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Verein in Wandlitz ausgezeichnet : „Herzenssache“ näht Kleidung für Frühchen und Sternenkinder

Sie nähen das erste und manchmal auch letzte Kleidungsstück eines Kindes. Dafür wurden sie nun von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgezeichnet. 

Von Silvia Passow

Als Dana Waschinsky-Wolff zur Einweihung des Gedenksteines für Sternenkinder auf dem Friedhof Schönwalde in Wandlitz (Barnim) geht, ahnt sie es nicht. Nur wenige Monate später wird sie ein Blatt an den Stein anbringen. Darauf der Name ihres totgeborenen Kindes: Fritzchen. Metallene Blätter als Erinnerung an das verlorene Leben, manchmal stehen Namen oder ein Datum drauf.

Drei Kinder haben Waschinsky-Wolff und ihr Mann, zwei Jungen und Fritzchen. „Manche Eltern haben kein Kind an der Hand, aber im Herzen“, sagt sie. Und das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Denn bis vor ungefähr dreißig Jahren waren Fehl- und Totgeburten etwas, worüber man nicht spricht. Weggewischt mit Sätzen wie „das passiert vielen Frauen“ oder „beim nächsten Mal wird es klappen“. Abschied vom Kind, oder gar eine Bestattung war nur für lebend geborene Kinder vorgesehen.

Jedes Kleidungsstück ist ein Unikat.

© Silvia Passow

Heute bietet fast jedes Krankenhaus Sammelbestattungen für tot geborene Kinder an. Und: Eltern dürfen Abschied nehmen, dürfen ihr Kind halten, Fußabdrücke aus Gips machen, ihr Kind anziehen und fotografieren. Die Mitglieder des Vereins Herzenssache nähen Baby-Bodys, Hemdchen und Kleidchen für die Sternenkinder. Der Verein hat Kontakt zu professionellen Fotografen, die kostenlos für eine letzte Erinnerung sorgen. Und es gibt die Gedenkstätte auf dem Friedhof Schönwalde, an der Sterneneltern einen Ort zum Andenken an ihr Kind finden.

An Größe der Kinder angepasste Kleidung

Besonders kleine Kleidung, für besonders kleine Kinder, an die Gegebenheiten im Inkubator angepasst, auch das nähen die Vereinsmitglieder. Und wieder gab Waschinsky-Wolffs eigene Erfahrung den Ausschlag.

Max kam pünktlich, war mit 2200 Gramm aber zu leicht. An Geräte angeschlossen und in Tücher gewickelt, wirkte er unglaublich zerbrechlich. „Seine Haut war durchscheinend, man konnte die blauen Adern sehen. Er sah so unfertig aus, ich hatte Angst, er würde kaputtgehen, wenn ich ihn auf den Arm nehme“, berichtet die Mutter. Dann wurde der Winzling gebadet und bekam extra kleine Kleidung. „Die saß fest, jetzt konnte ich ihn ohne Angst hochnehmen“, erinnert sie sich zurück.

Bisher war das Nähen für die Angestellte ein Hobby. Wieder zu Hause wurde es zur Mission. Waschinsky-Wolff nähte nicht nur, sie suchte Kontakt zu den Kliniken, fragte, ob sie für sie nähen könne und was genau sie brauchen. Allein über Facebook berichtete sie vom Nähen für die Kleinsten und bekam sofort Unterstützung. „Das wurde zum Selbstläufer“, sagt sie. Spenden, Anfragen zum Mitmachen, es dauerte nicht lange und aus dem Hobby wurde 2016 der Verein „Herzenssache - nähen für Sternchen & Frühchen e.V.“ 1300 Unterstützende hat der Verein jetzt, davon 470 Mitglieder.

Selten Kleidung für Frühchen im Handel

765.636 Kinder wurden 2020 in Deutschland geboren. Rund 61.000 davon kamen als Frühchen, also vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche, zur Welt, so der Bundesverband „Das frühgeborene Kind“. Für diese sehr kleinen Kinder hält der Handel nur in wenigen Fällen Kleidung vor. 235 Kliniken in ganz Deutschland beliefert der Verein mit Kleidung für Sternenkinder und Frühchen. Es gibt Start-Sets, die die Kliniken mit nach Hause geben können. Im letzten Jahr hat der Verein 44.000 Einzelteile ausgeliefert.

Letzten Dienstag gewann der Verein Herzenssache als einziger aus Brandenburg den „startsocial“-Wettbewerb 2022/23. Als Schirmherr übergab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Urkunde. Seit 2001 können Vereine sich für „startsocial“ bewerben und ein viermonatiges Beratungsstipendium gewinnen. Der Sonderpreis ging an den Berliner Verein „Kopfsachen“.

Der Gedenkort für die Sternenkinder auf dem Friedhof Schönwalde in Wandlitz.

© Silvia Passow

Die Gedenkstätte für Sternenkinder besucht Waschinsky-Wolff regelmäßig, manchmal ist Max dabei. Einmal traf sie dort eine betagte Frau, die fragte, worum es sich bei dem hellen Stein handle. Waschinsky-Wolff erklärte und die Frau begann zu weinen und erzählte. Auch sie sei Sternenmutter und die Trauer begleite sie bis heute. Für Heidi und Helmut hat sie jetzt in Wandlitz einen Ort der Erinnerung.

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