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Der seltene Plattnasen-Holzrüssler profitiert vom Klimawandel: Er vermehrt sich in absterbenden Eichen.

© Jörg Müller

Seltenes Insekt nahe Berlin gefunden: Dieser Käfer liebt eigentlich Urwälder

Der gefährdete Plattnasen-Holzrüssler ist in der Döberitzer Heide entdeckt worden. Der Käfer mag sterbende Eichen, die dürrebedingt vermehrt eingehen. Eine gute oder eine schlechte Nachricht?

In den typischen regionalen Kiefernforsten, in denen dünne Stämme in Reih und Glied stehen, würde sich dieses Tierchen nicht wohlfühlen. Der Plattnasen-Holzrüssler braucht Bedingungen, wie sie im Urwald herrschen: Mit knorrigen, teils jahrhundertealten Eichen, wie sie in den Wäldern der Döberitzer Heide zu finden sind. Dort, hinter Spandau, findet der seltene Käfer neuerdings sein Zuhause.

Das Tier steht auf der Roten Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten, gilt als stark gefährdet und fühlt sich eigentlich in wärmeren Gefilden wohl. In den vergangenen fünf Jahre sollen die Bestände jedoch wieder zunehmen, auch in Berlin und Brandenburg. Denn die Trockenheit der letzten Jahre macht den Eichen zu schaffen und sie sterben zunehmend ab. Zuvor galt die Art in Berlin jahrzehntelang als verschollen.

Jörg Müller von der Heinz-Sielmann-Stiftung hat das Insekt kürzlich in einem Eichenhain bei Krampnitz gefunden. „Weil uralte absterbende Eichen aber nur einmal sterben können und es danach irgendwo für die nachfolgenden Generationen wieder solche Exemplare geben muss, reicht eine absterbende Eiche nicht für ihr Überleben“, sagt der Biologe.

2,8 %
der Fläche Deutschlands sind naturnaher Wald

Schon lange ist die Zeit vorbei, als Europa von Buchen- und Eichenwäldern überzogen war: Naturwälder gibt es in Deutschland nur auf 2,8 Prozent der Fläche. Doch in dem Naturschutzgebiet im Norden Potsdams findet der Rüsselkäfer mit dem wissenschaftlichen Namen Gasterocercus depressirostris gute Bedingungen vor, denn auf mehr als zwei Drittel Waldfläche stehen Eichen.

Altersschwache Stämme dürfen stehenbleiben und werden nicht aus Gründen der „Forsthygiene“ weggeräumt. So bietet das Totholz Insekten, Vögeln oder Pilzen einen Lebensraum.

Zuhause in sterbende Stämmen

Der Holzrüssler legt seine Eier unter die Rinde von absterbenden Stämmen oder starken Ästen, also in dem kurzen Zeitfenster, bevor sich die Rinde von selbst ablöst. Die Larve frisst sich kreisrund und senkrecht in das bereits morsche Holz hinein.

Im Juni und Juli schlüpft dann der bis zu zwölf Millimeter lange Käfer mit seinem charakteristisch verlängerten Kopf, an dessen Spitze sich kleine Mundwerkzeuge befinden. Vor allem in der Dämmerung und nachts fliegen die Tiere und suchen das Licht.

Die Döberitzer Heide ist eine abwechslungsreiche Landschaft, in der sich viele seltene Arten wohlfühlen, darunter Wiedehopfe, Urzeitkrebse und Rotbauchunken. Die große Artenvielfalt ist kein Zufall: Bis kurz nach der Wende flogen im Sperrgebiet noch die Granaten.

300 Jahre militärische Nutzung hat der ehemalige Truppenübungsplatz hinter sich. 1997 wurden 4500 Hektar Naturschutzgebiet. In der eingezäunten Kernzone wurden Wisente, Wildpferde und Rothirsche ausgewildert.

Seit 2014 gehört ein Großteil des Geländes der Heinz-Sielmann-Stiftung, die von dem erfolgreichen Tierfilmer Heinz Sielmann und seiner Frau Inge Sielmann als Naturschutzorganisation gegründet wurde.

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