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Fehlende Hilfsangebote. Demenz ist auch für Angehörige eine Belastung.

© dpa

Demenz-Forschung an der Uni Potsdam: In der Stressfalle

Uni Potsdam forschte, wie Partnern von Demenzkranken geholfen werden kann

Wolfgang Schuster* war immer ein aktiver Mensch. Nach seiner Pensionierung blieb der frühere Schuldirektor durch Thai-Chi, Gartenarbeit und Lesen körperlich und geistig fit. Außerdem hielt er das Haus in Schuss und half bei der Betreuung der Enkel. Doch plötzlich wurde alles anders. Wolfgang Schuster wurde vergesslich. Die Diagnose: Alzheimer-Demenz.

Der Pensionär gab seine Hobbys auf und zog sich zurück. Die täglichen Aufgaben blieben alleine an seiner Frau hängen. Für Lieselotte Schuster*, die an starken Rückenschmerzen litt, war das purer Stress. Die Folge: Immer öfter kam es zwischen den Eheleuten zu Konflikten.

Eine Situation wie diese sei typisch für das, was die meisten Paare zu Beginn einer Demenzerkrankung erleben, beobachtet Andreas Häusler vom Department Sport- und Gesundheitswissenschaften der Universität Potsdam. Der Psychologe war an der sogenannten Dyadem-Studie der Uni und des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) beteiligt. Die Wissenschaftler testeten bei mehr als 100 Paaren in Berlin und in ländlichen Gebieten Brandenburgs ein psychosoziales Konzept. Ziel war es, die Partner beim Umgang mit der Erkrankung zu beraten und zu unterstützen.

„In Partnerschaften verschieben sich durch die Demenz-Erkrankung die Rollen“, weiß Häusler. So wie im Fall der Schusters könne einer der Partner plötzlich seine Aufgaben nicht mehr erfüllen. „Das führt beim Kranken zu Frustration und beim Partner zu Überlastung.“ Außerdem würden in dieser Situation oft auch alte Kränkungen und Konflikte an die Oberfläche gespült.

Demenzkranke zögen sich oft zurück, weiß Helga Schneider-Schelte von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Das führe dazu, dass auch der Partner immer weniger soziale Kontakte habe. „Viele Partner von Demenzkranken haben das Gefühl, plötzlich alleine dazustehen.“ Sie fühlten sich überfordert und litten oft unter Stress-Symptomen. Die pflegenden Partner brauchten also meist dringend Unterstützung.

Dennoch gebe es ein Defizit an Angeboten für die Partner Demenzkranker, sagt Häusler. „Gerade im ländlichen Raum bestehen große Lücken bei der Beratung“, stellt auch der Vorstandsvorsitzende des ZQP, Ralf Suhr, fest. Dabei hängt die Versorgung des Kranken in seiner häuslichen Umgebung wesentlich davon ab, dass Ehefrau oder Ehemann leistungsfähig bleiben. Das Projekt der Uni Potsdam sollte daher testen, inwiefern eine persönliche Beratung der Paare in ihrem Zuhause die Lebensqualität beider Partner verbessern kann.

Dazu besuchten ein Psychotherapeut und eine Sozialtherapeutin die Paare sieben Mal, meist im Wechsel. Zusätzlich gab es zwei telefonische Beratungen. Für die Schusters wurde aus der Unterstützung ein Erfolg: Mit Hilfe der Therapeuten fand das Paar eine Strategie, wie Wolfgang Schuster zumindest einen Teil seiner angestammten Aufgaben wieder übernehmen konnte. Denn es zeigte sich, dass er viele Dinge vernachlässigte, weil er Werkzeuge oder wichtige Papiere nicht mehr fand. Mit Hilfe eines Merkheftes und Symbolkarten an Schranktüren bekam er das Problem nun in den Griff.

Außerdem sorgt jetzt ein Fahrdienst dafür, dass Wolfgang Schuster wieder eigenständig an sozialen Veranstaltungen teilnehmen kann, die er auch früher regelmäßig besuchte. Die Therapeuten brachten dem Paar zudem eine Entspannungstechnik bei, um den mit der Erkrankung verbundenen Stress besser zu bewältigen. Beide Partner haben damit ein Stück Lebensqualität zurückgewonnen.

Die Potsdamer Wissenschaftler hoffen, dass ihr Projekt Schule macht, vor allem in ländlichen Gebieten. Doch in der Regel werden sich Partner von Demenzkranken weiterhin selbst Hilfe suchen müssen.

Wichtig sei, dass Ehepartner nicht versuchten, alleine mit der Situation fertig zu werden, sagt Schneider-Schelte, die bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft für die Beratung von Angehörigen zuständig ist. Es sei ganz entscheidend, soziale Kontakte weiter aufrechtzuerhalten. „Es braucht Menschen um einen herum, die einem nahe sind und den Kranken so nehmen, wie er ist.“ Claudia Rometsch

*Namen geändert

Claudia Rometsch

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