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Löwen sehen vielleicht furchterregender aus, als sie sich anhören.

© Daniel Rosengren

Akustik der Angst: Menschenstimmen lassen Savannentiere flüchten

Tonaufnahmen von Raubtieren lassen auch große Savannentiere in Afrika aufhorchen und viele Reißaus nehmen. Eine Studie zeigt, dass nicht Löwen die stärksten Reaktionen hervorrufen.

Von Alice Lanzke, dpa

Der südafrikanische Kruger-Nationalpark beheimatet eine der größten Löwenpopulationen weltweit. Doch trotz der starken Präsenz der Raubkatzen haben viele andere im Schutzgebiet lebende Säugetiere deutlich mehr Angst vor menschlichen Stimmen, Hundegebell oder dem Geräusch von Schüssen als vor Löwengeräuschen. Das ist das Ergebnis einer Studie, für die eine nordamerikanische Forschungsgruppe Kamerafallen und Lautsprecher im Park verteilte.

„Normalerweise denken wir, dass sich die großen Raubtiere an der Spitze der Nahrungskette befinden“, wird Erstautorin Liana Zanette von der kanadischen Western University in einer Mitteilung zu der im Fachblatt „Current Biology“ veröffentlichten Studie zitiert. „Aber was uns interessiert, ist die einzigartige Ökologie des Menschen als Raubtier in diesem System, denn der Mensch ist extrem tödlich.“

Die Löwen-Hypothese

Ko-Autor Michael Clinchy ergänzt, dass Säugetiere normalerweise nicht an Krankheiten oder Hunger sterben. „Derjenige, der dein Leben beendet, ist ein Raubtier, und je größer du bist, desto größer ist das Raubtier, das dir den Garaus macht.“ Löwen seien die größten in Gruppen jagenden Raubtiere auf dem Planeten und sollten daher auch die furchterregendsten sein.

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Um herauszufinden, wer mehr Angst auslöst, stellte das Forschungsteam an 21 Wasserlöchern im Kruger-Nationalpark eine Kombination aus Kamerafallen und Lautsprechern auf. Löwen und auch Menschen, die legal oder illegal im Park jagen, töten ihre Beute oft in der Nähe von Wasserlöchern. Die Biologinnen und Biologen untersuchten dann, wie 19 Säugetierarten auf eine Reihe von Audioaufnahmen reagierten, zu denen Laute von Menschen und Löwen gehörten sowie bellende Hunde und Schüsse.

Bewegungssensoren lösten das Abspielen der Geräusche und Videoaufnahmen mit einer Kamera aus, wenn sich Tiere im Sichtfeld aufhielten.
Bewegungssensoren lösten das Abspielen der Geräusche und Videoaufnahmen mit einer Kamera aus, wenn sich Tiere im Sichtfeld aufhielten.

© Western University/Liana Zanette

Hundegebell und Gewehrschüsse wurden verwendet, da sie mit der Jagd durch Menschen verbunden sind. Und die Löwenstimmen sollten die Anwesenheit der Raubkatzen signalisieren. „Das Wichtigste ist, dass die Löwenlaute ein Knurren und Fauchen zeigen, sozusagen ein Gespräch, kein gegenseitiges Anbrüllen“, erläutert Michael Clinchy. Auf diese Weise seien die Löwenlaute direkt mit denen von Menschen vergleichbar, die sich unterhalten.

15.000 Clips

Am Ende der über sechs Wochen während der Trockenzeit durchgeführten Studie hatte die Gruppe rund 15.000 Videos zu sichten, die zeigten, wie Tiere auf die unterschiedlichen Aufnahmen reagierten. „Wir haben die Kamera in eine Bärenbox gestellt, nicht, weil es in Südafrika Bären gibt, sondern wegen der Hyänen und Leoparden, die sie gerne anknabbern“, sagt Zanette. Eine berechtigte Vorsichtsmaßnahme: So zeigt eines der Videos einen Elefanten, den eine Löwenaufnahme so wütend machte, dass er das System zerstörte.

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Wie die Analyse der Clips ergab, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Tiere bei Menschenstimmen Reißaus nehmen und Wasserlöcher verlassen, insgesamt doppelt so hoch wie bei Löwen- oder Jagdgeräuschen. Knapp 95 Prozent der Tierarten – darunter Giraffen, Leoparden, Hyänen, Zebras, Kudus, Warzenschweine, Impalas, Elefanten und Nashörner – rannten häufiger weg oder verließen Wasserlöcher schneller, wenn sie Menschen hörten, als wenn sie Löwen hörten.

Es gab weitere Reaktionen: Das Team beobachtete, dass Elefanten bei Löwengeräuschen in mehreren Fällen aufeinander zu rannten, um sich zu einer Gruppe zusammenzuschließen und sich gemeinsam der Geräuschquelle zu nähern. Dies passe zu früheren Beobachtungen, denen zufolge Elefanten sich oft kooperativ gegen Löwen verteidigen.

Bei Menschengeräuschen wurde ein solches Verhalten nicht aufgezeichnet. „Obwohl Löwen junge Elefanten töten können, sind erwachsene Elefanten in der Lage, sich wirksam gegen Löwen zu verteidigen, während dies bei Angriffen durch Menschen nicht der Fall ist“, heißt es in der Studie. Anstatt zu versuchen, sich zu verteidigen, hätten sich die Elefanten deutlich schneller von der Wasserstelle zurückgezogen, wenn sie Menschen hörten.

„Todesangst vor dem Menschen“

„Es gibt die Vorstellung, dass sich Tiere an den Menschen gewöhnen, wenn sie nicht gejagt werden, aber wir haben gezeigt, dass das nicht der Fall ist“, fasst Clinchy zusammen. „Die Angst vor dem Menschen ist tief verwurzelt und allgegenwärtig, deshalb müssen wir uns aus Tierschutzgründen ernsthaft damit auseinandersetzen.“

Als Nächstes will das Team untersuchen, ob seine entwickelten Soundsysteme helfen könnten, gefährdete Tierarten wie das Südliche Breitmaulnashorn gezielt von bekannten Wildereigebieten in Südafrika wegzulenken. Schon jetzt gelinge es, Nashörner durch den Einsatz menschlicher Stimmen von bestimmten Gebieten fernzuhalten.

„Ich denke, die weit verbreitete Angst in der Gemeinschaft der Savannensäugetiere ist ein echter Beweis für den Einfluss des Menschen auf die Umwelt“, sagt Erstautorin Zanette. Dieser Einfluss drücke sich nicht nur durch den Verlust von Lebensraum, den Klimawandel und das Artensterben aus, was alles wichtige Themen seien, so die Biologin. „Aber allein unsere Anwesenheit in der Landschaft ist ein so starkes Signal, dass die Tiere darauf reagieren. Sie haben eine Todesangst vor dem Menschen – viel mehr als vor jedem anderen Raubtier.“

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