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Katrin Lange (SPD), Brandenburger Ministerin der Finanzen und für Europa.

© picture alliance/dpa/Soeren Stache

„Für uns ist die Sache damit erstmal erledigt“ : Brandenburgs SPD sammelt sich nach Streit um Finanzministerin Lange

Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) hat ihre Partei in eine Auseinandersetzung manövriert. Die drohende Zerreißprobe ist abgewendet.

Finanzministerin und Vize-Parteichefin Katrin Lange hatte mit ihren Äußerungen zu Ukraine-Krieg, Bundesregierung und Montagsdemos ein Beben in der Brandenburger SPD verursacht – jetzt schließen die Sozialdemokraten die Reihen, zumindest nach außen.

Im Leitantrag für den Landesparteitag im November, den das Regine-Hildebrandt-Haus jetzt veröffentlicht hat, stellt sich der von Parteichef und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte Landesverband uneingeschränkt hinter die Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Einstimmig hat der Landesvorstand den Entwurf unter dem Titel „Mit Verlässlichkeit durch die Krise“ beschlossen. Auch Woidkes Vize Katrin Lange stimmte dafür, die zuvor nicht nur einmal die Russland-Sanktionen kritisiert hatte – vor allem die Entscheidung der Bundesregierung, ab 2023 kein Pipeline-Öl aus Russland mehr anzunehmen. Einen Showdown auf dem Parteitag, eine Zerreißprobe der Brandenburger SPD den richtigen Weg, auch um Lange, wird Woidkes SPD damit abwenden können.

Für SPD sind umfangreiche Sanktionen gegen Putins Russland nötig

Wörtlich heißt es im Leitantrag: „Die entschlossene Reaktion Deutschlands und der Europäischen Union insgesamt war und bleibt richtig. Der endgültige und einseitige Bruch der auch vertraglich gesicherten europäischen Friedensordnung nach dem Kalten Krieg durch Putins Russland machte die umfangreichen Sanktionen notwendig.“

Die Entscheidung für ein nationales Embargo von Pipeline-Öl hat direkte Auswirkungen auf die Energiesicherheit in Brandenburg und damit auf die Stimmung im Land.

aus dem Leitantrag für den SPD-Landesparteitag im November

Die Brandenburger SPD mahnt den Bund: „Die Entscheidung für ein nationales Embargo von Pipeline-Öl hat direkte Auswirkungen auf die Energiesicherheit in Brandenburg und damit auf die Stimmung im Land.“ Weiter mahnt der Landesvorstand: „Für die SPD Brandenburg steht fest, dass die gemachten Zusagen eingehalten und weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Zusagen für die Raffinerie PCK-Schwedt müssen schnell umgesetzt werden.“

Das alles sind Formulierungen, hinter der sich wohl beide Seiten versammeln können, zumal Brandenburgs SPD im Gegensatz zu Berlin als ziemlich geschlossener Landesverband gilt.

Langes Rundumschlag letzte Woche in ihrer Haushaltsrede im Landtag, bei der sie auch polemisch gegen die von SPD-Kanzler Olaf Scholz geführte Ampel-Bundesregierung austeilte und die Montagsdemonstrationen im Lande als berechtigt wertete, hatte bei den Brandenburger Jusos, aber auch Bundestags- oder Landtagsabgeordneten harsche Kritik provoziert.

Harsche Kritik an Lange bei Aussprache im Potsdamer Unterbezirk

Am Mittwochabend stellte sich Lange – in einer internen Aussprache – dem Potsdamer Unterbezirk. Dort war der Unmut über ihr Agieren besonders groß. Nach außen gibt es einstweilen Entwarnung. „Wir begrüßen es, dass Frau Lange das Gespräch mit uns gesucht hat“, sagte SPD-Unterbezirkschef Andreas Schlüter dieser Zeitung. Man habe die strittigen Punkte klären können. „Für uns ist die Sache damit erstmal erledigt.“

Doch wie es in Parteikreisen hieß, hat sich Lange im Kreis der rund 30 Genossen ziemlich einhellig harsche Kritik und Vorwürfe anhören müssen. Es hieß, Lange habe sich mit ihren Demoaussagen an die Stammtische anbiedern wollen und in AfD-Nähe gebracht. Sie habe mit der Prophezeiung einer zunehmend gereizten Stimmung trotz der Rettungsschirme von Bund und Land die falsche Botschaft vermittelt.

Nächste Woche will sich Lange mit den Jusos treffen

Außerdem hieß es, Lange habe kaum erkennen lassen, dass sie die Kritik und den Unmut verstehe. Zumindest sicherte Lange den Potsdamer Genossen zu, dass sie sich in ihrer nächsten Haushaltsrede auf den Landeshaushalt konzentrieren werde.

Nächste Woche ist eine Aussprache mit den Brandenburger Jusos vorgesehen, die sich in einer Mitteilung „entsetzt“ über Lange geäußert hatten. Auch forderten sie eine Gegenposition der Brandenburger SPD nach dem Motto: „Wir sind nicht verpflichtet, uns unsolidarisch zu verhalten.“ Die Juso-Formulierung war an eine Kritik Langes an den Sanktionen angelehnt, die sie im August im Deutschlandfunk geäußert hatte: „Wir sind nicht verpflichtet, uns selbst zu schaden.“

Schon in der Corona-Politik war Lange 2021 von der Regierungslinie in Brandenburg gelegentlich abgerückt. In der märkischen SPD prallen zwei konträre Perspektiven, Ansätze, politisch-kulturelle Strömungen aufeinander. Die Prignitzerin Lange ist geprägt von Problemen und Stimmung in den ärmeren ländlichen, berlinfernen Regionen, aus denen sie auch in der Partei ihre größten Unterstützer hat.

Woidke will keine Lange-Debatte

Auch vor diesem Hintergrund hat sich Ministerpräsident Dietmar Woidke im Konflikt, trotz leiser Kritik an Formulierungen, hinter Lange gestellt. Sie gilt bisher als engste Vertraute, als möglicherweise von ihm präferierte „Kronprinzessin“, wenn er einmal abtritt. Für die Nachfolge hat in der Brandenburger SPD das Warmlaufen begonnen. Zuletzt hatte Woidke angekündigt, dass er 2024 noch einmal die Spitzenkandidatur anstrebt.

Woidke hat öffentlich und SPD-intern klar gemacht, dass er keine Debatte um die Finanzministerin will – nicht mitten in der größten Krise des Landes. Seine Regierungskoalition steht unter Druck, weil in den Entwurf des 31-Milliarden-Haushaltes für die Jahre 2023/2024 nun nachträglich der angekündigte Rettungsschirm in Höhe von zwei Milliarden Euro integriert werden muss, und zwar Titel für Titel. Das ist kompliziert, birgt Risiken.

Pannen und Zeitverzug kann sich die Regierung angesichts der letzten Umfragen nicht leisten, wonach die AfD stärkste Kraft vor der seit 1990 im Land regierenden SPD wäre. Woidke selbst hat diese Woche dem Bund vorgeworfen, dass nötigen Entscheidungen in der Energiekrise „ewig brauchen“, eine höhere Geschwindigkeit angemahnt. Um diesen Anspruch in der eigenen Regierung umzusetzen – das ist dem Regierungschef bewusst – ist er auf Katrin Lange angewiesen.

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