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Homepage: Erhebliche Schwankungen

Sonnenforscher beobachten seit rund 20 Jahren eine kontinuierliche Abnahme der Sonnenaktivität. Sollte es so weitergehen, könnte es eine neue Kleine Eiszeit geben

Die Sonne schwächelt. Zurzeit beobachten Sonnenforscher den schwächsten Sonnenzyklus seit 1906. Der aktuell 24. Zyklus seit Beobachtungsbeginn hätte eigentlich im vergangenen Jahr seinen Höhepunkt haben sollen. Doch der blieb weitgehend aus. Überhaupt ist der aktuelle Zyklus im Vergleich zum vorherigen sehr schwach, und auch der war bereits schwächer als sein Vorgänger. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, läge der nächste Zyklus praktisch bei null. Was immer mal wieder vorkommt, erklärt der Sonnenphysiker Carsten Denker vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP). Die Aktivität der Sonne pendelt in rund elfjährigen Zyklen zwischen Höhepunkten und Talsohlen. Auf den Maxima sind Sonnenflecken, Strahlungsausbrüche und koronale Massenauswürfe besonders häufig, die Energiereiche Strahlung erhöht (s. Kasten). Diese Maxima zeigen nun seit zwei Zyklen einen Abwartstrend. Wohlgemerkt geht es dabei nicht um die Geamtleuchtkraft der Sonne, die sich nur im Promillebereich ändert, sondern um Strahlung im Röntgen-, UV- und Radiowellenbereich.

Kleine Eiszeit

Sollten nun auch die weiteren Zyklen schwach ausfallen, könnte dies der Beginn eines sogenannten Großen Minimums sein, einer längeren Phase niedriger Sonnenaktivität. Mit direkten Folgen auf das Erdklima. Denn der Rückgang an UV-Strahlung hat nach Erkenntnissen von Forschern des Potsdamer Geoforschungszentrums (GFZ) einen Einfluss auf die Wolkenbildung in der Erdatmosphäre. Das sogenannte Maunder-Minimum im 17. Jahrhundert (1645 bis 1715) war solch ein Tiefpunkt. In die Zeit vom 16. bis ins 19. Jahrhundert fällt die Kleine Eiszeit, in der es in Mitteleuropa sehr kalte Winter gab, die Folge waren massive Ernteausfälle, die Themse in London soll in einem Jahr sogar bis Juni zugefroren gewesen sein, auch vom Schlittschuhlaufen auf der Lagune von Venedig wurde damals berichtet. Die Geoforscher fanden zudem heraus, dass solche durch Sonnenaktivität verursachten Klimawechsel sich relativ rasch vollziehen können, sie sprechen von einem Jahrzehnt.

In der Forschung wird derzeit rege darüber diskutiert, welchen Anteil die Sonne am Klimawandel hat. Die GFZ-Forscher konnten anhand von Gesteinsproben nachweisen, dass eine Änderung der Sonnenaktivität in der Erdgeschichte auch das Klima unseres Planeten verändert hatte. Deutlich windigere Bedingungen und ein feucht-kühles Klima vor allem im Frühjahr waren die Folge von längeren Minima der Sonne. „Änderung und Intensivierung der troposphärischen Windsysteme stehen vermutlich in einem ursächlichen Zusammenhang mit Prozessen in der Stratosphäre, die wiederum stark von der solaren UV-Strahlung beeinflusst werden“, so Achim Brauer vom GFZ.

Könnten wir also erneut vor dem Beginn einer solchen Kleinen Eiszeit stehen? „Ob wir tatsächlich in ein Maunder-Minimum kommen, dürfte frühestens im nächsten Zyklus, also 2025 zu sehen sein“, sagt der Sonnenforscher Carsten Denker. Wenn dann tatsächlich keine Sonnenflecken mehr zu beobachten wären, könne man davon ausgehen, dass möglicherweise eine längeren Schwächephase der Sonne beginnt. Die Forscher mussten bereits Vorhersagen zum aktuellen Maximum nach unten korrigieren. Allerdings lasse sich ein solches Ereignis nicht vorhersagen. Schon der nächste Zyklus könne wieder stärker ausfallen. „Man kann nur sagen, dass derzeit etwas Drastisches auf der Sonne vor sich geht“, so Denker. Wie es weitergeht, sei offen. Die grundlegenden physikalischen Prozesse sind laut Denker noch nicht verstanden. Deswegen will der Sonnenphysiker auch keine Prognosen geben.

Doppelter Höhepunkt

Der aktuelle Zyklus begann 2008 auf sehr niedrigem Niveau und blieb in der Folge außerordentlich schwach. Nun sieht es so aus, als ob er zwei kleinere Höhepunkte statt einem großen Maximum bekommen wird. „Wir befinden uns zwar gerade im Maximum, dessen genauer Zeitpunkt aber schwer zu bestimmen ist.“ Denker erwartet in nächster Zeit einen weiteren Höhepunkt nach einem ersten Ausschlag Ende 2011. „Im Moment beobachten wir bereits eine erhöhte Aktivität.“ Die Zweiteilung der Maxima hängt mit einem Schwanken der Sonnenfleckaktivität zwischen Süd- und Nordhalbkugel der Sonne zusammen. Bisher kam der Sonnenfleck-Index der Nasa gerade mal auf einen Faktor von 95, der Zyklus zuvor lag im Jahr 2000 noch bei 155, der 22. Zyklus 1990 sogar knapp bei 200. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, würde der 25. Zyklus praktisch ausfallen. Die bisher stärksten Zyklen der jüngeren Vergangenheit liegen ohnehin schon lange zurück, sie wurden in den 1960er-Jahren beobachtet.

Die schwache Sonnenaktivität bedeute aber nicht, dass die Sonne keine starken Ereignisse mehr hervorbringt. Strahlungsausbrüche und koronale Massenauswürfe finden weiterhin statt. Gerade erst in der vergangenen Woche hat es in der Nacht zu Dienstag einen sehr starken Strahlungsausbruch gegeben. „Das war schon sehr ordentlich, der drittstärkste Ausbruch in diesem Zyklus“, so der Sonnenphysiker Denker. Im vorherigen Zyklus gab es einen noch stärkeren Ausbruch. Dass die aktuelle Eruption keine Folgen für die Erde hatte, lag an der Position am Ostrand. „Wir haben davon nur einen Streifschuss abbekommen“, sagt Denker. Ein paar Tage später allerdings hätte der Magnetsturm direkt ins Erdmagnetfeld getroffen. Probleme in der Telekommunikation und Energieerzeugung hätten die Folge sein können.

Sonne und Klimawandel

Die Änderungen der Sonnenaktivität sind vor allem auch vor dem Hintergrund des Klimawandels interessant. Klimaforscher erwarten von einer abgeschwächten Sonnenaktivität zwar nur eine marginale Verringerung der aktuellen Erderwärmung. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) geht davon aus, dass sich mit Sonnenzyklen nur ein kleiner Teil der seit 1998 verlangsamten Erderwärmung erklären lässt – eine wichtigere Ursache seien veränderte Passatwinde und stärkere Wärmeaufnahme der Ozeane. Geo- und Sonnenforscher weisen allerdings darauf hin, dass man nicht die Gesamtstrahlungsleistung der Sonne alleine betrachten sollte. Sie beobachten auch indirekte Einflüsse der Sonne. „Die Gesamtstrahlung ändert sich nur im Promillebereich, bei der UV-Strahlung kann es hingegen Änderungen um 100 Prozent geben“, so Denker. Und eben diese UV-Strahlung ist vermutlich für Änderungen der Wolkenbildung in der Erdatmosphäre verantwortlich – was weitaus größere Auswirkungen auf das Klima haben kann als der geringe Rückgang der Sonneneinstrahlung. Sollte es in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich so etwas wie eine Kleine Eiszeit geben, erwartet Sonnenforscher Denker allerdings nur eine Verschnaufpause in Sachen Klimawandel: „Die Effekte, die der Mensch derzeit verursacht, würden zwar abgemildert, aber nicht komplett unterdrückt werden.“

Keine ungewöhnliche Entwicklung

Grundsätzlich müssen wir uns um die Sonne aber keine Sorgen machen. „Der Sonne geht es gut“, sagt Denker. Auch Phasen schwacher Aktivität gehören zum normalen Muster dazu. Hervorgerufen werden sie durch Vorgänge im Inneren der Sonne, dem sogenannten Sonnen-Dynamo. Die Sonnenaktivität hängt mit den Turbulenzen ihres heißen Gases und laufenden Änderungen des Magnetfeldes zusammen. Dafür, dass es im nächsten Zyklus wieder aufwärts geht, sprechen zudem die statistischen Werte. Denn danach tritt ein großes Minimum mit Eiseskälte etwa alle 1000 bis 1500 Jahre auf. Da das letzte Ereignis dieser Art gerade erst 300 Jahre her ist, dürfte es also frühestens in 700 Jahren so weit sein. Aber: Ausnahmen bestätigen die Regel.

HINTERGRUND

Sonnenaktivität werden zyklische Veränderungen der Sonne genannt. Turbulenzen des heißen Gases der Sonne und Änderungen des Magnetfeldes lassen die Aktivität der Sonne in elfjährigem Rhythmus schwanken. Auf ihrem Höhepunkt ist die Sonnenaktivität – Sonnenflecken, Strahlungsausbrüche und koronale Massenauswürfe – am stärksten. Ein einfach bestimmbares Maß für die Sonnenaktivität ist die Zahl der Sonnenflecken. Starke Änderungen treten in der Strahlung im Röntgen-, UV- und Radiowellenbereich auf. Die Gesamtleuchtkraft der Sonne ist im Maximum allerdings nur unwesentlich höher. Die Sonnenaktivität ist verantwortlich für Ereignisse des Weltraumwetters und wirkt sich direkt auf Satelliten, aber auch auf technische Einrichtungen auf der Erde aus. Sie beeinflusst darüber hinaus das Polarlicht, die Ionosphäre und damit die Ausbreitung der Radiowellen auf der Erde. Bei den jüngsten Sonneneruptionen waren Nordlichter sogar bis nach Brandenburg zu sehen. (Kix)

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