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Arme Schweine: Im Schnitt sind 40 Prozent der Tiere krank.

© pa/Andreas Franke

Kranke Schweine, Kühe, Hühner: Bio-Höfe sind nicht besser

Fast die Hälfte aller Nutztiere ist krank, zeigt eine Foodwatch-Studie. Die Bio-Branche schneidet nicht besser ab. Label wiegen Verbraucher in falscher Sicherheit.

Es sind erschreckende Zahlen, die die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch zusammengestellt hat. Knapp 40 Prozent aller Schweine in Deutschland haben Lungenentzündungen, offene Wunden oder Abszesse. Bis zu 39 Prozent aller Milchkühe leiden an schmerzhaften Erkrankungen der Klauen. Und 97 Prozent aller Hühner weisen Knochenbrüche auf, weil ihnen die ständige Eierproduktion Kalk entzieht. Das sind Zahlen aus der konventionelle Landwirtschaft.

Doch wer meint, mit dem Kauf von Bio-Produkten sei das Problem gelöst, irrt: Auch 35 Prozent der Bio-Schweine sind krank. Bei jeder zweiten Milchkuh in einem Bio-Stall werden Euterentzündungen festgestellt, und Knochenbrüche kommen bei Bio-Hühnern genauso häufig vor wie in der Käfighaltung, heißt es im Foodwatch-Report „Tierleid im Einkaufskorb“, den die Verbraucherschützer am Dienstag in Berlin vorgestellt haben.

Für den Bericht hat Foodwatch wissenschaftliche Studien der vergangenen Jahre ausgewertet. „Schmerzen und Leid finden täglich in den Ställen statt“, kritisiert Albert Sundrum, ehemaliger Leiter des Fachgebiets Tierernährung und Tiergesundheit an der Universität Kassel. Das komme in großen wie in kleinen Betrieben vor, in der konventionellen Tierhaltung wie auf Bio-Höfen.

97
Prozent der Hühner haben Knochenbrüche

Öko ist nicht besser

„Öko ist nicht besser“, sagt Sundrum, „die Haltungsform ist für die Frage der Erkrankungen nicht relevant“. Für gesunde Tiere spiele die Haltung natürlich eine Rolle, für kranke aber nicht. „Für kranke Tiere gibt es kein Tierwohl“, betont der Wissenschaftler. Wie gut ein Betrieb dasteht, ist eine Frage des Einzelfalls. Verallgemeinerungen seien nicht möglich.

Labels täuschen Verbraucher

Labels würden jedoch einen anderen Eindruck erwecken, betont Annemarie Botzki von Foodwatch, die den Report verfasst hat. Die von Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) geplante verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung hält sie für Verbrauchertäuschung. Denn die Größe der Ställe sage nichts über den Gesundheitszustand der Tiere aus.

Wer im Supermarkt Fleisch aus Bio- oder Auslaufhaltung kaufe, verbinde damit die Hoffnung, dass die Tiere besser gelebt haben und gesünder waren. Doch die tatsächlichen Daten seien „erschreckend“, sagt Botzki. Neben den wissenschaftlichen Studien gibt es auch Daten von Tierärzten und Schlachthöfen, die die angelieferten Tiere untersuchen. Tatsächlich ist die Lage wohl noch schlechter als die Zahlen zeigen: 13 Millionen Schweine sind so krank, dass sie es gar nicht erst bis zum Schlachthof schaffen.

Nur wenn der Verbraucherschutz gefährdet ist oder Seuchengefahr besteht, passiert etwas, sagt Sundrum. Doch in aller Regel werden Fleisch und Milch der kranken Tiere ganz normal vermarktet. „Es gibt beim Fleisch keinen sensorischen Unterschied, ob das Tiere eine Lungenentzündung hat oder nicht“, weiß der Experte. Veterinärämter täten sich schwer. Und wenn eingeschritten wird, fallen am Ende meist milde Urteile. Für die Tiergesundheit gebe es bislang keine gesetzlichen Vorgaben.

Im Koalitionsvertrag hat die Ampel-Koalition jedoch vereinbart, das zu ändern. Eine Tiergesundheitsstrategie soll erarbeitet und eine umfassende Datenbank eingerichtet werden, hatten SPD, Grüne und FDP beschlossen. Foodwatch mahnt das jetzt an. Der Gesundheitszustand der Tiere müsse für jeden Betrieb erfasst werden. Aus den Daten müsse ein überbetrieblicher Gesundheitsindex erstellt werden, so dass sich die Betriebe einordnen und messen können. Für schlechte Tierhalter sollten Subventionen gekürzt werden, gute sollten dagegen mehr Geld für das Fleisch ihrer Tiere, die Milch oder die Eier bekommen.

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