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Rauschend. Das Chacruna-Kraut.

© MB

PNN-Serie "Pflanze des Monats": Chacruna-Strauch enthält psychoaktives DMT

Im Botanischen Garten der Uni Potsdam wachsen exotische und heimische Pflanzen. In den PNN stellt Kustos Michael Burkart jeden Monat eine von ihnen vor. Heute: das Chacruna-Kraut.

Es ist nicht klar, wie die Schamanen der Shipibo-Conibo im peruanischen Amazonas-Tiefland auf die kombinierte Verwendung von zwei nur gemeinsam wirksamen psychoaktiven Pflanzen kamen. Chacruna (Psychotria viridis) enthält neben vielen anderen Inhaltsstoffen auch Dimethyltryptamin (DMT), das beim Menschen Halluzinationen auslöst. Allerdings hat diese Droge – normalerweise werden die Blätter verwendet – allein kaum einen Effekt, denn DMT wird im Organismus sehr schnell durch spezifische Enzyme abgebaut. Nur wenn diese Monoamino-Oxidasen gehemmt werden, entfaltet DMT eine bewusstseinsverändernde Wirkung. Sie kann je nach Effektivität der Enzymhemmung auch längere Zeit anhalten.

Die zweite Pflanze, die Ayahuasca-Liane (Banisteriopsis caapi), enthält eben solche Hemmstoffe. Aus ihren zerkleinerten Stängelstücken, Chacruna-Blättern und weiteren möglichen Bestandteilen wird ein Sud gekocht. Der Geschmack dieses Ayahuasca-Trunks ist meist widerlich bitter, und als erste Wirkung stellt sich häufig Erbrechen ein, was von den Konsumenten in der Regel als reinigend empfunden wird. In der schamanischen Zeremonie, die als religiöser Rahmen bei den Shipibo-Conibo essenziell dazugehört, werden die dann kommenden Visionen als übersinnliche Begegnungen mit Ahnen, Tiergeistern oder Pflanzenseelen erlebt. Sie sollen beispielsweise helfen, Heilwege für Krankheiten oder Lösungen für Konflikte zu finden.

Heute wird die Droge auch für psychotherapeutische Zwecke eingesetzt

Neben der traditionellen, wahrscheinlich viele Jahrhunderte alten Verwendung der Droge gibt es im Kontakt mit der „westlichen“ Kultur auch moderne Entwicklungen, so in Gestalt des zunehmenden Ayahuasca-Tourismus in Peru oder als moderne „Ayahuasca-Religionen“, etwa in Brasilien und den USA. Heute wird die Droge auch für psychotherapeutische Zwecke erforscht und eingesetzt.

DMT ist nicht nur in Chacruna-Blättern, sondern auch in vielen anderen Pflanzen enthalten, zum Beispiel in etlichen Mimosen und Akazien sowie in den auch bei uns häufigen Sumpfgräsern Schilf und Rohrglanzgras. Wahrscheinlich wird es sogar im menschlichen Körper selbst produziert und ist möglicherweise mit für die vieldiskutierten „Nahtod-Erlebnisse“ verantwortlich. Dass wir nicht dauernd weiße Mäuse sehen, liegt an den erwähnten Enzymen, die als effektive Gegenspieler agieren. Die Suchtgefahr von DMT ist offenbar sehr gering. Auch eine eigentliche Giftwirkung geht von ihm nicht aus. Daher ist die Einstufung des Wirkstoffs als verbotene Droge nach dem deutschen „Betäubungsmittelgesetz“ (BtMG) zumindest fragwürdig. Gesundheitlich riskant bis lebensgefährlich sind hingegen die Monoamino-Oxidase-Hemmer, insbesondere bei gleichzeitigem Konsum weiterer psychoaktiver Substanzen wie Alkohol oder Ecstasy. 

Michael Burkart

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