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Wissen: Viel Vorlesen hilft viel

Werden Kinder intensiv gefördert, profitieren sie weit über die Pubertät hinaus, zeigt eine Studie

Je häufiger einem Kind vorgelesen wird, desto besser entwickelt es sich. Das geht aus einer Studie zum Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen bis zum 19. Lebensjahr hervor, die die „Stiftung Lesen“ am Dienstag zum Auftakt des Vorlesetages am 18. November vorlegte. Die zentrale Aussage der Studie: Lesen die Eltern oder andere Bezugspersonen ihren Kindern möglichst regelmäßig vor, erzeugen sie eine Lesefreude, die sogar über den großen Lektüre-Knick der Pubertät hinausreicht. Das Vorlesen fördert nicht nur den Erfolg in der Schule, sondern weckt auch Freude an der Bewegung: Wer mehr liest und mehr vorgelesen bekommt, ist körperlich aktiver und erzielt auch bessere Ergebnisse beim Sport. Außerdem spielen junge Leserinnen und Leser häufiger ein Musikinstrument.

Für die Studie im Auftrag der „Stiftung Lesen“, der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ und der Deutschen Bahn sind 505 Kinder und Jugendliche repräsentativ befragt worden. Und wieder hat sich herausgestellt, dass Mädchen häufiger und intensiver lesen als Jungen. 63 Prozent der Jungen, denen täglich vorgelesen wurde, sagen, dass das Bücherlesen ihnen Spaß macht. Bei den Mädchen sind es 83 Prozent – also rund ein Drittel mehr.

Diejenigen, denen im Kindesalter täglich vorgelesen wurde, kommen später auf 58 Minuten Lesedauer pro Wochentag. Wem von den Eltern nur einmal in der Woche vorgelesen wurde, kommt auf 42 Minuten. Und wer selten oder nie in den Genuss des Vorlesens kam, wendet später gerade einmal 34 Minuten pro Tag für die Lektüre auf.

Vielleser sind auch keine Stubenhocker. Sie haben genau dieselbe Intensität bei den sozialen Kontakten wie die Jugendlichen, denen nicht vorgelesen wurde. 66 Prozent der Leser betreiben mindestens einmal in der Woche Sport gegenüber 55 Prozent der Kinder und Jugendlichen, denen nicht vorgelesen wurde. Auch beim Musizieren und dem Spielen eines Instruments liegen die lesefreudigen Jugendlichen mit 27 Prozent vor jenen 21 Prozent, denen nicht vorgelesen wurde.

Die persönliche Geborgenheit, die Eltern beim Vorlesen vermitteln, fördere den Leseerfolg intensiver als Hörspielkassetten oder CDs mit erzählten Geschichten, sagte die wissenschaftliche Leiterin der Studie, Simone Ehmig, bei der Vorstellung der Studie in Berlin.

Warum braucht man diese spezielle Befragung über das Leseverhalten, wenn es doch die internationalen Pisa-Studien gibt, in denen die Lesekompetenz gemessen wird? Die Pisa-Studien halten nur in mathematisch ermittelten Zahlen fest, wo die deutschen Jugendlichen der neunten Klassen im internationalen Vergleich in den Schulen stehen. Die Lesestudie dagegen untersucht die Wirkung des Lesens bei der gesamten Persönlichkeitsentwicklung vom 10. bis 19. Lebensjahr – und das in Schule und Freizeit. Die Studie zeigt auch, dass Eltern türkischer Kinder selten vorlesen. Positiv dagegen ist das Vorlese-Engagement in osteuropäischen Familien.

Beim bundesweiten Vorlesetag am 18. November gehen 900 Politiker, Schauspieler und Sportler in Schulen und Kindergärten, um vorzulesen. Als Kooperationspartnerin lässt die Deutsche Bahn einen Vorlesezug zwischen Berlin und Hamburg verkehren und errichtet am Berliner Hauptbahnhof ein Vorlesezelt. In Berlin engagieren sich beim Vorlesen unter anderem der Vizepräsident des Bundestages Wolfgang Thierse, der Bundesvorsitzende der Grünen Cem Özdemir, der Fraktionsvorsitzende der Linken Gregor Gysi, die Fernsehmoderatorinnen Anne Will und Sarah Kuttner und der Schauspieler Hans Werner Meyer.

Uwe Schlicht

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