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Talkgastgeberin Anne Will

© dpa

TV-Talk "Anne Will" zu Steinmeier: Schon der Ansatz war daneben

Anne Will lässt ihre Talk-Gäste über den frisch gewählten Bundespräsidenten und seine Rolle diskutieren. Das bietet wenig Raum für originelle Erkenntnisse.

Nehmen wir mal an, die Sommerferien haben gerade begonnen, die Sonne scheint, das Barometer zeigt eine stabile Hochdrucklage - und ein missgünstiges Geschick macht Sie zur Moderatorin einer Sendung über die Gefährlichkeit von zu langem Sonnenbaden. Können Sie sich einfühlen? Ja? Dann haben Sie etwa die Situation, vor der Anne Will am Sonntagabend mit ihrer Sendung stand, die unter dem Leitmotiv angekündigt war: „Bundespräsident Steinmeier – Der richtige Mann in rauen Zeiten?“

Da ist der langjährige Bundesaußenminister gerade von der Bundesversammlung mit einer satten Mehrheit um die 75 Prozent zum neuen Staatsoberhaupt gewählt worden, und wir wollen im Fernsehen, in der ARD, ernsthaft darüber diskutieren, ob der Mann der richtige in rauen Zeiten ist?

Wollen wir damit sagen: Den zu wählen, war eine krasse Fehlentscheidung? Oder wollen wir, wie ein Papagei, bestätigend nachplappern, dass alles okay ist, wie es lief? Nein, dieser Ansatz für den Abend mit Anne Will war einfach daneben, und daran änderten auch ihre Gäste nichts.

Was sollte denn ein CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, der sonst für jede kleine Gemeinheit gut ist, anders sagen als: „Wir haben keinen Sozialdemokraten gewählt, sondern einen erfahrenen Politiker“? Und musste er nicht mit einem empörten Unterton den Verdacht zurückweisen, diese Wahl sei am Ende doch nur Ausdruck eines Scheiterns der Union, wie es ihm der Chefredakteur von WeltN24, Ulf Poschardt, unter die Nase rieb?

Weiß doch jeder, dass sich Angela Merkel auch bei dieser Präsidentenkür mal wieder verzockt hatte, und dass Scheuers Chef, Horst Seehofer, mit seiner panischen Angst vor einem Schwarz-grünen Signal eine Kandidatur des baden-württembergischen, grünen Ministerpräsidenten Kretschmann verhindert hatte, obwohl es eine satte schwarz-grüne Mehrheit in der Bundesversammlung gegeben hätte.

Kraft ist die falsche Besetzung

Natürlich war Gregor Gysi, das linke Aushängeschild,  in einer blöden Position, nachdem viele tausend TV-Zuschauer bei der Liveübertragung der Präsidentenkür sehen konnten, dass nur zwei kleine Grüppchen dem Beifall für den scheidenden Präsidenten, Joachim Gauck, schweigend trotzten, nämlich die Linke und die AfD.

Keine neue Erkenntnis war, dass die nordrhein-westfälische  Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ungeachtet aller Qualitäten, die sie sicher hat, für solche Talkrunden einfach die falsche Besetzung ist – sie kommt eben auch staatstragend rüber, wenn das gerade gar nicht gefragt ist.

Öfter sehen und hören möchte man die Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters, Shermin Langhoff, die selber Wahlfrau gewesen war und von der der schöne Satz stammte: Die AfD ist eine Partei, die mit den Reden von gestern um die Menschen von heute wirbt.

War es richtig, dass sowohl Bundestagspräsident Lammert als auch der neue Bundespräsident Steinmeier in ihren Reden die Grenzen  zur AfD so klar zogen? Wenn man Poschardt, den neben Will einzigen Journalisten in der Runde, ernst nimmt – dafür spricht einiges – gilt der Satz: Wir müssen uns unserer Fundament sicher sein. Wenn Steinmeier der richtige Mann in rauen Zeiten ist, dann auch, weil er weiß, wo die Fundamente sind und dass man sie schützen muss.

Gerd Appenzeller

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