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25 Jahre Uni Potsdam: „Kaum als Uni-Stadt wahrgenommen“

Der Zeithistoriker Frank Bösch spricht im Interview über die periphere Lage der Potsdamer Universitäts-Standorte, die ungewöhnliche Geschichte der Hochschule und das gute Betreuungsverhältnis.

Herr Bösch, Sie haben am gestrigen Freitag eine Diskussion zu „25 Jahre Universität Potsdam“ moderiert. Die Stadt und ihre Uni – wo ist das Problem?

Die Universität und die rund 20000 Studenten sind im Potsdamer Stadtleben sicher noch zu wenig präsent. Der Hauptgrund ist, dass die Uni nicht zentraler in der Innenstadt liegt, sondern an mehreren Standorten und meist am Rande der Stadt. Das lebhafte Studentenleben in der Innenstadt fehlt ein wenig, viele Kneipen und Bars sind abends eher leer.

Wir dürfen uns also nicht mit einer klassischen Universitätsstadt vergleichen?

Nein. Uni-Städte wie Marburg, Göttingen, Münster oder Jena sind ganz anders entstanden und gewachsen. Die Potsdamer Universität ist ja noch sehr jung und auch ihre drei Vorläufer in der DDR konnten hierzu wenig beitragen. Die Pädagogischen Hochschule „Karl Liebknecht“, die Akademie für Staats und Rechtswissenschaft und die Stasi-Hochschule in Golm bescherten ein anderes Studentenklientel als die Universitäten in Leipzig oder Dresden. Es ist jedoch kein ostdeutsches Problem: Auch im Westen entstanden in den 1970er Jahren neue Universitäten mit Neubauten am Stadtrand, wie in Bielefeld oder Siegen, die deshalb kaum als „Uni-Städte“ wahrgenommen werden.

Aber Potsdam bietet dafür doch eine charmante Innenstadt.

Sicher, aber die muss mit Berlin konkurrieren. Dort zu wohnen erscheint für viele Studenten, aber eben auch Lehrende aufregender. Entsprechend pendeln beide Seiten. Dies ist aber generell ein zunehmender Trend. Die ICEs sind in alle Richtungen voll mit Professoren und akademischen Mitarbeitern. In den Zügen von Berlin nach Frankfurt/Oder könnten sie morgens ihre Seminare halten.

Liegt der Trend zum Pendeln daran, dass es in Potsdam zu wenig Wohnraum gibt?

Viele Studierende sagen mir, dass sie WG-Zimmer in Berlin günstiger bekommen, wenngleich die Preise dort ebenfalls anziehen. In Potsdam ist oft nur die Platte eine günstige Alternative.

Womit kann Potsdam punkten?

Potsdam ist im positiven Sinne ein überschaubarer Studienort. Das Betreuungsverhältnis und die Lehre gelten als sehr gut und die Unigebäude am Neuen Palais zählen sicher zu den schönsten in Deutschland. Auch durch die Berlin-nähe und die vielen außeruniversitären Forschungszentren in Potsdam lehren hier viele forschungsstarke bekannte Wissenschaftler und es gibt eine gute wissenschaftliche Nachwuchsföderung. Und natürlich schätze auch ich die wasserreiche grüne Stadt voller gebrochener Geschichte. Oft gehen die klassischen bildungsbürgerlichen Kinder jedoch weiterhin zu den Traditionsunis.

Was könnte in Potsdam besser laufen?

Das öffentliche akademische Leben. Weil viele abends schnell nach Hause gen Berlin wollen, sind öffentliche Abendveranstaltungen nach 18 Uhr oft schlecht besucht. In Städten wie Marburg oder Göttingen, wo Dozierende und Studierende tatsächlich leben, sind die Vorträge voller, man diskutiert bis 22 Uhr und geht anschließend zusammen in die Kneipe.

Brauchen wir einfach mehr Kneipen?

Es gibt wenig gastronomische Angebote an den Unistandorten. Versuchen sie mal, am Neuen Palais mit einem Gastwissenschaftler oder einer Konferenz essen zu gehen. Da bleibt nur der längere Weg zum Drachenhaus oder die Mensa. Es wäre toll, wenn da jemand ein Restaurant aufmachen würde. Im Sommer sind dort zudem viele Touristen.

Was soll denn mit der Themenwoche „Uni findet Stadt“ erreicht werden?

Sie soll das akademische Leben stärker in die Stadt tragen. Wir Historiker haben ja zum Glück Institute in der Innenstadt, wie unser „Zentrum für Zeithistorische Forschung“ am Neuen Markt, die hier Veranstaltungen anbieten. Zugleich gibt es zur Themenwoche „Uni findet Stadt“ auch besondere Angebote zur Geschichte in der Stadt. Bei der Auftaktveranstaltung gestern Abend stand etwa die Gründung der Universität vor 25 Jahren im Mittelpunkt. Hier ist ja eine lebhafte Debatte darüber entflammt, ob damals zu viele ungeeignete Mitarbeiter aus DDR-Zeiten übernommen wurden oder ob umgekehrt falsche Akzente bei der Besetzung mit westdeutschen Professoren gesetzt wurden. Diese Diskussion über die spezifische Gründungsgeschichte der Uni Potsdam und den „Brandenburger Weg“ in der Personalpolitik wollen wir im Herbst zusammen mit Zeitzeugen und Experten weiter diskutieren, wozu ich bereits eine Veranstaltung vorbereiten.

Das Gespräch führte Steffi Pyanoe

Frank Bösch (46) ist Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam und Professor für deutsche und europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Potsdam.

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