zum Hauptinhalt
Lebenswichtig. Bei Diabetes bedarf es genauer Blutzuckermesswerte.

© Reuters

Homepage: Zuckerkrank ist nicht gleich zuckerkrank

Potsdamer Ernährungsforscher erforschen Ursachen und Folgen der verschiedenen Diabetes-Erkrankungen

2011 ist das Jahr der Gesundheitsforschung. In den PNN stellen Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) aktuelle Ergebnisse aus dem Bereich Gesundheit und Ernährung vor.

Die meisten Menschen haben schon einmal den Begriff „Zuckerkrankheit“ oder „Diabetes“ gehört, kennen vielleicht Menschen, die zuckerkrank sind oder sind gar selbst betroffen. Dennoch ist vielen Menschen nicht bekannt, dass es verschiedene Diabetes-Formen gibt, die unterschiedliche Ursachen haben und auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Am häufigsten tritt der Typ-2-Diabetes auf, der sogenannte Alterszucker. Etwa 85 bis 90 Prozent der Menschen mit Diabetes leiden unter dieser Form. Der Typ-1-Diabetes ist die zweithäufigste Erkrankungsform, gefolgt vom Schwangerschaftsdiabetes und sehr viel selteneren Diabetes-Typen. Allen Diabetesformen gemein ist ein erhöhter Blutzuckerspiegel. Doch was unterscheidet die beiden Hauptformen Typ-1- und Typ-2-Diabetes voneinander?

Der Typ-1-Diabetes beginnt meist schon im Kindes- und Jugendalter, aber auch Erwachsene können noch erkranken. Ursache für diese Form der Zuckerkrankheit ist eine vollständige Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse, ausgelöst durch eine Autoimmunerkrankung. Das bedeutet, dass sich körpereigene Abwehrzellen gegen die Betazellen richten. Dies löst einen Entzündungsprozess aus, der die Zellen absterben lässt, sodass der Körper kein Insulin mehr produzieren kann.

Warum sich das Immunsystem plötzlich gegen den eigenen Organismus richtet, ist derzeit noch unbekannt. Forscher vermuten, dass Infektionen eine Rolle spielen könnten. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts verstarben die an einem Typ-1-Diabetes erkrankten Menschen aufgrund des absoluten Insulinmangels recht schnell, denn Insulin erfüllt als Botenstoff wichtige Aufgaben im Fett-, Aminosäure- und Zuckerstoffwechsel. Heute kann der absolute Mangel gut durch Insulininjektionen kompensiert werden, sodass betroffene Menschen mit ihrer Krankheit alt werden können.

Eine der wohl bekanntesten Funktionen des Insulins ist sein Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Es sorgt dafür, dass Traubenzucker aus dem Blut in die Muskel- oder Fettzellen aufgenommen werden kann. Fehlt Insulin, verbleibt der Zucker im Blut. Die Folge ist ein zu hoher Blutzuckerspiegel. Dieser ist auch charakteristisch für den Typ-2-Diabetes. Allerdings ist hier die Ursache für den zu hohen Blutzucker eine andere. Während beim Typ-1-Diabetes das Insulin fehlt, haben Menschen mit einem beginnenden Typ-2-Diabetes noch normale bis sogar erhöhte Insulinspiegel. Ihre Muskel- und Fettzellen reagieren jedoch deutlich weniger auf das Hormon.

Vereinfacht kann man sich dies so vorstellen: Der „Schlüssel“ Insulin ist zwar noch vorhanden, viele „Türen“, das heißt bestimmte Kanäle in den Zellmembranen, lassen sich aber nicht mehr öffnen, sodass der Blutzucker nur zu geringem Teil oder gar nicht in die Zellen aufgenommen werden kann. Verstärkt sich die Insulinunempfindlichkeit der Körperzellen, versucht der Körper dies zunächst durch eine übermäßige Insulinproduktion auszugleichen, bis die Betazellen so überfordert sind, dass sie absterben. Tritt dieser Fall ein, müssen sich auch Menschen mit Typ-2-Diabetes Insulin spritzen.

Im frühen Stadium ist der Typ-2-Diabetes jedoch noch durch Tabletten gut behandelbar. Sie sorgen dafür, dass zum Beispiel die körpereigene Traubenzuckerproduktion gesenkt wird, oder dass die Insulinproduktion der Betazellen steigt. Beide Maßnahmen resultieren in einem Absinken des Blutzuckers.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes ist, dass sich der Typ-2-Diabetes durch eine gesunde Lebensweise bis ins hohe Alter vermeiden lässt. Selbst bei einer erblichen Vorbelastung kann man durch geeignete vorbeugende Maßnahmen viel dafür tun, das Ausbrechen der Erkrankung deutlich zu verzögern. Wie die Daten der am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) durchgeführten Potsdamer Epic-Studie zeigen, haben besonders Menschen mit einem großen, übergewichtsbedingten Taillenumfang ein besonders hohes Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Auch der häufige Verzehr von Rind-, Schweine- oder Lammfleisch sowie zu wenig Bewegung begünstigen die Krankheitsentstehung. Dagegen haben Menschen, die oft ballaststoffreiche Vollkornprodukte verzehren und Nichtraucher sind, ein vermindertes Diabetes-Risiko.

Das Tückische am Typ-2-Diabetes ist, dass die Erkrankung – anders als der Typ-1-Diabetes – schleichend beginnt und Symptome oft erst dann bemerkt werden, wenn Gefäße und Augen bereits geschädigt sind. Daher spricht viel dafür, ab einem Alter von etwa 40 Jahren sein persönliches Diabetes-Risiko zu bestimmen. Dies kann man kostenlos, einfach und schnell im Internet mit Hilfe des von uns entwickelten Deutschen Diabetes-Risiko-Tests® (http://drs.dife.de/) tun. Denn wer bei einem erhöhten Risiko Gegenmaßnahmen ergreift, kann die schlimmen Spätfolgen der Erkrankung wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Erblindung, Nierenversagen und einen Verlust von Gliedmaßen aufgrund notwendig gewordener Amputationen unter Umständen vermeiden.

Der Autor leitet am DIfE die Abteilung Molekulare Epidemiologie und hat maßgeblich zur Entwicklung des Deutschen Diabetes-Risiko-Tests® beigetragen.

Matthias Schulze

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false