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Wie ist es, wenn auf einen geschossen wird? Der Berliner Videoblogger Tilo Jung mit den Bloggerinnen Maha Jaffar (r.) und Haifa Beseisso im Gespräch über Frauen in der arabischen Welt.

© SWR/ufa

Arabische Videostars auf Arte: Flieg mit Haifa

Mit nacktem Oberkörper Freiheitslust: Eine sehenswerte Arte-Doku mit dem Berliner Blogger Tilo Jung zeigt arabische Videostars – und den Krieg.

Ein Selfie vor der Cheopspyramide ist der passende Einstieg in das Reisejournal. Vielleicht hätte Tilo Jung, Videoblogger und Politikjournalist aus Berlin, ein weniger verbrauchtes Bild an den Anfang gesetzt, wenn es sich um einen Clip in seinem Blog „Jung & Naiv“ gehandelt hätte. Doch für die Begegnungen mit arabischen Videostars in Kairo, Dubai und Istanbul, die auf Arte ausgestrahlt werden, hatte Anna Moll für den SWR das Drehbuch geschrieben, was bedeutete, dass Regisseur Farid Eslam für jede Episode ein enger Zeitrahmen zur Verfügung stand.

Kameramann Prokop Soucek gelangen trotzdem die Bilder, die der Zuschauer erwarten durfte: pulsierendes Leben in Straßen von Kairo, die bizarre Skyline der Wolkenkratzer in Dubai, als Kontrast ein öder Grenzstreifen zwischen der Türkei und Syrien. Vor diesem wechselnden Hintergrund finden die Auftritte der Stars statt, zu denen der TV-Titel drei junge Männer plus eine junge Frau kürt.

Die Reihenfolge beim Drehen war eine andere als die im Film, aber so ist es spannender: zuerst zwei Blogger in Kairo, der erste ein religiöser Kritiker des Regimes, der zweite ein vor Energie fiebriger Typ, der mit nacktem Oberkörper seine Freiheitslust demonstriert. In Dubai wird es lustiger, als Haifa Beseisso, landesweit bekannt durch ihren YouTube-Kanal „Fly with Haifa“, vom Dach eines Autos herab ihren Spaß am Leben bekundet.

Sie möchte die ganze Welt umarmen. Mit dem Hijab, dem islamischen Kopftuch, hat sie keine Probleme, noch weniger mit den Tabuzonen des von Öl und Geldgeschäften reich gewordenen Emirats. Man muss sich nur an die Gesetze halten, keine Politik, nichts über die Gesellschaft, kein Sex. Bleibt da viel übrig? Zumindest Haifas ansteckendes Lachen.

Man sieht Aufnahmen aus Aleppo

Tilo Jung, der auf seinem Kanal regelmäßig die Bundespressekonferenz kommentiert, lächelt bei der Präsentation der Arte-Doku in Berlin amüsiert. Er will hier keinen Disput auslösen, es geht nicht um ihn. Das Treffen mit einem syrischen Blogger, das in Istanbul stattfinden muss, führt wieder zurück in eine Welt des Schreckens und Sterbens. Man sieht Aufnahmen aus Aleppo, während des Belagerungszustandes gedrehte Clips, Trümmer, Staubwolken, hin und her hastende Leute. Eben noch beobachtete er spielende Kinder, erzählt ein Mann, dann ging plötzlich eine Fassbombe nieder. Von den Kindern blieben nur zerrissene Körper.

Wie ist es, wenn auf einen geschossen wird?, fragt Tilo Jung, als er und der Syrer zur Grenze gefahren sind. Wird man ein Held, ein Star des Krieges? Die Begriffe wollen hier nicht passen. Stars schauen gebannt auf die Popularitätsskala, auf der Haifa Beseisso weit oben steht. Hatte die Autorin eine kritische Szene in Kairo und in Dubai erwartet? Sie schweigt lieber vor laufender Kamera, hat Tilo Jung erfahren. Auch das sagt manches über die arabischen Verhältnisse. Und: Mit 52 Minuten Filmlänge kann man einem Thema förmlich die Luft abschneiden. Die arabische Welt ist vielfältiger, als sie sich hier darstellen kann, und der frische Ton des Films der richtige, um vor allem ein jüngeres Publikum zu erreichen.

„Follow me: Arabische Videostars“, Arte, Dienstag, 22 Uhr 10

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