechnen die Behörden mindestens 72 rechtsextreme Straftaten zwischen 2013 und 2018 zu, darunter mindestens 23 Brandstiftungen. Die beiden Hauptverdächtigen, die Neonazis Sebastian T. und Tilo P., stammen aus der Rudower Neonaziszene. Ein Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus soll Ermittlungspannen der vergangenen Jahre untersuchen.

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