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Uni Potsdam erinnert an Stasi-Opfer: Der Stein des Anstoßes

Von 1951 bis zur Wende wurden hier etwa 30.000 Offiziere und Spitzel der Stasi ausgebildet: Nun erinnert die Universität Potsdam mit einer Bronzeplastik am Standort der ehemaligen Stasi-Schule an die Opfer der Staatssicherheit in der DDR.

Golm - In einer Doktorarbeit ging es um „politische Untergrundtätigkeit in der DDR“, in einer anderen um „operative Vorgänge zum Eindringen in die Führungszentrale des Bundeskanzlers der BRD“. Es sind Themen von Promotionen, die zwischen 1951 und 1990 in Golm entstanden, an der Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, die zuletzt den Namen „Juristische Hochschule Potsdam“ trug. Hier wurden Stasi-Kader geschmiedet, das Stammpersonal trug Waffen. Unterrichtet wurden unter anderem Spionage, operative Psychologie, Feindkontakt oder Zersetzung.

Nur wenige wissen, was hier ein halbes Jahrhundert gelehrt wurde

Seit dem oscar-prämierten Film „Das Leben der Anderen“ – unter anderem auch in Golm gedreht – weiß auch eine breite Öffentlichkeit, wie es das MfS anstellte, Menschen zu etwas zu bringen, das sie gar nicht wollten, sie in ein Gefängnis der Angst einzusperren. Die Grundlagen dafür wurden in Golm gelegt. Heute gehen hier Studierende der Uni Potsdam ein und aus, sie studieren so harmlose Fächer wie Mathematik, Musik, Biologie oder Astronomie. Was hier fast ein halbes Jahrhundert lang gelehrt wurde, wissen nur die wenigsten.

In ihrem 25. Jubiläumsjahr will die Hochschule das ändern. Am Freitag wurde dazu eine holzkistengroße Bronzeskulptur eingeweiht, ein wuchtiger Stolperstein an der Stelle, an der einst die Pforte zum Stasi-Gelände stand. Viel zu lange habe es gedauert, bis die Universität sich der Geschichte an diesem Ort gestellt hat, sagte Uni-Präsident Oliver Günther. Wie ein Stein des Anstoßes soll die Skulptur des Bildhauers Volker Bartsch nun Anlass zur Beschäftigung mit diesem dunklen Kapitel des Ortes geben. Prominente Spender wie Friede Springer und Hasso Plattner, aber auch Josef Jakob vom Spargelhof in Schäpe machten das Vorhaben mit 10 000 Euro möglich.

Bereits im ersten Jahr seiner Amtszeit hatte Uni-Präsident Oliver Günther 2012 eine Aufarbeitung der Stasi-Geschichte angekündigt. Drei Jahre später ergibt sich ein anderes Bild, die ehemalige Sprecherin mit Stasi-Vergangenheit hat den Arbeitgeber gewechselt, ein Forschungsprojekt zu Kontinuitäten von stasibelasteten Mitarbeitern an der Hochschule ist angelaufen. Erste Ergebnisse dazu werden nun im Jubiläumsband veröffentlicht.

An der Uni Potsdam wurde lange nicht nach der Vergangenheit gefragt

Das wissenschaftliche Personal der Stasi-Hochschule war nach Übernahme durch die Universität Potsdam 1991 komplett entlassen worden, doch von den rund 180 nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern in Golm waren 1994 noch 50 übrig. Später hatten ehemalige Mitarbeiter aus der Nachwendezeit immer wieder angegeben, unter solchen Kontinuitäten gelitten zu haben. Darin lagen wohl auch die Gründe, dass 20 Jahre an der Hochschule nicht ausreichend nach der Vergangenheit gefragt wurde. Uni-Präsident Günther erklärte seinen Aufklärungswillen auch mit persönlichen Motiven, habe sein Vater doch nach dem Ende der NS-Zeit unter ehemaligen Nazis in neuen Führungspositionen zu leiden gehabt.

Im Jubiläumsjahr will die Uni nun die Geschichte ihrer Standorte aufarbeiten, so war zum Beispiel Griebnitzsee in der NS-Zeit Sitz des Roten Kreuzes und später die Hochschule für die DDR-Diplomaten. Probleme, die es dabei gab, einzelnen Gebäuden in Golm ihre früheren Aufgaben zuzuordnen, sollen im Weiteren durch das Projekt „Zeitzeichen“ geklärt werden. Eine Ausstellung zum Standort Golm aus dem Jahre 2012 werde überarbeitet und soll in größerem Umfang wie auch in digitaler Form der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, kündigte Uni-Sprecherin Silke Engel an.

1951: Für Stalin in den Tod

Hinter der hohen Mauer, die die Stasi-Hochschule von Golm einst umgab, hatten DDR-Größen wie Mielke-Stellvertreter Gerhard Neiber, Wolfgang Schwanitz und DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski promoviert. 1951 schworen die Auszubildenden hier noch darauf, für Stalin in den Tod zu gehen. Von einer Hochschule will Stasi-Experte Klaus Schröder von der FU Berlin gar nicht sprechen, hier sei weder wissenschaftlich gearbeitet worden, noch hätten die Inhalte der Arbeiten mit Wertfreiheit und freiheitlichem Denken zu tun gehabt. Der juristische Aspekt habe nur der Verschleierung gedient, stellte auch die Stasi-Unterlagenbehörde fest.

Vom dunklen Charakter dieses Ortes würden auch die Vorgänge um die Terrorgruppen RAF und Abu Nidal sprechen, zu denen die DDR Kontakte gepflegt hatte. Klaus Schröder hat Informationen, wonach Kämpfer von Abu Nidal in den 1980er-Jahren in Golm ausgebildet wurden, Verbindungen zu einem Anschlag in Wien seien möglich.

Seit 1951 existierte die DDR-Geheimdiensthochschule in Potsdam-Golm. 1955 wurde sie zur Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit, an der Stasi-Offiziere Lehrgänge absolvierten. 1965 dann wurde daraus die Juristische Hochschule Potsdam, die staatlich anerkannte Abschlüsse ermöglichte. Am 21. Juni 1968 erhielt man das Promotionsrecht. Dem militärischen Charakter entsprechend wurde in Uniform studiert.

485 Promotionen an Golmer Stasi-Uni

In der Wendezeit wurde die Juristische Hochschule abgewickelt und ging in der Pädagogischen Hochschule Potsdam auf, aus der später die Universität hervorging, die sich aber nicht als Rechtsnachfolgerin sieht. An der Golmer Stasi-Hochschule wurden 485 Promotionen abgeschlossen, wobei aber nur 174 schriftliche Arbeiten angefertigt wurden. Viele Arbeiten wurden in Gruppen erstellt, meist hatte sie kaum 50 Seiten. Insgesamt wurden rund 30 000 Menschen an der Juristischen Hochschule aus- und weitergebildet.

Deren akademische Titel dürfen laut Einigungsvertrag bis heute getragen werden. Als Juristen dürfen die Absolventen nicht arbeiten, es sei denn, sie hatten ihre Zulassung zwischen Mauerfall und Einigungsvertrag erhalten. „Das ist der eigentliche Skandal, dass die Leute ihre Titel heute noch tragen“, sagte Klaus Schröder bei der Einweihung der Bronzeskulptur unter lautem Beifall.

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