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"Nackt. Das Netz vergisst nie." mit Felicitas Woll

© Arvid Uhlig/SAT.1/obs

Sat1-Drama "Nackt": Ernstes Thema, plumper Titel

Alles andere als selbstverständlich: In einem Sat-1-Drama mit Felicitas Woll wird ein Mädchen mit Nacktfotos im Netz erpresst.

Eine ähnliche Geschichte hat Sat 1 vor einigen Jahren schon mal erzählt: In „online – meine Tochter in Gefahr“ wurden Mutter und Tochter das Opfer perfider Internetattacken. „Nackt. Das Netz vergisst nie“ ist jedoch näher bei Dramen wie „Homevideo“ oder „Das weiße Kaninchen“. Auf einer Website tauchen Nacktfotos auf, die die 16-jährige Lara mit dem Smartphone für ihren Freund Basti gemacht hat. Gegen eine Zahlung von 500 Dollar bietet der Betreiber der Seite an, die Bilder zu löschen.

Die Eltern zahlen, das Profil verschwindet, bis zum nächsten Tag. In der Hoffnung, einen Hinweis auf die Identität des Urhebers zu bekommen, nimmt Laras Mutter Charlotte (Felicitas Woll) Kontakt zu anderen Frauen auf der Seite auf, aber bei allen ist die Scham größer als die Wut. Als sie schließlich doch Erfolg hat, schlägt die dunkle Seite erbarmungslos zurück.

Anders als in „Homevideo“ wird die Geschichte (Buch: Anne-Marie Keßel) nicht aus Sicht der Tochter erzählt. Hauptfigur ist Charlotte, die sich in einen aussichtslos scheinenden Kampf gegen Windmühlen stürzt und derart auf ihren Kreuzzug fixiert ist, dass sie vergisst, sich um die traumatisierte Lara zu kümmern. Trotzdem sind die Szenen mit Lara ungleich berührender.

Beim Spießrutenlauf in der Schule lässt sich gut nachvollziehen, wie es dem Mädchen ergeht. Die junge Aleen Jana Kötter vermittelt Laras Unbehagen, das sich zur Panik steigert, vorzüglich. Felicitas Woll und Martin Gruber sind als Eltern vor allem zu Beginn überzeugend, als die Welt der Familie noch in Ordnung ist. Später klingen die Dialoge nicht immer lebensnah vorgetragen. Woll gelingt es zudem nicht, an ihre herausragende Titelrolle in „Die Ungehorsame“, jenem erschütternden Sat-1-Drama über Gewalt in der Ehe, anzuknüpfen.

Mit einem Messer bewaffnet auf die nächtliche Straße

Keßel und Regisseur Jan Martin Scharf erzählen die Geschichte als Rückblende. „Nackt“ beginnt auf dem Tiefpunkt, als Charlotte dem Nervenzusammenbruch nahe ist, mit einem Messer bewaffnet auf die nächtliche Straße rennt und eine junge Frau aus der Nachbarschaft, die mit ihrem Freund im Auto schmust, fast zu Tode erschreckt. Natürlich soll ein derart packender Auftakt die Neugier wecken, aber er hat auch zur Folge, dass die Spannung anschließend wegsackt.

Emotional wird es erst wieder, als Charlotte ihre Tochter belehrt, man müsse sich seinen Ängsten stellen. Außerdem gebe es in der Schule niemanden, der ihr etwas Böses wolle. In Zeitlupe zeigt Scharf, was Lara nun erlebt. Anfangs gucken alle bloß komisch, dann gibt es die ersten anzüglichen Bemerkungen. Am schlimmsten ist der Verrat von Basti (Niklas Nißl), der nicht etwa zu ihr hält, sondern auf Distanz geht, sodass der Eindruck entsteht, er stecke hinter der Aktion.

Einzige Mitstreiterin Charlottes ist Amal (Jasmina Al Zihairi), auch sie ein Opfer der Website. Dass sich die junge Frau Charlotte anschließt, ist alles andere als selbstverständlich. Sie hat viel mehr zu verlieren als Lara: Sie ist Muslimin, ihr Vater Imam. Umso unglaubwürdiger wirkt es, dass Charlotte sich nicht um die Verbündete kümmert, als Amal völlig aufgelöst vor ihrer Haustür steht.

Angesichts der Ernsthaftigkeit, mit der das Drama die Thematik behandelt, ist der Titel mit seinem plakativen Reizwort „Nackt“ erstaunlich plump. Dazu passt, dass Scharf Laras Nacktfotos unnötig oft zeigt. Sat 1 versichert jedoch, auf den Bildern sei „selbstverständlich nicht“ Aleen Jana Kötter zu sehen. Es handele sich um eine Montage, die auf der Basis von Modelfotos entstanden und so bearbeitet worden sei, dass der Körper keiner reellen Person zugeordnet werden könne.

„Nackt. Das Netz vergisst nie.“ Dienstag, Sat 1, 20 Uhr 15

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