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Raubgut. Stempel verrät Herkunft.

© ZLB

Forschung zum NS-Raubgut: Verpflichtung gegenüber der Vergangenheit

Bibliotheken in Potsdam und Berlin fahnden nach Raubgut aus der NS-Zeit, um die Erben der enteigneten Bücher zu entschädigen.

Potsdam/Berlin - Der Stempel der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden auf der ersten Seite hat den entscheidenden Hinweis gegeben. Nach weiterer Prüfung steht fest: Bei dem Buch „Jüdische Apologetik im neutestamentlichen Zeitalter“, das sich im Besitz der Bibliothek der Universität Potsdam befindet, handelt es sich um NS-Raubgut.

Verweisen Stempel, Exlibris oder Widmungen in Werken des Universitätsbestandes auf frühere Besitzer, fühlt Andreas Kennecke sich verpflichtet, sich darum zu kümmern. So wurde der Leiter des Universitätsverlages und Fachreferent für Jüdische Theologie der Universität Potsdam auf die kooperative Datenbank „Cultural Looted Assets“ aufmerksam, die 2012 an der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) gegründet wurde. Inzwischen führt die Datenbank, die am vergangenen Mittwoch in der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum präsentiert wurde, die Ergebnisse der Recherchen nach NS-Raub- und Beutegut in den Bibliotheksbeständen von vier Institutionen zusammen. Die Universität Potsdam gehört seit 2014 dazu. Sina Latza, Mitarbeiterin der Stabstelle NS-Raub- und Beutegut der Unibibliothek der Freien Universität Berlin, erklärt, die Kooperation erspare eine „Doppelrecherche“, wenn zum Beispiel der gleiche Stempel in mehreren Büchern an verschiedenen Institutionen auftaucht. Auch bei der Interpretation der teilweise unleserlichen und oft hebräischen Widmungen erweise sich die Zusammenarbeit als nützlich.

In der Datenbank sind alle Bücher erfasst, in denen Provenienzhinweise gefunden wurden. Auch die mit ihnen in Verbindung stehenden Personen können dort recherchiert werden. Ziel ist es, die rechtmäßigen Besitzer der aktuell 12 223 aufgeführten Bücher ausfindig zu machen, um diese zurückzugeben oder eine andere Lösung zu finden. Gesetzlich verpflichtet wären die Institutionen zu einer Rückgabe allerdings nicht. In drei Fällen konnte die Universität Potsdam im vergangenen Jahr erfolgreich Kontakt zu den Erben herstellen, unter anderem zur Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden.

Wie auch die anderen beiden Besitzer habe sich die Gemeinde jedoch mit einer Rückgabe lediglich der Digitalfassung des Exemplars einverstanden erklärt, berichtet Anke Geißler, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Provenienzforschung an der Uni Potsdam. Die eigentlichen Bücher verblieben dann im Universitätsbestand und würden den Studierenden weiterhin zur Verfügung stehen.

Im Blick haben Geißler und Kennecke bei ihrer Forschung rund 5000 Bücher – vor allem Judaika, von denen viele bei der Einführung der Jüdischen Studien an der Universität 1994 gekauft wurden. Statt der anfänglich vermuteten zwei bis drei Prozent erwiesen sich bisher zehn Prozent dieser Bücher als seinerzeit von den Nationalsozialisten unrechtmäßig entwendet oder nach der Deportation der Besitzer in deren Wohnungen zurückgelassen. Das vor zwei Jahren gestartete Forschungsprojekt wurde zunächst noch vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverlust gefördert. In Zukunft werde man aber mit eigenen Mitteln weitermachen, so Kennecke. 

Merle Janssen

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