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© Progress Film-Verleih

Tag 7 bei der Berlinale: Unterbrochener Sex in der Schulaula

„Coming Out“ war der erste schwule Film der DDR. Bei der Wiederaufführung in Pankow zeigt Berlin seine verborgenen Seiten – auch wenn die alte Schule unseres Autors nicht mehr nach Bohnerwachs riecht.

Eine Kolumne von Robert Ide

Die Sexszene: Philipp schmeißt seinen Nicki weg, schmiegt seine Haut an den anderen nackten Körper, da – flacker, flacker, fällt das Bild aus. Ein Raunen geht durch das Kino, das eigentlich eine Schulaula ist. Kontaktstörung.

Manchmal ist es nicht so leicht, zu seiner Sexualität zu stehen. Wenn man jung ist. Wenn man auch noch Lehrer ist. Wenn man in der DDR lebt, wo Schwulsein am Ende zwar nicht verboten war, aber im Schatten verborgen bleiben sollte. Auch deshalb war Heiner Carows Film „Coming Out“ eine Sensation. In einer Szene sagt der Wirt einer der wenigen Ost-Berliner Schwulen- und Lesbenbars zu Philipp: „Hier weiß keiner, wie wer heißt und wo er wohnt. Jeder hat Angst.“

Rückkehr des Films an seinen Drehort

Der erste homosexuelle Film der DDR war auch der letzte. Die Premiere löste sich im Taumel des Mauerfalls auf, auf der ersten Berlinale des vereinten Berlins wurde „Coming Out“ gefeiert. Hier in der Schulaula des Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums in Pankow, wo Schülerinnen und Schüler der „Aula-Technik-AG“ jetzt nach dem Wackelkontakt suchen und Hunderte darauf warten, wie die Sexszene wohl ausgeht, wurde der Film einst gedreht. Berlinale Goes Geschichte.

Komisch, wieder an meiner alten Schule zu sein. Sie riecht nicht mehr nach Bohnerwachs.

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Die Berlinale ist nicht nur eine Reise um die Welt, sondern auch zu Berlins verborgenen Orten. Filme werden gezeigt in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee, im Planetarium Prenzlauer Berg, im Neuköllner Ladenkino und einem ehemaligen Weddinger Krematorium. Das Kino kommt aus sich raus – so wie in „Coming Out“ erstmals die Cruising-Area am Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain offen gezeigt wird.

So, der Film läuft wieder, die Sexszene geht glücklich zu Ende. Nun ist Herr Kuntoff im Bild, mein früherer Kunstlehrer. Er war Statist in dem Film – was für einer, hat er mir mal in einer Kunstpause erzählt: Wie er am zweiten Drehtag in einem frischen Hemd ankam statt mit dem vom Dreh am Vortag. Wie er zurück nach Hause musste. Wie er wiederkam und bemerkte, dass er seine Lehrertasche hatte stehen lassen. Wie er noch mal losging zurück auf Los. Bis es endlich losgehen konnte. Ein Schauspieler war in Herrn Kuntoff wohl nicht verborgen.

Komisch, wieder an meiner alten Schule zu sein. Die Klos könnten sie mal machen.

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