zum Hauptinhalt
Jeden Tag Fieber, Muskelschwäche, Kurzatmigkeit, sieben Monate lang – so beschreibt Kate Porter aus Massachusetts ihre Long-Covid-Symptome.

© REUTERS/Brian Snyder

Das Rätseln nach der Infektion: Long-Covid hat viele Ursachen

Folgeerscheinungen nach Virusinfektionen sind nichts Neues. Sie sind nur bei jedem Erreger unterschiedlich. Das Wissen darüber hilft bei der Suche nach Ursachen und Therapien.

Eine Virusinfektion oder eine Erkrankung, das sind zweierlei. Einige Infektionen machen gar nicht krank, andere für einige Tage oder Wochen, dann ist alles überstanden. Und in manchen Fällen kommen Menschen noch Monate oder Jahre nach dem Kontakt mit einem Virus nicht wieder auf die Beine. Nach einer Ansteckung mit Sars-Cov-2 sind manche Menschen bis zu zwölf Wochen (LongCovid) oder sogar über viele Monate (PostCovid) krank. Laut einer aktuellen Erhebung in Großbritannien sind dort derzeit 1,9 Millionen Menschen betroffen, also 2,9 Prozent der Bevölkerung. Bei knapp der Hälfte begann die Leidensgeschichte vor über zwei Jahren, also noch vor den Impfungen und der Omikron-Variante; mit beidem sank das Risiko von Langzeitfolgen.

Ein Strauß von Symptomen

So unterschiedlich die Symptome von Long- und Post-Covid sind, so verschieden sind wahrscheinlich die Ursachen. Schwere Krankheitsverläufe mit langer Bettlägerigkeit machen oft eine lange Erholungsphase notwendig. Naheliegend sind auch Lungenschäden, denn die Ansteckung findet in den Atemwegen statt, und richtet dort (insbesondere durch die Reaktion des Immunsystems auf das Virus) am meisten Schaden an.

Ein großer Teil der Erkrankten leidet aber, gerade nach milder akuter Krankheit, unter Beschwerden, die man nicht direkt mit einem Atemwegsvirus in Verbindung bringen würde. Häufig ist ein chronischer Erschöpfungszustand, bekannt unter dem Namen „Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom“ (ME/CFS). Zu den Symptomen gehören Kreislaufstörungen, besonders unter Belastung, außerdem Konzentrations- und Wortfindungsstörungen oder Muskelschwäche.

In einer US-Studie aus dem Jahr 1999 etwa wurde sie bei 0,42 Prozent der erwachsenen Bevölkerung diagnostiziert – manchmal so stark, dass kein aktives Leben mehr möglich ist. Weil die Beschwerden bei ME/CFS und zumindest einem Teil der PostCovid-Fälle vergleichbar sind, wird zur Zeit angenommen, dass Gründe und Behandlungsmöglichkeiten ähnlich sind.

Vier mögliche Ursachen werden für LongCovid/Postcovid unterschieden.

  1. Eine andauernde Entzündungsreaktion, ein „Alarmzustand“, der während einer Infektion wichtig ist, auf Dauer aber dem Körper schadet.
  2. Ein andauernder Verbleib des Virus in irgendeiner Form im Körper, was wie beim ersten Punkt zur fortdauernden Aktivierung des Immunsystems beiträgt.
  3. Antikörper, die das Immunsystem in Folge der Infektion herstellt und die gegen die eigenen Organe gerichtet sind. Das muss nicht, aber kann zu Schäden führen.
  4. In Folge der Coronavirus-Infektion kann es zur Reaktivierung „schlafender“ Herpesviren im Körper kommen, insbesondere des Epstein-Barr-Virus (EBV). Das wiederum kann das „Pfeiffersche Drüsenfieber“ auslösen, mit oft monatelangen Beschwerden.

Das alles führt zu – im Prinzip – biologisch messbaren Veränderungen im Menschen. Diskutiert wird aber auch der Einfluss psychosozialer Aspekte, der Wechselwirkungen zwischen krankem Körper, Psyche, und sozialem Umfeld. Entsprechend stellt sich in der Ursachenforschung die Frage, was überhaupt im Labor bestimmt werden kann. Klar ist, dass eine begleitende Psychotherapie gerade bei chronischen Krankheiten hilfreich sein kann, um mit ihr und ihren Auswirkungen besser umgehen zu können – was sich wiederum positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken kann. Entsprechend sind psychologische Untersuchungen ein integraler Bestandteil etwa in der Greifswalder PoCoRe-Studie zur Post-Covid-Therapie.

Die Suche nach Medikamenten ist noch am Anfang. Eine Schwierigkeit ist, dass verschiedene Ursachen verschiedene Behandlungen brauchen – und diese Ursachen in jedem einzelnen Fall bestimmt werden müssten. Das braucht eine Diagnostik, die erst noch entwickelt werden muss. Trotzdem werden nun etwa Medikamente getestet, die das Immunsystem dämpfen oder verbliebenes Virus stoppen. Auch wenn weltweit sehr intensiv daran gearbeitet und geforscht wird: Bis es verlässliche Therapien gibt, kann es noch viele Monate bis Jahre dauern.

Nicht jede Therapie passt für jeden

Nichtsdestotrotz gibt es immer wieder Meldungen von erfolgreichen Behandlungen – bei deren Beurteilung kommt es darauf an, wie viele Menschen behandelt wurden, ob es eine Kontrollgruppe gab. Und angesichts der verschiedenen möglichen Ursachen von Long-Covid/Post-Covid gilt: was für eine Gruppe von Fällen passt, muss bei anderen nicht sinnvoll sein.

Das klingt ernüchternd. Dennoch gibt es an sehr vielen Orten, etwa der Charité Berlin, spezialisierte Long-Covid/Post-Covid-Sprechstunden, in denen Betroffenen versucht wird zu helfen. Und weltweit, inklusive Deutschland, laufen Hunderte von Forschungsprojekte, um Ursachen und Therapien zu ergründen – und dieses große Gesundheitsproblem zu lösen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false