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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht mit zur Raute geformten Händen neben TV-Moderatorin Anne Will.

© dpa/Michael Kappeler

Bundeskanzlerin bei Anne Will: Angela Merkels inoffizielle Regierungserklärung

Bei Anne Will zeigt sich schnell, Angela Merkel beugt sich in der Flüchtlingskrise nicht. Ganz im Gegenteil: Die Bundeskanzlerin stellt ihre Linie als alternativlos dar. Rund 3,5 Millionen ARD-Zuschauer schalten den Talk ein.

Von Robert Birnbaum

„Wir schaffen das, davon bin ich ganz fest überzeugt.“ Die Kanzlerin sitzt noch keine Minute mit der Moderatorin Anne Will im Studio zusammen, da ist schon klar: Sie wird sich nicht beugen. Nicht dem steigenden Druck aus der eigenen Partei, nicht den bröckelnden Umfragen, nicht den Zweiflern und Sorgenvollen und schon gar nicht dem Dauerfeuer aus München. Ob sie nicht doch auch mal ein anderes Signal aussenden wolle als die geöffneten Arme, ein Gegensignal, fragt Will später trotzdem nach. „Nein“, sagt Angela Merkel. „Bestimmt nicht.“

Merkel lächelt die Moderatorin dabei freundlich an, sehr freundlich sogar. Das Lächeln gilt freilich höchstens zur Hälfte der Fragestellerin, die andere Hälfte zielt auf die Zuschauer. Der Termin am Mittwochabend zur besten Sendezeit ist nämlich als so etwas wie eine inoffizielle Regierungserklärung gedacht. Merkel erklärt sich, sie wirbt ganz offen um „Verbündete“, und sie tut es mit jenem freundlichen Gesicht, das ihre Kritiker ihr als Urfehler in der Flüchtlingskrise vorhalten.

Einen Fehler will sie darin ganz und gar nicht sehen. Dass sich Hunderttausende aufmachen, tausende Kilometer weit auf gefährlichen Wegen aus ihrer Heimat nach Deutschland, nur weil dort die Kanzlerin ein paar Selfies mit Flüchtlingen gemacht hat – ob das jemand glaube? Anne Will sieht so aus, als ob jedenfalls sie das für durchaus möglich hält. Das Interesse der Zuschauer am Will-Talk mit Merkel ist jedenfalls groß: 3,45 Millionen schalten das Erste ab 21 Uhr 45 ein. Beinahe dreimal so viel wie sonst. Im Durchschnitt kam Anne Will im ersten Halbjahr nur auf 1,25 Millionen Zuschauer.

Aber Merkel ist schon weiter. „Jetzt ist diese Situation da“, sagt sie. „Die Aufgabe muss gelöst werden.“ Eine „sehr schwierige Aufgabe“. Aber Deutschland, ein starkes Land, habe schon viele schwierige Aufgaben gelöst. Und außerdem, was ist denn die Alternative? „Stell'n Sie sich mal vor, wir stellen uns jetzt alle hin und sagen: Wir schaffen das nicht – was denn dann?“

Rücktrittsdrohung? "Das war nicht mein Motiv"

Das ist eine ziemlich gute Frage, auf die zum Beispiel der bayerische Ministerpräsident bisher außer einem rasch dahin geworfenen „Notmaßnahmen“ auch noch keine Antwort gegeben hat. Merkel glaubt zu wissen warum: Es gibt gar keine schnelle Antwort. „Es liegt ja nicht in meiner Macht, es liegt in der Macht von keinem Menschen in Deutschland, wie viele Menschen zu uns kommen“, sagt sie. Das ist ein Eingeständnis der Ohnmacht. Aber besser, sagt Merkel, als den Leuten etwas vorzugaukeln.

Denn was wollte man auf die Schnelle tun? Die Grenzen schließen? „Wir haben mehr als 3000 Kilometer Landgrenze“, rechnet die Regierungschefin vor. So lang ist kein Zaun: „Es gibt den Aufnahmestopp nicht.“ Und sie will auch nicht so tun, als könnte es ihn geben: Sie habe sich entschieden, „keine falschen Versprechungen zu machen“, betont Merkel.

Das kann man als direkte Antwort auf Seehofer lesen. Auf den CSU-Chef lässt die CDU-Chefin ansonsten derart betont nichts kommen, dass es schon eine richtige Gemeinheit ist. Will versucht sie zu verlocken, offen zurückzukeilen: Also mache der CSU-Chef nur Wind? Nein, Horst Seehofer, „der arbeitet auch den ganzen Tag, dass es klappt“. Allerdings eben als bayerischer Ministerpräsident, und der habe nun mal eine andere Aufgabe als sie in ihrer Verantwortung als Bundeskanzlerin.

Sie müsse diese ganze schwere Aufgabe lösen, eine vielfältige Aufgabe: die Europäer zu einer fairen Verteilung der Lasten bringen, Sicherheit und Ordnung an den EU-Außengrenzen wiederherstellen, mit der Türkei über eine Lastenteilung reden und das Land dabei unterstützen.

Das werde dauern. Aber was, noch mal, ist die Alternative? „Ich will mich nicht beteiligen an einem Wettbewerb: Wer ist am unfreundlichsten zu den Flüchtlingen, damit sie nicht kommen“, sagt Merkel. „Das finde ich nicht richtig.“ Das wäre nicht ihr Land, wie sie in dem berühmt gewordenen Satz gesagt hat.

Sie bekräftigt auch den: „Ich hab's sozusagen aus meinem Herzen gesprochen.“ Eine indirekte Rücktrittsdrohung, will die Moderatorin wissen? „Das war nicht mein Motiv“, sagt Merkel. „Aber die Menschen sollen auch wissen, wer ihre Kanzlerin ist.“

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