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Zwei Monate langes Erdbeben: Potsdamer Forscher warnen vor Superbeben in Istanbul

Vor zweieinhalb Jahren gab es in Istanbul ein "Zeitlupenbeben", haben Potsdamer Wissenschaftler festgestellt und machen deutlich: In der Region ist "ein großes Erdbeben überfällig".

Potsdam/ Istanbul - Potsdamer Geoforschern ist es mit neuer Technologie gelungen, ein sogenanntes Zeitlupen-Erdbeben in der Region Istanbul zu verifizieren. Wie das Team unter der Leitung von Patricia Martínez-Garzón vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) nun in der Fachzeitschrift „Earth and Planetary Science Letters“ berichtet, hat sich die starke Erdbewegung im Sommer 2016 südlich von Istanbul zugetragen. Das Beben war so langsam vonstattengegangen, dass es damals niemand bemerkt hat.

Die Potsdamer Forscher analysierten Daten einer Bohrloch-Messstation im seismisch aktivsten Teil des Gebietes auf der Armutlu-Halbinsel mit neuartiger Computertechnik. „Dadurch konnte das langsame Kriechsignal identifiziert werden, das innerhalb der Erdkruste auftrat und die gleiche Größe hat wie das größte jemals gesehene derartige Signal, das entlang der San-Andreas-Verwerfung in Kalifornien auftrat“, erklärte Hauptautorin Martínez-Garzón.

Die Datenauswertungen deuten auf eine tiefe Krustenbewegung in Superzeitlupe unter dem Marmarameer vor Istanbul hin. „Die Deformation in der Erdkruste zog sich über mehr als fünfzig Tage hin, bei normalen Erdbeben passiert dies innerhalb von Sekunden“, erklärt die Forscherin. Erst durch die neu entwickelte Methode zur Auswertung von Daten aus Deformationsmessgeräten in Bohrlöchern durch Forschende des GFZ in Zusammenarbeit mit dem Türkischen Katastrophenschutz (Afad) und dem Unavco-Institut aus den USA habe das ultra-langsame Beben verifiziert werden können.

Das Untersuchungsgebiet liegt in der Nordwest-Türkei an der nordanatolischen Verwerfung, einer geologischen Bruchzone, die Eurasien von der Anatolischen Platte trennte. Es handelt sich dabei um eine der großen tektonischen Plattengrenzen der Erde, an der es immer wieder zu zerstörerischen Erdbeben mit vielen Opfern kommt. Das letzte schwere Erdbeben ereignete sich 1999 bei Izmit und forderte fast 20.000 Menschenleben. „Ein Teil der Verwerfung, die unmittelbar südlich der dicht besiedelten Megacity Istanbul verläuft, wird derzeit als ,seismische Lücke’ identifiziert und ist damit für ein großes Erdbeben überfällig“, warnen die Potsdamer Forscher.

Zwischen Erdkrustenplatten baut sich entlang der Verwerfungen kontinuierlich Energie auf. Sie wird entweder in Form von Erdbeben oder durch langsames Verformungskriechen in der Tiefe freigesetzt. Das Verständnis der Wechselwirkung zwischen diesen beiden Phänomenen ist nach Erkenntnis der Potsdamer Forscher von entscheidender Bedeutung, um die Erdbebengefährdung und das daraus resultierende seismische Risiko zu bestimmen. „Unsere Ergebnisse ermöglichen, das regionale seismische Risiko besser zu verstehen und zu quantifizieren, insbesondere für die 15-Millionen-Metropole Istanbul im Hinblick auf das bevorstehende Starkbeben“, erklärte GFZ-Forscher Marco Bohnhoff, Mitautor der Studie.

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