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Der private Verbrauch ist rückläufig im kommenden Jahr. Das belastet die Konjunktur ebenso wie der schrumpfende Export.

© dpa/David Inderlied

Die Wirtschaft ist widerstandsfähig: Rezession nicht so schlimm wie befürchtet

Prognose des IMK geht nur noch von minus 0,3 Prozent aus im kommenden Jahr. Die staatlichen Hilfen wirken, trotzdem sinkt der private Konsum.

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Der Anstieg der Energiepreise, deutlich höhere Kosten für Lebensmittel sowie Lieferengpässe würgen die Konjunktur ab und führen zu einer Winterrezession. Das ist seit längerem bekannt, doch inzwischen gibt es zunehmend Hinweise, dass die Krise nicht so schlimm wird wie befürchtet. „Gemessen an den enormen Herausforderungen zeigt sich die deutsche Wirtschaft robust – auch, weil die massive staatliche Entlastungspolitik in der Bundesrepublik und anderen EU-Ländern Wirkung zeigt“, schreibt das Wirtschaftsinstitut IMK der Böckler-Stiftung in einer neuen Konjunkturprognose.

Wegen der Energiepreisbremsen werde der private Konsum im kommenden Jahr nicht so stark einbrechen wie gedacht, aber immer noch um 1,3 Prozent geringer ausfallen als 2022. In der Folge sinkt das Bruttosozialprodukt um 0,3 Prozent, nachdem es in diesem Jahr voraussichtlich ein Wachstum um 1,8 Prozent gibt. Alles in allem korrigierte das IMK seine Prognose nach oben. Im September waren die Ökonomen von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung 2023 um ein Prozent ausgegangen. Der Sachverständigenrat erwartet für dieses Jahr ein Wachstum um 1,7 Prozent und im kommenden Jahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent.

Negative Entwicklung auf dem Bau

Eine überdurchschnittlich negative Entwicklung sieht das IMK auf dem Bau. Höhere Kosten und steigende Zinsen lassen demnach die Bauinvestitionen im kommenden Jahr um 5,2 Prozent sinken. Dagegen bleibt die Lage auf dem Arbeitsmarkt „relativ stabil“. Nach Einschätzung des Instituts sinkt die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt 2022 moderat und wird 2023 trotz eines leichten Anstiegs noch geringfügig unter dem Wert von 2021 bleiben. In diesem Jahr werden durchschnittlich 2,42 Millionen Personen arbeitslos gewesen sein, das entspricht einer Quote von 5,3 Prozent. 2023 dürften es dann 2,58 Millionen sein und die Quote auf 5,7 Prozent steigen. In Kurzarbeit befinden sich nach 467.000 Beschäftigten im Jahresdurchschnitt 2022 im kommenden Jahr 472.000 Personen.  

Die Ökonomen des gewerkschaftlich orientierten IMK loben die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung. Wenn man die staatlichen Krisenausgaben ins Verhältnis zum jeweiligen Sozialprodukt setze, „fallen sie hierzulande ähnlich hoch aus wie in Frankreich, Italien oder Spanien“, schreibt das IMK. Auch dass die Bundesregierung die Regelungen für einen erleichterten Zugang und eine längere Bezugsdauer von Kurzarbeitsgeld bis Juni 2023 verlängert hat, befürworten die Ökonomen. „Das Zusammenspiel von betrieblichen, tariflichen und staatlichen Maßnahmen hat erneut – nach Finanzkrise und Pandemie – einen härteren Wirtschaftseinbruch abgewendet“, meint IMK-Direktor Sebastian Dullien.

Kritik an der EZB

Skeptisch bewertet das IMK hingegen weitere deutliche Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Dadurch könnte „die Rezession merklich verschärft“ werden. Einen allzu forschen Kurs der EZB zählen die Gewerkschaftsökonomen daher zu den „Abwärtsrisiken“, die den leicht verbesserten Wirtschaftsausblick konterkarieren könnten – ebenso wie eine Eskalation des Ukraine-Krieges oder neue heftige Corona-Wellen.

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Für die Weltwirtschaft wird ein Wachstum von 2,7 Prozent (2022: 3,0 Prozent) erwartet. Die Lieferprobleme bei Vorprodukten dürften sich Schritt für Schritt lösen, „so dass wichtige Industriezweige wie die Automobilindustrie ihren nach wie vor hohen Auftragsbestand verstärkt abarbeiten können“. Trotz der guten Auftragslage laufe der Export 2023 schwach, da von wichtigen Handelspartnern „nur wenig Impulse kommen“. In den USA schwäche sich das Wachstum auf 1,9 Prozent im Jahresmittel 2022 und auf 0,7 Prozent im kommenden Jahr ab. Für die Wirtschaft im Euroraum veranschlagt das IMK 2022 ein Wachstum von 3,3 Prozent, 2023 hingegen nur von 0,5 Prozent. In der Folge schrumpfen die Exporte 2023 um 0,5 Prozent nach einem Plus von 2,3 Prozent in diesem Jahr.

Haushaltsdefizit steigt auf 3,2 Prozent

„Die Steuereinnahmen entwickeln sich etwas schwächer“, schreibt das IMK über die öffentlichen Finanzen. Zugleich setzt der Staat zur Krisenbekämpfung viel Geld ein, ferner zur Flüchtlingsaufnahme und für höhere Verteidigungsausgaben. Nach 3,7 Prozent im Coronajahr 2021 ergibt sich für 2022 ein Haushaltsdefizit von 1,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. Für 2023 prognostiziert das IMK ein Defizit von 3,2 Prozent.

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