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Städte sind in den vergangenen Jahren immer heller geworden - hier die Breite Straße um Mitternacht.

© Andreas Klaer

Nachtlichter-App geht an den Start: Potsdamer Forscher erfassen Lichtverschmutzung

Deutsche Nächte werden von Jahr zu Jahr heller. Jetzt wollen Wissenschaftler zusammen mit Bürgern herausfinden, aus welchen Quellen genau das Licht kommt

Potsdam - Straßenlaternen, angestrahlte Rathäuser und Kirchen, Werbetafeln und ausgeleuchtete Gärten: Deutschlands Nächte werden immer heller. Satellitenaufnahmen von der nächtlichen Erde zeigen in vielen Regionen ein strahlendes Lichtermeer. Wer unten auf der Erde steht, blickt dagegen vergeblich nach oben. Deutschlands Großstädte liegen unter einer Lichtglocke, die den nächtlichen Sternenhimmel zunehmend verschwinden lässt.

Jetzt wollen Forscher des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) in Potsdam herausfinden, was genau die Nacht zum Tag macht. Dazu wollen sie künstliche Lichtquellen in Städten und Kommunen in Deutschland, Spanien, Irland, Kanada und Italien kartieren, um Satellitenaufnahmen von Lichtemissionen besser interpretieren zu können. Mithelfen sollen dabei auch die Bürger.

Das Problem ist: Zwar zeigen Luft- und Satellitenaufnahmen, wo und in welchem Ausmaß die Erde auch des Nachts beleuchtet wird. Was sie nicht zeigen ist, welche Lichtquellen am Boden konkret die Lichtemissionen verursachen. Um diese Datenlücke zu schließen, hat ein Team aus „Bürger-Wissenschaftlern“ und Potsdamer Forschern eine Nachtlichter-App entwickelt, mit der sich künstliche Lichtquellen systematisch erfassen und kartieren lassen, wie das Forschungszentrum nun in Potsdam mitteilte.

Auch Bürger sollen die App verwenden

Im September und Oktober soll diese App im Rahmen zahlreicher Messkampagnen mit Hilfe von forschungsinteressierten Bürgern zum Einsatz kommen. Vorbereitungen für Nachtlichter-Kampagnen laufen etwa in Bochum, Dresden, Erlangen, Fulda, Würzburg, Potsdam und in der Gemeinde Preußisch-Oldendorf bei Detmold. Auch Gruppen in Spanien, Irland, Kanada und Italien beteiligen sich an dem Projekt. 

Alle Interessierten sind eingeladen, sich am Nachtlichter-Zählen zu beteiligen und so wissenschaftliche Daten zu generieren. Maria Zschorn hat die App mitentwickelt. „Das Schöne ist, dass sich das Zählen mit der App ein bisschen wie ein Spiel anfühlt und gleichzeitig die Wissenschaft voranbringt,“ sagt die Wissenschaftlerin, die an der TU Dresden zum Thema Lichtverschmutzung und Landschaftsplanung promoviert.

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„Straßenbeleuchtung macht nur einen geringen Teil der Lichtemissionen von Städten aus“, erklärt Christopher Kyba vom GFZ. Der Physiker erforscht seit Jahren die Zunahme von künstlicher Beleuchtung bei Nacht. Die App ermöglicht es, Lichtquellen sowie Helligkeit, Farbe und Abstrahlwinkel zu erfassen. Ein solcher Datensatz existiert noch nicht. Lediglich Informationen über öffentliche Beleuchtung sind verfügbar.

GFZ-Forscher Christopher Kyba.
GFZ-Forscher Christopher Kyba.

© Andreas Klaer

Das Verschwinden der Nacht hat Schattenseiten

Das Bürger-Engagement wirkt auch nachhaltig: „Viele von uns waren erstaunt, wie viele verschiedene Lichter dort draußen strahlen,“ berichtet Nona Schulte-Römer, die das Projekt sozialwissenschaftlich begleitet. Daraus ergäben sich Diskussionen darüber, wann künstliche Beleuchtung wichtig oder aber verzichtbar wäre. Denn das Verschwinden der Nacht hat Schattenseiten: nicht nur unter dem Aspekt der Energieverschwendung, sondern auch mit Blick etwa auf den Insektenschutz und den menschlichen Biorhythmus.

Mittlerweile gibt es in Deutschland vier sogenannte Sternenparks, die Hobbyastronomen und Sternenliebhabern ermöglichen, den Himmel zu beobachten und die sich gegen Lichtverschmutzung engagieren: der Sternenpark Westhavelland in Brandenburg, der Sternenpark Nationalpark Eifel in NRW, der Sternenpark Biosphärenreservat Rhön und der Sternenpark Winklmoosalm in Bayern.

Sabine Frank, Nachtschutzbeauftragte des Landkreises Fulda und des Biosphärenreservats Rhön ist sich sicher: „Außenbeleuchtung ist zu oft in ungünstigen Lichtfarben und Mengen schlecht installiert. Statt nur dort hinzuleuchten, wo Licht gebraucht wird, strahlt das Licht in alle Richtungen, blendet Menschen und stört den Tag-Nacht-Rhythmus.“ Vielleicht kann das Projekt eine Kehrtwende einläuten. (KNA)

Christoph Arens

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