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Darmbewohner. Escherichia coli.

© E. Erbe

Homepage: Ein Mikrokosmos

Im menschlichen Darm leben über 1000 verschiedene Bakterienspezies, viele davon haben eine gesundheitsfördernde Wirkung

2011 ist das Jahr der Gesundheitsforschung. In den PNN stellen Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) aktuelle Ergebnisse aus dem Bereich Gesundheit und Ernährung vor.

Der Darm eines Erwachsenen ist etwa acht Meter lang, allein der Dünndarm bringt es auf rund drei Meter. Die innere Oberfläche des Dünndarms umfasst etwa 2000 Quadratmeter, was der Fläche eines halben Fußballfeldes entspricht. Die starke Oberflächenvergrößerung ist nur durch einen Trick der Natur möglich, durch eine extrem starke innere Auffaltung des Darms. Die Schleimhaut im Inneren des Dünndarms ist ringförmig gefaltet. Diese Falten sind mit rund vier Millionen Auffaltungen (Darmzotten) versehen, deren Oberfläche selbst noch einmal durch Mikrozotten vergrößert ist. Diese riesige Fläche ist notwendig, um möglichst vollständig die gelösten Nährstoffe aus dem Nahrungsbrei über die Darmschleimhaut aufnehmen zu können.

Der Darm ist aber nicht nur aufgrund seiner Ausmaße ein Organ der Superlative. Er ist auch ein wahrer Mikrokosmos, denn er beherbergt die große Gemeinschaft der Darmbakterien. Früher wurde diese als Darmflora bezeichnet, heute nennen sie die Wissenschaftler „intestinale Mikrobiota“, da sie nichts mit Pflanzen (Flora) zu tun hat. Schätzungen zufolge leben im Darm eines ausgewachsenen Menschen bis zu 100 Billionen Bakterien. Das übersteigt die Anzahl unserer Körperzellen um den Faktor zehn. Dabei bringt die mikrobielle Gemeinschaft eines Menschen insgesamt ein bis eineinhalb Kilogramm auf die Waage. Zur Mikrobiota gehören vermutlich über 1000 verschiedene Bakterienspezies. Dass die Darmmikroben unseren Körper in vielfältiger Hinsicht beeinflussen, ist sicher. Doch welche genauen Zusammenhänge zwischen unserer Ernährung, den Darmbakterien und unserer Gesundheit bestehen, ist noch unzureichend untersucht. Wissenschaftler am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Bergholz-Rehbrücke haben es sich daher zur Aufgabe gemacht, diese Wechselbeziehungen zu erforschen.

Mikrobiologen der DIfE-Abteilung Gastrointestinale Mikrobiologie konnten nun zeigen, dass Darmbakterien der Gattung Bacteroides lösliche Ballaststoffe aus Kaffee als Nahrung nutzen können. Dabei enthalten drei Tassen Filterkaffee etwa zwei Gramm Ballaststoffe. Die Bacteroides-Arten gehören zur normalen Mikrobiota des Menschen und sind im Darm mengenmäßig sehr stark vertreten. Dies ist wichtig, da allein die große Anzahl dieser nützlichen Bakterien verhindert, dass sich krankmachende Keime ansiedeln und vermehren können. Zudem produzieren die Bacteroides-Arten kurzkettige Fettsäuren, wie Essig- oder Buttersäure. Diese sorgen für ein saures Darmmilieu, in dem gesundheitsfördernde Bifidobakterien, nicht aber Krankheitserreger, wachsen. Die mit dem Kaffee aufgenommenen Ballaststoffe könnten so in Wechselwirkung mit den Darmbakterien einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit leisten.

Die Wissenschaftler am DIfE untersuchen auch den Einfluss der Darmbakterien auf sekundäre Pflanzenstoffe. Einigen davon werden gesundheitsfördernde Effekte zugeschrieben. Isoflavone sind beispielsweise in Soja enthalten und ähneln körpereigenen Hormonen. Über die Nahrung aufgenommen, sollen sie vor hormonabhängigen, altersbedingten Erkrankungen wie Brustkrebs, Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. In Soja liegen die Isoflavone in einer biologisch wenig aktiven Form vor. Um ihre volle Wirksamkeit zu entfalten, müssen sie erst aktiviert werden. Dies kann unter anderem durch bestimmte Darmbakterien geschehen. DIfE-Forscher konnten einige dieser Bakterienarten erstmalig identifizieren. Diese spezifischen Darmbakterien sind jedoch nur begrenzt verbreitet, so dass bestimmte Isoflavone bei nur etwa 30 Prozent der Bevölkerung direkt durch die Mikrobiota aktiviert werden.

Individuelle Unterschiede in der Zusammensetzung der Darmflora scheinen auch im Zusammenhang mit der Anfälligkeit für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder ein erhöhtes Körpergewicht zu stehen. Hier stellen sich jedoch die Fragen: Ist die Zusammensetzung der bakteriellen Gemeinschaft die Ursache für die Erkrankungen beziehungsweise das Übergewicht oder eher eine Folge davon? Die Mikrobiologen am DIfE konnten mit ihrer Arbeit bereits die Ergebnisse von US-Forschern ergänzen, wonach Darmbakterien zur Entstehung von Übergewicht beitragen. In den Experimenten der Amerikaner blieben beispielsweise Mäuse ohne Darmbakterien selbst unter einer fettreichen Ernährung deutlich schlanker, als Mäuse mit normaler bakterieller Darmbesiedelung. Die DIfE-Wissenschaftler kamen zu demselben Ergebnis. Änderten sie aber die Zusammensetzung des fettreichen Futters, indem sie andere Fette und Kohlenhydrate verwendeten, kamen sie zu einem ganz anderen Resultat. Unter der neuen Futtermischung nahmen auch die Tiere stark zu, denen Darmbakterien vollständig fehlten.

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Gastrointestinale Mikrobiologie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE).

Annett Braune

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