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Berliner Kitas und die Öffnungsstrategie „Test to stay“: Kita-Eltern halten Risiken für „nicht tragbar“

Die nur bedingte Zuverlässigkeit der Lolli-Tests alarmiert Gremien. Das Robert Koch-Institut stützt die Bedenken der Eltern zum Vorgehen in den Kitas.


Die hohe Fehlerquote bei den Corona-Rachentests für Kita-Kinder („Lolli-Tests“) verunsichert Berliner Elterngremien. Die Strategie, auf Grundlage dieser Tests auch Kontaktpersonen Infizierter in die Kita zu schicken („Test-to-stay“), werde von den Elternausschüssen des Landes und der Bezirke unter den derzeitigen Bedingungen als „nicht tragbar“ eingeordnet, hieß es am Freitag in einer Mitteilung des Landeselternausschusses für die Kindertagesstätten (LEAK).

Der LEAK verwies auf das Lagezentrum des Robert Koch-Instituts, wonach „Test-to-stay“ das Maskentragen erfordere, was aber an den Kitas nicht möglich sei.

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„Zum Wohle unserer Kinder“ müssten transparente Verfahren und Kommunikation zwischen Senatsverwaltung und Eltern gepflegt und Wege durch die Pandemie gefunden werden, lautete der Appell des Elternvorstands. 

Erziehungsberechtigte müssten in die Lage versetzt werden, eine selbstbestimmte Entscheidung über ein potenzielles Risiko für die Gesundheit ihrer Kinder zu treffen. Gemeinsames Ziel bleibe es, den Zugang zu den Kitas erhalten – allerdings in „verantwortungsbewusster Weise“.

Die stellvertretende Vorsitzende des LEAK, Anja Kettgen-Hahn, sagte dem Tagesspiegel am Freitagabend, dass das Elterngremium das Robert Koch-Institut (RKI) direkt um Einschätzung gebeten habe. Das RKI habe daraufhin nochmals bestätigt, dass das „Test-to-stay“-Verfahren das „kontinuierliche und korrekte Tragen von Masken“ voraussetze – und zwar sowohl für den Infizierten als auch  sowohl für Kontaktpersonen.

Das sind die zentralen Forderungen der Elterngremien

  • Transparente Kommunikation
  • Infektionsgefahren durch „Test to stay“ ohne Masken klar benennen
  • Wegen geringer Genauigkeit kritische Sicht auf die „Lolli-Tests“ und unter Umständen „nachsteuern“
  •  Bis auf Weiteres zumindest eine flächendeckende Versorgung mit den Lolli-Tests

Mit anderen Worten: Die Senatsverwaltung führt aus dieser Sicht ein Verfahren ein, für das die Voraussetzungen in Kitas nicht gegeben seien, da dort keine Masken getragen würden.

„Die damit einhergehende und im Vergleich zum Schul-Setting viel höhere Infektionsgefahr wird durch die Senatsverwaltung schlichtweg nicht kommuniziert“, beklagt der LEAK. Eltern würden in „falscher Sicherheit gewogen“. Denn der maßgebliche Unterschied zum Kita-Setting sei das Tragen von Masken durch Schülerinnen und Schüler.

Dies sei insbesondere in einer Situation unverantwortlich, in der Eltern nach zwei Jahren mit eingeschränkter Betreuungsmöglichkeit „selbstverständlich jede Besserung dieser Situation zunächst sowohl für ihre Kinder als auch für sich selbst begrüßen“.

Werde aber von den Eltern verlangt, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob sie ihr Kind freiwillig in Quarantäne schicken oder am „Test-to-stay“-Verfahren teilnehmen lassen, müssten solche „enormen Risikofaktoren offengelegt und ehrlich kommuniziert werden“.

Eltern beklagen Widerspruch zwischen Amtsärzten und dem Robert Koch-Institut

Der LEAK fordert daher Aufklärung durch den Senat, die sich nicht in einem „lapidaren Hinweis auf die Einschätzung der Amtsärzte“ erschöpfen dürfe, die „eindeutig konträr zur wissenschaftlichen Einschätzung des RKI“ stehe.

Kinder in einer Kita machen einen Lollitest - in Berlin machen ihn die Eltern meist Zuhause.

© picture alliance/dpa

Aber nicht nur die fehlenden Masken unterscheiden die Kitas von den Schulen, sondern auch die Qualität der Tests, bemerkt der LEAK mit Bezug auf „zahlreiche Meldungen über Lolli-Tests, die falsch negativ geblieben sind und ein PCR-Test entsprechend dennoch positiv ausgefallen ist“.

Hier handele es sich nicht um Einzelfälle. Es gebe eine „große Häufung an Meldungen über symptomatische Kinder, deren Tests nicht oder erst zwei bis drei Tage nach Symptombeginn und damit nach bereits vorhandener Ansteckungsgefahr, anschlagen“. 

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Der LEAK bezieht sich dabei auf die Liste des Paul-Ehrlich-Instituts, wonach die verwendeten Lolli-Tests lediglich bei hoher Virenlast sehr zuverlässig sind. Bei geringer Viruslast liege die Erkennungsrate jedoch bei unter 40 Prozent.

Eine „Test-to-stay“-Strategie mit solchen Tests von mangelnder Sensitivität und ohne Masken einzuführen, werfe die Frage auf, „ob der Senat seinem Schutzauftrag den Kindern gegenüber tatsächlich nachkommt oder hier dringend in rechtskonformer Weise nachgesteuert werden muss“.

Zu allem Überfluss seien die Lolli-Tests aber noch nicht einmal flächendeckend vorhanden, so der Vorwurf: In der letzten LEAK-Sitzung vom 7. Februar seine „zahlreiche Kitas“ gemeldet worden, die noch immer keine Lolli-Tests zur Verfügung gehabt hätten.

Diese letzte Beanstandung dürfte sich inzwischen aber weitgehend erledigt haben. Die Jugendverwaltung berichtet über millionenfach angeschaffte Test, die in den Jugendämter abgeholt werden könnten.

„Sehr viele“ Quarantänen wären die Alternative 

In Bezug auf die geringe Zuverlässigkeit der Tests teilte Roland Kern vom Dachverband der Kinder- und Schülerläden (DaKS) mit, es habe so viele Störungsmeldungen bekommen, „dass es über den Einzelfallstatus hinausgeht“. Allerdings müsse man die „30 bis 40 Meldungen“ zu 850 Kitas mit tausenden Kindern im DaKS ins Verhältnis setzen.

Zur Zuverlässigkeit der Lolli-Tests sagte er, man könne zwar die Befürchtungen von Eltern und Erzieherinnen nachvollziehen, aber die Test lägen „im Mittelfeld“, was die Sensitivität anbelange. Im übrigen hätten sich die Amtsärzte mit der „Test-to-stay“-Methode bewusst dafür entschieden, Infektionen in begrenztem Maß zuzulassen. 

Kinder und Erzieherinnen seien  dem eben „auch ein wenig ausgeliefert“. Das müsse so ehrlich gesagt werden. Allerdings, so Kern, hätte ein höherer Infektionsschutz als Preis „sehr viele Kettenquarantänen“ gehabt. Auch das müsse man ehrlich sagen.

Die Senatsverwaltung für Jugend erinnerte am Freitag daran, dass der LEAK lange Zeit vehement die Einführung von Lolli-Tests an Berliner Kitas gefordert habe. Im Übrigen sei das „Test to stay“-Verfahren  von den Gesundheitsbehörden eingeführt worden. Das Masketragen in der Kita sei für Kleinkinder nicht kindgerecht und auch nicht einfach so umsetzbar.

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