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Teamwork. Paarweise wird an den besten Ideen getüftelt.

© Andreas Klaer

School of Design Thinking des Hasso-Plattner-Instituts: Das Portemonnaie als Smartphone

An der HPI School of Design Thinking entwickeln Studierende neue Produkte und Lösungen.

„Two minutes left!“, schallt es durch den Raum. „Noch zwei Minuten!“ Rasch werden die letzten nützlichen Utensilien eingesammelt, die in Plastekisten liegen: ein Stück Alufolie, ein bunter Wollfaden, farbiges Tonpapier. „Noch eine Minute!“ Es wird geschnitten, gefaltet, geklebt. Ein Gong ertönt, die Zeit ist vorbei. Der Zeitdruck ist groß – und er ist beabsichtigt. Er gehört zum kreativen Prozess, den die Teilnehmer des Workshops an der School of Design Thinking des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) gerade durchlaufen. Am Tag der offenen Tür nutzen sie die Möglichkeit, hautnah zu erfahren, was genau sich hinter dem Begriff „Design Thinking“ verbirgt.

„Das Ziel ist es, das perfekte Portemonnaie zu entwerfen“, beschreibt Coach Molly Clare Wilson die Aufgabe. Innerhalb einer Stunde durchlaufen die Teilnehmer des Workshops die einzelnen Schritte des Design Thinkings: Zunächst sollen sie verstehen, was das Problem ist. Wie sieht die perfekte Geldbörse für mich selbst aus? Welche Funktionen muss sie erfüllen? Dann geht es darum, die Bedürfnisse eines Gegenübers – des Kunden – wahrzunehmen. Welche Wünsche hat dieser an ein Portemonnaie? Sind sie geklärt, müssen Ideen gefunden, Prototypen entwickelt und diese schließlich getestet werden.

Was im Workshop im Schnelldurchlauf geschieht, erlernen die Studierenden der School of Design Thinking ausführlicher in einem Zusatzstudium. In jedem Jahr werden 240 junge Talente aus der ganzen Welt ausgebildet, die den „Basic Track“ innerhalb eines Semesters durchlaufen und im „Advanced Track“ ihre Fähigkeiten in einem weiteren Semester ausbauen können. „Wir haben mehrere Hundert Bewerbungen für jeden Durchgang“, sagt Ulrich Weinberg, der die Schule seit ihrer Gründung im Jahr 2007 leitet. Bewerber sollten eine große Portion Neugier mitbringen – und die Fähigkeit, im Team zu arbeiten. „Wir setzen außerdem eine gewisse Expertise voraus“, erklärt Weinberg. Die Fachrichtung, aus der die Studierenden kommen, sei dabei nebensächlich. „Zu uns kommen Mediziner, Architekten oder Wirtschaftswissenschaftler.“ Was diese am Ende der Ausbildung vereine, sei die Erfahrung, dass sie kreative Menschen seien – und im Team stärker als allein.

Das interdisziplinäre Arbeiten im Team ist der Kernpunkt der Design-Thinking-Methode, die in den 90er-Jahren von der Design- und Innovationsagentur IDEO entwickelt wurde. Sie verknüpft die Methodik des Ingenieurwesens mit experimentellen Aspekten der Designlehre. Es gilt, mit neuen Ideen Lösungen zu finden, die vor allem aus der Anwendersicht nutzbringend sind. Als Vorreiter in der Ausbildung gilt die „d.school“ an der Stanford University in Kalifornien, die ebenso wie ihre Potsdamer Partnerschule von Hasso Plattner gefördert wird.

Die Schule setzt nicht auf das klassische Lernprogramm, das auf Seminaren, Vorlesungen und Benotungen aufbaut. Stattdessen bearbeiten Teams von fünf bis sechs Studierenden eigene Projekte. Das Besondere: Die Aufgabenstellungen stammen direkt aus der Praxis – von Firmen, Verbänden oder öffentlichen Einrichtungen.

Die Firma TechniSat ist etwa auf der Suche nach dem richtigen Steuerungselement für künftige Smarthomes, die Firma Roche möchte die Anwendung von Diabetesmedikamenten besonders benutzerfreundlich gestalten – Aufgaben, für die es noch keine Lösungen gibt und an denen die künftigen Design Thinker sich ausprobieren können. „In jedem Jahr entwickeln die Studierenden Tausende von Ideen“, sagt Weinberg. „Einige werden dann auch tatsächlich umgesetzt.“ Er versteht die Ausbildung an seiner Schule als zukunftsweisend: „Die Welt wird komplexer, viele Dinge aus der analogen Welt verschwinden langsam oder verändern sich. Design Thinking ist der Versuch, den Arbeitsmodus anzupassen.“

An den Tischen haben sich die Workshopteilnehmer inzwischen wieder zu Paaren zusammengefunden und präsentieren die Prototypen der entwickelten Geldbörsen. Laura hält ein hellgrünes Papiermodell in den Händen, auf dessen Vorderseite ein Stück Alufolie geklebt ist. An der Seite kringelt sich ein Band aus Pappe. „Dario wollte etwas, mit dem er auch seine Daten abrufen kann und das über eine USB-Schnittstelle verfügt“, erklärt sie. Also entwickelte sie eine Kombination aus Smartphone und Geldbörse und baute einen Screen in ihren Prototyp ein. Das Portemonnaie hat außerdem ein Band, das sich leicht an der Hose oder einer Tasche befestigen lässt.

„Wie sind Sie mit dem Zeitdruck zurechtgekommen?“, fragt die Kursleiterin. Man arbeite intensiver, denke nicht so viel nach, sondern mache einfach, kommt das Feedback. „Man hat keine Zeit zum Zweifeln“, bringt es ein Teilnehmer auf den Punkt. Und tatsächlich: Was die Kursteilnehmer in einer Stunde entworfen haben, überrascht. Es gibt einen USB-Stick an einer Kette, der das Portemonnaie komplett ersetzt, wasserfeste Börsen für Schwimmer, modebewusste Exemplare mit auffälligen Bommeln oder Modelle mit ausklappbaren Fächern für Kreditkarten.

Dario ist mit dem Produkt, das Laura für ihn entworfen hat, jedenfalls zufrieden: „Sie hat es richtig gut getroffen.“

Heike Kampe

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