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Stiko zu Omikron-Impfstoffen

© Illustration: Getty Images

Vor allem für Risikogruppen: Stiko will Booster mit Omikron-Impfstoffen empfehlen

Die Datenlage zur Wirkung der neuen an Omikron-Subtypen angepassten Impfstoffe ist dünn. Die Impfkommission spricht sich dennoch für ihren Einsatz bei anstehenden Auffrischungen aus.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut hat am Dienstag beschlossen, ihre Impfempfehlung gegen Covid-19 zu aktualisieren (siehe Korrektur unten). Das Gremium will zwar nichts an den empfohlenen Impfschemata für die unterschiedlichen Alters- und Risikogruppen ändern. Bei danach anstehenden Auffrischimpfungen sollten aber fortan „vorzugsweise“ die angepassten Omikron-Impfstoffe zum Einsatz kommen.

Dabei handelt es sich um bivalente, doppelt wirksame RNA-Vakzine, die sowohl auf den ursprünglich verbreiteten Wildtyp des Coronavirus Sars-Cov-2 und zusätzlich entweder den Subtyp BA.1 der Omikron-Variante oder die Subtypen BA.4 und BA.5 zugeschnitten sind.

Die Europäische Kommission hat beide Sorten angepasster Impfstoffe zugelassen, nachdem die europäische Arzneimittelbehörde EMA sie für Auffrischimpfungen von Menschen ab einem Alter von zwölf Jahren empfohlen hat.

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„Die Idee der angepassten Impfstoffe ist, eine breitere Immunantwort zu erzielen“, sagte Stiko-Mitglied Christian Bogdan in einem Pressegespräch des Science Media Centers Deutschland am Montag. Im zurückliegenden Dreivierteljahr war vor allem die Omikron-Variante des Coronavirus in Deutschland verbreitet.

Mit den angepassten Vakzinen könnten nun nach erfolgter Grundimmunisierung mit zwei herkömmlichen Impfungen Menschen geimpft werden, die noch keinen Kontakt zum Virus hatten, aber auch Menschen, die bereits infiziert waren.

Ein dreimal geimpfter immungesunder Mensch unter 60 Jahren braucht jetzt keine vierte Impfung.

Christian Bogdan, Mikrobiologische Institut am Universitätsklinikum Erlangen

„Eine Impfung gegen den Omikron-Subtyp BA.1 führt auch zu einer verbesserten Antikörperantwort gegen die Subtypen BA.4 und BA.5“, sagte Bogdan, der das Mikrobiologische Institut am Universitätsklinikum Erlangen leitet. Die angepassten Impfstoffe könnten bei Dritt- und Viertimpfungen von Gesunden zum Einsatz kommen und zudem für weitere Impfungen von Menschen mit beeinträchtigtem Immunsystem. Die allgemeine Altersuntergrenze für die Empfehlung einer vierten Impfung liegt auch mit den angepassten Vakzinen bei 60 Jahren.

Die Empfehlung der Stiko richtet sich an über 60-Jährige, die noch nicht vollständig geimpft und geboostert sind.

© Foto: dpa/Helmut Fricke

„Die Stiko-Empfehlung zu Viertimpfungen steht weiterhin“, sagte Christine Falk, Leiterin des Instituts für Transplantationsimmunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und derzeit Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung.

Demnach sollen sich über 60-Jährige sowie Menschen mit eingeschränktem Immunsystem und Menschen mit hohem Kontaktrisiko, etwa in Medizin oder Pflege Tätige, nach der Grundimmunisierung zwei Mal boostern lassen.

Empfehlung für die einen ist kein Verbot für die anderen

Jüngere Erwachsene, die vollständig geimpft sind und bereits eine Auffrischimpfung erhalten haben können sich ebenfalls impfen lassen. Die Experten sehen jedoch keinen Bedarf, der eine Empfehlung begründen würde. „Ein dreimal geimpfter immungesunder Mensch unter 60 Jahren braucht jetzt keine vierte Impfung“, sagte Bogdan.

In Deutschland sind seit dem Auftreten von Omikron bis jetzt zudem rund 26 Millionen Infektionen registriert worden. „Die Zahl kann man getrost mal zwei nehmen“, sagte Bogdan, da nicht jede Infektion registriert wurde. In Kombination mit Impfungen sorgen überstandene Infektionen für einen hybriden Immunschutz.

Bei der Infektion über den Nasen-Rachenraum wird das Immunsystem in den Schleimhäuten aktiviert. „Diese Menschen haben eine verbesserte Schleimhaut-Immunität und sind besser geschützt“, sagte Falk. Für bislang nicht infizierte und unvollständig geboosterte Menschen sei es dagegen sinnvoll, angepasste Impfstoffe zu berücksichtigen.

Für die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie ist weniger entscheidend, ob es sich dabei um an BA.1 oder an BA.4 und BA.5 angepasste Präparate handelt. In den Spikeproteinen des ursprünglichen Wildtyps des Virus und des BA.1-Subtyps unterscheiden sich dreißig Aminosäure-Bausteine. Zwischen Wildtyp und BA.4 und BA.5 mit baugleichem Spikeprotein seien es nur drei weitere. „Der große Sprung erfolgte zwischen Wildtyp und BA.1“, sagte Falk. Ein an diesen Subtyp angepasster bivalenter Impfstoff könne die Produktion neuer Antikörper auslösen, die noch besser auf das Spikeprotein kursierender Varianten passen.

Impfziel ist die Verhinderung schwerer Verläufe, nicht die von Infektionen

In Deutschland sind das nach Angaben des RKI der Omikron-Subtyp BA.5, der zuletzt bei 95 Prozent der untersuchten Fälle nachgewiesen wurde. Der Anteil von BA.4 ist im Vergleich zu den Vorwochen leicht auf drei Prozent gestiegen, der Subtyp BA.2 liegt bei einem Prozent.

Die Stiko spricht sich dafür aus, die angepassten Impfstoffe „vorzugsweise“ einzusetzen. „Das heißt aber nicht, dass die bisherigen Impfstoffe nicht weiter benutzt werden können“, sagte Bogdan. Auch diese Impfstoffe würden „nach wie vor und sehr, sehr gut“ vor schweren Infektionsverläufen auch mit der Omikron-Variante, Krankenhauseinweisungen und Tod schützen.

„Das ist die Grundforderung an die Impfstoffe und das können auch Wildtyp-Impfstoffe“, sagte Falk. Auch nicht-neutralisierende Antikörper und die zelluläre Immunantwort könnten nach Impfungen damit verhindern, dass das Virus größeren Schaden im Körper anrichtet.

Bivalente Vakzine womöglich nützlich gegen neue Varianten

Die Nutzung der bivalenten Vakzine könnte sich möglicherweise bei Auftreten neuer Subtypen der Omikron-Variante als vorteilhaft erweisen, vermutet Bogdan. Die Weltgesundheitsorganisation und die europäische Gesundheitsbehörde haben den Omikron-Subtyp BA.2.75 als „zu beobachtende Variante“ eingestuft. Die Zahl der Infektionen damit nimmt etwa in Großbritannien zu. Der Subtyp BJ.1 breitet sich derzeit in Indien aus. Auch in Deutschland könnten sich neue Viren ausbreiten.

Sars-Cov-2 (lila) nutzt Körperzellen zu seiner Vervielfältigung. Bei Kopierfehlern können Mutanten entstehen.

© NIAID

Bogdan rät jedoch davon ab, bei einem anstehenden Impftermin, etwa einer fälligen Drittimpfung eines unter 60-Jährigen Erwachsenen, die Verfügbarkeit neuer Impfstoffe abzuwarten. „Man läuft in Gefahr in der Zeit bis dahin schlecht geschützt zu sein“, sagte Bogdan. Menschen, die eine weitere Impfung brauchen, könnten dann auch schwer erkranken.

Bessere Antikörperreaktion und damit wahrscheinlich besserer Schutz

Die neue Stiko-Empfehlung, nach der sich viele Ärztinnen und Ärzte richten, beruht stärker auf den Ergebnissen im Labor durchgeführter Immunogenitätstests als auf klinischen Daten. „Das liegt auch daran, dass die Untersuchungsdauer zu kurz und die Zahl der Fälle zu gering war“, sagte Bogdan zur Erprobung der an BA.1 angepassten Impfstoffe.

Wie gut sie vor Infektionen und leichter Symptomatik schützen, sei noch nicht zu beurteilen. „Die vorliegenden Antikörperdaten gehen jedoch alle in die richtige Richtung“, sagte Bogdan. Die Antikörperantwort würde verbessert und dies sei eine wichtige Abwehrkomponente. „Es ist legitim anzunehmen, dass damit auch ein besserer Schutz einhergeht.“

Bei dem an BA.4 und BA.5 angepassten Impfstoff gebe es noch keine Daten von Menschen, sondern nur aus Tierversuchen mit Mäusen. Diese zeigten, dass das Vakzin eine Immunantwort hervorruft. „Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sie beim Menschen nicht immunogen wären“, sagte Bogdan. Doch dass der Datenmangel besteht, sei für die Stiko schwer nachvollziehbar und „ein Schwachpunkt“.

Aufgrund der Erfahrung mit den bislang verabreichten Impfstoffen ist der Immunologe jedoch zuversichtlich. „Es gibt keine anderen Impfstoffe, die in so kurzer Zeit in so hoher Anzahl verimpft wurden wie Sars-Cov-2-Impfstoffe.“ Auch die Zahl wissenschaftlicher Arbeiten zu ihrer Wirkung und möglichen Nebenwirkungen sei deutlich höher als bei anderen Vakzinen, die teilweise seit Jahrzehnten gegeben werden. „Wir laufen da nicht in ein Problem hinein“, erwartet Bogdan. Die Stiko hätte sich jedoch mehr klinische Daten zur Beurteilung der angepassten Impfstoffe gewünscht.

KORREKTUR: Die Stiko hat am Dienstag nicht wie zuvor formuliert ihre Impfempfehlung gegen Covid-19 aktualisiert, sondern einen Beschlussentwurf dazu veröffentlicht. Die Empfehlung wird erst nach einem Stellungnahmeverfahren aktualisiert.

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