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Wirtschaft: Aktienoptionen sind out: Die Leute wollen wieder Bargeld sehen

Carl Rosenzweig nahm 15-Stunden-Tage in Kauf. Er riskierte eine langjährige Beziehung, als er von Chicago nach San Francisco zog, und nicht einmal die 30 000 Dollar, um die sein Gehalt mit dem neuen Job in einem Start-up-Unternehmen schrumpfte, hielten ihn ab.

Carl Rosenzweig nahm 15-Stunden-Tage in Kauf. Er riskierte eine langjährige Beziehung, als er von Chicago nach San Francisco zog, und nicht einmal die 30 000 Dollar, um die sein Gehalt mit dem neuen Job in einem Start-up-Unternehmen schrumpfte, hielten ihn ab. "Ich war wie besessen von der Idee, viel Geld zu machen und mich mit Mitte 40 zur Ruhe zu setzen", gibt der Marketing-Mann zu. Sein Traum basierte auf Aktienoptionen in einem Unternehmen, das vor zwei Monaten die Segel strich. Mit der Pleite sind seine Optionen ebenfalls perdu. Joan Kruckewitt besitzt zwar keine Aktienoptionen, aber auch sie weiß, dass ihr Job bei Xerox auf der Kippe steht. Vor einem Jahr noch hätte sie bei einem Start-up angeheuert, nun jedoch sucht die 42jährige einen Job bei einer "Firma, die mehr als nur einen Businessplan vorzuweisen hat".

Von Dot-com zu Dot-gone. Im vergangenen Jahr machten in den USA 210 Internet-Unternehmen - mehr als die Hälfte davon im E-Commerce tätig - dicht. Im kalifornischen Silicon Valley selbst wurden durch den Börsencrash Vermögenswerte in dreistelliger Milliardenhöhe zerstört. Nach einer fast dreijährigen Hausse kehrte schlagartig Ernüchterung bei den Arbeitnehmern der New Economy ein. Wenn bislang auch "nur" 1,5 Prozent der rund 2,3 Millionen Arbeitsplätze in der Internet-Industry verloren gingen, sehen Beobachter dennoch eine Trendwende bei der Bereitschaft von Mitarbeitern, allein auf luftige Versprechungen und eine Handvoll Optionsscheine zu setzen. "Es war billig, auf diese Weise, die Leute zu bezahlen", meint Faye Landes, eine Internet-Analystin, "und die Leute haben sich von diesem Traum des Entrepreneurs verführen lassen. Aber jetzt wollen sie wieder Bargeld sehen".

Und nicht nur der einfache Arbeitnehmer, auch die CEOs schätzen wieder Cash. In den vergangenen Monaten bezahlte selbst der unter Druck geratene Online-Buchhändler Amazon dem Chef der Finanzabteilung und dem Vize-Präsidenten für Operations einen Bonus von jeweils einer Million Dollar in "Anerkennung Ihrer Leistungen". Auch Priceline, dessen hochfliegender Aktienkurs auf den Boden der Tatsachen zurückkehrte, musste ein Kompensationspaket schnüren, um führende Arbeitskräfte zu halten. Ein Teufelskreis, nach Meinung von Mike Blodget von Merrill Lynch, denn es reduziert nicht nur die Geldreserven von Unternehmen, es dezimiert auch den Profit und bringt den Aktienkurs weiter unter Druck. Nicht jeder, der auf einem Haufen wertloser Optionen sitzt, hakt dies jedoch als Erfahrung fürs Leben ab. In einem Land, in dem Eigenverantwortung mehr und mehr zu einem Fremdwort wird und jeder auf Teufel-komm-raus prozessiert, werden auch Aktienoptionen zum Streitobjekt. Erst recht seit diese nicht mehr nur Führungskräften angeboten werden.

Wegen Optionen vor Gericht

Zehn Millionen Arbeitnehmer verfügen inzwischen in den USA über Optionen. So soll im Februar die Klage von 1000 ehemaligen Arbeitnehmern von Qualcomm vor Gericht entschieden werden. Sie reklamieren, dass ihnen Gewinne in Höhe von mehr als 500 Millionen Dollar vorenthalten wurden, nachdem Qualcomm einen Teil des Unternehmens an Ericcson verkaufte.

"Wir sehen eindeutig mehr Klagen von Leuten, die glauben, dass man sie übers Ohr gehauen hat", meint Anwalt Alan Exelrod, der im vergangenen Jahr eine 2,6 Millionen teuere Entschädigung für eine ehemalige Managerin von Oracle erstritt.

Den Missmut der Arbeitnehmer machen sich auch die Gewerkschaften zunutze, die bislang kaum einen Fuss in die Tür der New Economy bekamen. Die United Food and Commercial Workers sowie die Communikations Worker of America starteten ein Kampagne, um die rund 5400 Angestellten bei Amazon.com gewerkschaftlich zu organisieren. Sie verlangen mehr Jobsicherheit, eine bessere Bezahlung und ein Ende der verordneten Überstunden.

Das sind Forderungen, die den Marketing-Mann Carl Rosenzweig derzeit kaum interessieren. Er besuchte im Dezember die erste Pinkslip-Party in San Francisco, wo die Opfer von "pink slips" (Entlassungen) ihre Wunden lecken und gleichzeitig nach einem neuen Job Ausschau halten. Das Ergebnis war frustrierend. "Zu viel Nachfrage, zu wenig Angebot", sagt er und bemüht sich, nicht allzu pessimistisch zu klingen. "Ich finde einen Job. Vielleicht nicht unbedingt hier, vielleicht bei einem etablierten Unternehmen, aber eines ist klar: Ich schaue mir den Laden das nächste Mal genauer an."

Der Optimismus ist nicht gänzlich fehl am Platz. Im Silicon Valley, das rund zwei Millionen Menschen beherbergt, ist der Bedarf an Professionals in der Internet-Branche weiterhin gross. Erst recht, wenn diese ihre Erfahrungen in der Old Economy mit den Erfordernisse der New Economy kombinieren können.

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