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Hin zu Putins WM - oder doch nicht? Anne Will und ihre Gäste diskutieren.

© @AnneWillTalk

TV-Talk "Anne Will" zur Fußball-WM: Und Putin würde Kasatschok tanzen

Sollen deutsche Politiker zur Fußball-WM nach Russland fahren? Anne Wills Gäste bieten ein Sammelsurium von Ansichten - und entscheiden sich dann fast alle dafür.

„Muttivation“ nannte Kölns vielleicht nicht schlauester, auf jeden Fall größter Kicker Lukas Podolski, was Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einem Besuch der Fußball-Nationalelf auslöst. Also ließ es sich die CDU-Politikerin nicht nehmen, ins Trainingslager nach Südtirol zu reisen. Dabei kann es Jogis glühender Fan nicht belassen. Nach dem Desaster-Spiel gegen Österreich wird jede Klatschhand gebraucht, wenn die Nationalmannschaft bei der WM in Russland Bella Figura machen soll. Aber Merkel zögert, sie hat über einen Besuch bei Putins Turnier noch nicht entschieden. 

Unklar, ob „Anne Will“ wirklich Entscheidungshilfe leisten wollte, als die Runde über das Thema „Putins WM – die Welt zu Gast bei Ex-Freunden?“ diskutierte. Die Regierungen von Großbritannien und Island haben bereits ihren Boykott erklärt. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will nicht fahren.

Abschweifen in die Vergangenheit

Anders im Talkstudio: Edmund Stoiber (CSU), Norbert Röttgen (CDU), Gregor Gysi (Die Linke) wie auch der ehemalige Nationalspieler Arne Friedrich können weder Nutzen noch Gewinn in einer Absenz deutscher Politiker in Russland erkennen. Nur ein Gast, Rebecca Harms, die für die Grünen im Europäischen Parlament sitzt, ist für einen Boykott. Sie sieht in jedem Besuch – sie selbst darf übrigens nicht einreisen – eine Stärkung Putins und seiner Machtausübung Und wenn einer/eine reist, dann müssten Putins „Gäste“ energisch auf die miserable Lage der Menschenrechte, der Schwulen und Lesben hinweisen. Harms argumentierte ruhig und kenntnisreich – und war fast chancenlos, mit ihrem Standpunkt durchzudringen. 

Vor allem der ehemalige bayerische Ministerpräsident, der sich in Sachen Russland längst vom kalten Krieger zum tiefen Versteher gewandelt hat, „stoiberte“ die emotionalisierte Runde. Es wäre an der Moderatorin Will gewesen, ihn zu stoppen, mindestens einzuhegen. Ist es eigentlich nur eine Unart älterer Politkämpen wie Stoiber und Gysi, sich gar zu gerne reden zu hören, vom aktuellen Thema weit und weiter in die (eigene und ruhmreiche) Vergangenheit abschweifen? Gysi wollte von seinem Bonmot „Das Schlimme ist, der Westen konnte Russland gegenüber gar nicht aufhören zu siegen“ gar nicht mehr lassen.

Die WM und ihre anhängenden Fragen wären darüber immer tiefer in den Hintergrund gedrängt worden, wenn sich Arne Friedrich nicht selbstbewusst in die Diskussion eingemischt hätte. Eigentlich ist es ein Wahnsinn, dass er daran erinnern musste: „Spieler sind mündige Menschen“, denn in diesem Satz steckt die von den Podolskis dieser Fußballwelt befeuerte Erfahrung, wonach Fußballer bitte nur zum Kicken eine Meinung haben sollten – und können. 

Je länger „Anne Will“ dauerte, desto offensichtlicher wurde, dass sich hinter jeder Detailfrage zu Russland eine grundsätzliche aufbaut: Bist du für oder gegen Putin, für oder gegen Sanktionen, bist du russophil oder russlandfeindlich? Auch das Studiopublikum ging wie selten bei dieser ARD-Talkshow mit, und zwar exakt an der Für-oder-Gegen-Kante entlang. Und so ergab die Stunde ein Sammelsurium an Meinungen über Russland und in der WM-Frage abseits des Minderheitenvotums von Rebecca Harms doch ein konzises Meinungsbild: Merkel wie andere deutsche Politiker sollen zur WM fahren. Vielleicht stecken darin auch der tiefe Wunsch, mit Russland statt Symbolpolitik echte Politik zu machen, sowieso die um sich greifende Entfremdung von Trumps Amerika. Wäre  mal ein Talkthema, oder? 

Vielleicht noch ein kleiner, unerbetener  Hinweis ans Kanzleramt. Ex-Kanzler und Putin-Blutsbruder Gerhard Schröder wird die WM sicherlich nicht boykottieren. Wo immer Merkel auch auftauchen wird, Schröder wird schon Platz genommen haben. Was wäre das für ein Bild: Merkel und Schröder auf der Ehrentribüne! Wladimir Putin tanzt im Kreml Kasatschok.  

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