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Homepage: „Wir wollen einen Anstoß geben“

MMZ-Direktor Julius H. Schoeps über Kontinuitätslinien beim Thema Raubkunst in Deutschland

Wie kommt es, dass sich das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien mit dem staatlichen Ausverkauf von Kunstwerken in der DDR beschäftigt?

Weil wir uns seit längerem schon mit den Restitutionsfragen, also der Rückgabe von in der NS-Zeit geraubter Kunst beschäftigen. Hier sehen wir eine Kontinuitätslinie mit den späteren Entwicklungen in der DDR. Mit der Konferenz wollten wir einen Anstoß zur Beschäftigung mit einem Thema geben, über das ein Mantel des Schweigens liegt. Die Resonanz auf der Konferenz zeigt uns, dass noch viele Fragen auf diesem Gebiet offen sind. Zwanzig Jahre nach der Herstellung der deutschen Einheit hat die Forschung auf diesem Gebiet bislang nur eine kurze Wegstrecke zurückgelegt.

Wie sollte denn heute mit diesem heiklen Erbe umgegangen werden?

Meine Forderung ist, dass nicht nur die NS-Kulturgüter, die durch die Verfolgung entzogen wurden, ins „Lost-Art-Register“ gestellt werden, sondern beispielsweise auch die aus Sammlungen entwendeter oder beschlagnahmter Kunstgegenstände aus der DDR.

Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es überhaupt?

Die Frage der Rechtsansprüche ist sehr kompliziert. Ich halte es für ziemlich aussichtslos, hier etwas zu erwirken. Aber es gibt so etwas wie einen moralischen Anspruch, entsprechend der Washingtoner Erklärung. Darin wird gefordert, dass die während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmten Kunstwerke der Raubkunst identifiziert, deren Vorkriegseigentümer oder Erben ausfindig gemacht und eine „gerechte und faire Lösung“ gefunden werden muss. Auch was die DDR angeht, müssten Provenienzforschungen betrieben werden. Wer waren die Eigentümer? Wer hat wen wann enteignet? Es muss der Frage nachgegangen werden, wo bestimmte Kunstgegenstände heute abgeblieben sind. Solche wurden aus Privatsammlungen abgepresst oder stammen aus Museen. Es gibt Fälle, wo Bilder in den Museen abgehängt und Kopien aufgehängt wurden. Die Originale wurden dann über Schalk-Gologkowskis KoKo ins Ausland verkauft.

Die Frage, wo die Kunstwerke abgeblieben sind, dürfte bei der DDR-Kunst schwierig sein, da sie nicht archiviert, sondern in den Westen verkauft wurden.

Wir wissen heute, dass es mehrere Kunsthändler in Westdeutschland gab, die auf diesen Verkauf spezialisiert waren. So lassen sich manche Wege nachvollziehen, die Kunstgüter genommen haben. Es gibt beispielsweise eine Verkaufslinie, die über Moskau in die USA führt.

Hat sich durch die Konferenz des MMZ zur NS-Raubkunst etwas bewegt?

Sehr viel. Wir haben dabei manches gelernt. Etwa dass, nicht alles so läuft, wie wir uns das vorstellen. Notwendig wäre es, dass sich jemand um die Sammler kümmert, die von den DDR-Behörden enteignet worden sind. Hier liegt noch manches im Argen.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Julius H. Schoeps

ist Direktor des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien. Bis 2007 war er Professor für Neuere Geschichte an der Uni Potsdam.

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