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Das fragliche Video.

© Youtube

Youtube-Hit „My Cat Saved My Son“: War Katzenvideo nur ein PR-Werkzeug?

Hund beißt Kind, Katze verscheucht Hund? Das Youtube-Video begeisterte Millionen von Usern. Doch ob es echt ist, darüber wird gestritten.

Passiert nicht oft, aber: Diesmal hab ich's gewusst. Das Video konnte nur fake sein. Nicht, dass ich den technischen Trick durchschaut hätte, die raffinierten Schnitte vielleicht oder die Computeranimation. Doch mir war klar, dass Hunde so etwas nicht tun: sich von hinten an ein Kleinkind anschleichen, kurz zögern, dann unvermittelt ins Bein beißen und das ganze Kind die Garagenauffahrt runterschleifen. Bloß 56 Sekunden dauert der Videoschnipsel, der Mitte Mai von einem vermeintlichen US-amerikanischen Familienvater namens Roger Triantafilo auf Youtube hochgeladen und seitdem 22 Millionen Mal gesehen wurde – vor allem wegen der sensationellen dramaturgischen Wendung am Ende: Aus dem Nichts springt eine Katze herbei, stürzt sich auf den Hund, jagt ihn davon. „My Cat Saved My Son“ heißt das Filmchen folgerichtig, es wurde in den vergangenen Wochen als ultimativer Beweis für die Herrlichkeit aller Katzen und die Bosheit aller Hunde gepriesen.

Es hätte nicht verwundert, wäre das Video ein Propagandatool der Katzenlobby gewesen, die seit Jahren ungestraft im Internet hetzt, Hunde als treudoof oder gefährlich oder beides diffamiert. (Ich gebe zu, ich bin befangen.) Wie die deutsche Journalistin Gabriele Hooffacker jetzt aber behauptet, steckt wohl eher eine PR-Agentur dahinter, die durch das Video zunächst den eigenen, neu geschaffenen Youtube-Kanal weltbekannt machen und anschließend als Plattform zur Verbreitung eines Infofilms über die umstrittene Gasförderungstechnik Fracking nutzen wollte. Damit stimmt Hooffacker in den Chor diverser Zweifler ein, die auch gute Gründe haben, stutzig zu sein.

Es gibt allerdings auch die Theorie, dass die PR-Agentur-Theorie nur in die Welt gesetzt wurde, um Trolle auf heise.de zu provozieren. Ach Internet, wer soll da noch durchblicken? Eines ist klar: Sollte hinter dem Video kommerzielles Interesse stecken, wäre das sehr ärgerlich. Wer etwas zu verkaufen hat, sollte sich doch um Glaubwürdigkeit und Faktenhoheit bemühen und es nicht cool finden, potenzielle Konsumenten hinters Licht zu führen. Im Internet fällt es ohnehin schwer, Wahrheit von Fakes zu unterscheiden, investigative Aufdecker von Verschwörungstheoretikern, aufrechte Aktivisten von rechten Spinnern. Wer braucht da die Verschaukelungsmasche möchtegernhipper Unternehmen? Es gab das angebliche Independent-Künstlerprojekt „First Kiss“, das sich bald als Werbeaktion einer Modefirma entpuppte. Eine PR-Agentur lancierte die Meldung, SMS-Schreiben könne krank machen („Diagnose Komatexten“). Eine andere betrieb heimlich die Seite kleines-scheusal.de und spann sich dabei die Identität einer bloggenden Jüdin zusammen, die gegen Feministinnen hetzt. Der Coup war so irre, dass sich über die Agentur, nachdem sie aufgeflogen war, ein kleiner Shitstorm ergoss. Wenn es nach mir ginge, müssten die Lügenbolde viel härter und nachhaltiger bestraft werden. Am besten durch einen Online-Pranger, in dem alle Unternehmen und PR-Fritzen aufgelistet werden, die sich durch Fakevideos Aufmerksamkeit verschaffen wollten. Einen Versuch wäre es wert. www.die-habe-ich-gefressen.de ist noch frei.

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