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Alles dicht: Wegen Corona waren Restaurants mehrere Monate lang geschlossen, auch in Berlin.

© Annette Riedl/dpa

Bundesgerichtshof fällt Grundsatzurteil gegen Gastwirt: Versicherer müssen nicht für Lockdown zahlen

Viele Gastronomen hatten sich mit einer Versicherung gegen Betriebsschließungen abgesichert. Doch für Corona haftet die nicht, entschied der BGH.

Marco Ceccaroli hatte es schon geahnt. Seine Chancen, gegen den Versicherer Axa vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zu gewinnen, hatte der Gastronom schon vor dem Urteilsspruch als „nicht so gut“ eingeschätzt, wie der 53-Jährige der Nachrichtenagentur dpa verraten hatte.

Seine Befürchtungen bestätigten sich am Mittwoch: Der BGH lehnte die Klage des Restaurantbetreibers, der seine Betriebsschließungsversicherung für die Corona bedingten Schließungen seines Lokals in Anspruch nehmen wollte, ab. Der Grund: Covid-19 war in der Versicherungsliste der Krankheitserreger nicht enthalten. Der Versicherungsnehmer habe nicht erwarten können, dass die Axa bei allen Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz zahle, die ihn zur Schließung zwingen. Denn sonst würde eine Auflistung der konkreten Krankheitserreger in den Versicherungsbedingungen „keinen Sinn machen“, sagte die Vorsitzende Richterin Barbara Mayen bei der Urteilsverkündung (Az: IV ZR 144/21).

Marco Ceccaroli hatte vor dem BGH geklagt.

© Axel Heimken/dpa

Das Urteil ist eine große Enttäuschung für viele Gastronomen und Hoteliers, die gehofft hatten, sich über ihre Versicherung für die wiederholten Lockdowns schadlos halten zu können. Ceccarolis Fall war ein Pilotverfahren mit grundsätzlicher Bedeutung, obwohl der BGH noch über ähnliche Klauseln anderer Versicherer entscheiden muss. Beim höchsten deutschen Zivilgericht sind 160 Klagen zu Betriebsschließungsversicherungen in der Corona-Pandemie anhängig, in unteren Instanzen sind es noch weit mehr.

Wann die Versicherung zahlt

Die Betriebsschließungsversicherung springt ein, wenn etwa Salmonellen oder Noroviren dazu führen, dass eine Eisdiele, ein Lebensmittelhersteller oder eine Restaurant schließen müssen. Die Versicherung ersetzt die entgangenen Einnahmen und übernimmt die fortlaufenden Kosten für Miete und Lohn. Die meisten Versicherer verwenden Klauseln, in denen aufgelistet wird, bei welchen Erregern gehaftet wird. Das Problem: Das damals neuartige Covid-19-Virus oder Sars-CoV-2 tauchten in den Versicherungsbedingungen nicht auf, auch im Vertrag von Marco Ceccaroli nicht. Dennoch hatte er auf einen Ausgleich durch die Axa gehofft. „Ich als Laie verstehe das so, dass ich im Fall der Fälle abgesichert bin“, sagte der Kläger.

Der Wirt musste zwei Mal schließen

Der Fall der Fälle trat für ihn gleich zwei Mal ein. Im März 2020 musste er sein Restaurant „Bellavista“ im Ostsee-Ferienort Travemünde wegen des Corona-Lockdowns für zwei Monate schließen, im November musste das „Bellavista“ für weitere fünf Monate dicht machen. Ceccaroli wollte 40.000 Euro von der Axa, eine Zahlung von 7000 Euro lehnte er ab. Stattdessen ging er vor Gericht. Schon in den ersten beiden Instanzen hatte er aber keinen Erfolg.

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Das ist kein Einzelfall. Nach Angaben des Versicherungsverbands GDV sind fast alle Verfahren bislang zugunsten der Versicherer entschieden worden. In 90 Prozent der 470 erstinstanzlichen Urteile und in 95 Prozent der 133 Berufungsverfahren setzten sich die Versicherungsgesellschaften durch. Dennoch gab es Unternehmen, die – zumindest einen Teil der Versicherungssumme – zahlten. Einige verglichen sich außergerichtlich. Das bayerische Wirtschaftsministerium hatte einen Kompromiss durchgesetzt, wonach zehn bis 15 Prozent der Tagessätze überwiesen werden sollten.

Versicherungsbedingungen haben sich inzwischen geändert

Insgesamt haben die Versicherer nach GDV-Angaben in den beiden vergangenen Jahren eine Milliarde Euro für Schäden aus der Betriebsversicherung gezahlt. Angesichts von jährlichen Beitragseinnahmen, die bei gerade einmal 26 Millionen Euro liegen, ist das ein eher schlechtes Geschäft. Inzwischen sind die Muster-Versicherungsbedingungen geändert: Seit Dezember 2020 ist eine Haftung der Versicherer für Betriebsschließungen als Folge von behördlichen Allgemeinverfügung ausgeschlossen. Auch Ceccaroli hat einen neuen Vertrag, in dem Pandemien nicht versichert sind.

Klage abgewiesen: Barbara Mayen, Vorsitzende des Vierten Zivilsenat beim Bundesgerichtshof (BGH).

© Uli Deck/dpa

Dass auch für Altfälle nicht gezahlt werden muss, kommt beim Versicherungsverband erwartbarerweise gut an. Zwar könne man die Enttäuschung von Gastronomen und Hoteliers verstehen, wenn Versicherer Zahlungen ablehnen, räumte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen am Mittwoch ein. „Versicherer können aber nur das bezahlen, was versichert ist“, meint Asmussen.

Das sieht auch der BGH so. Schließlich sei es im beiderseitigen Interesse, dass der Versicherer nicht bei jedem Infektionsgeschehen leisten müsse, da die Prämien sonst viel höher ausfallen müssten und die Versicherer vor unkalkulierbaren Risiken stünden, betonte der vierte Zivilsenat.

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Marco Ceccaroli dürfte die Niederlage wohl verkraften können. Der Gastronom hat inzwischen staatliche Hilfen bekommen. Zudem hat er vom Deutschlandboom im Tourismus profitiert. „Wir hatten die letzten beiden Jahre unglaublich gute Sommer“, sagt er. Doch bei Kollegen in anderen Regionen Deutschland sehe das anders aus.

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