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Demonstrierende unweit des Reichstages.

© Paul Zinken/dpa

Unzufriedenheit der Deutschen wächst: Hohe Politikverdrossenheit vor allem im Osten

Der „Deutschland-Monitor“ zeigt einen gleichmäßigen Abfall in ganz Deutschland. Die Ergebnisse sind Teil eines Berichts, den der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), in der kommenden Woche im Kabinett präsentieren wird.  

Coronakrise, Energie-Krise, Inflation, Krieg in der Ukraine - die vielen anderen Krisenherde auf der Welt noch außen vorgelassen. Die Zeiten sind so unsicher wie lange nicht, und das schlägt sich in der Zufriedenheit mit der hiesigen Politik nieder: Die Zustimmung sinkt, besonders niedrig ist sie in den ostdeutschen Bundesländern.

Das geht aus dem sogenannten „Deutschland Monitor“ hervor. Die Ergebnisse sind Teil eines Berichts, den Carsten Schneider (SPD), der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, in der kommenden Woche im Kabinett präsentieren wird.

Für den „Deutschland Monitor“ sind 4.000 Menschen in Ost und West befragt worden

Für diesen hat die Info GmbH zwischen Juli und August 4.000 Teilnehmer:innen in Ost und West befragt. Nur noch 31 Prozent der Menschen im Osten sind mit der politischen Situation zufrieden. Das ist ein Rückgang um neun Prozentpunkte gegenüber 2020. Im Westen hingegen liegt die Zufriedenheit bei 44 Prozent, ein Rückgang von zehn Prozentpunkten.

Vor allem mit der Politik im Bund sind die Menschen unzufrieden. 2020 waren noch 42 Prozent der Befragten mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden. Dieser Anteil ist nun auf 26 Prozent gesunken. 

Auch mit der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland ist nur eine Minderheit von 23 Prozent im Osten und 33 Prozent im Westen (eher) zufrieden.

Nur 23 Prozent der Ostdeutschen sind mit der sozialen Gerechtigkeit zufrieden

Mit der Demokratie, so wie sie in Deutschland funktioniert, sind 59 Prozent der Westdeutschen, aber nur 39 Prozent der Ostdeutschen zufrieden. Konstant 63 beziehungsweise 61 Prozent der Ost- und Westdeutschen geben an, dass „wir endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl“ haben sollten.

63 Prozent der Ostdeutschen sind der Auffassung, häufig als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden. Das klingt sehr viel, stellt jedoch einen Rückgang um drei Prozentpunkte gegenüber 2020 dar - und kann damit als ein positives Ergebnis der Umfrage gesehen werden.

Auch zum Krieg in der Ukraine wurden die Teilnehmer:innen befragt. 73 Prozent in Gesamtdeutschland sind der Auffassung, dass die Verteidigung der Ukraine wichtig für Deutschland, Europa und den Westen sei. Weitere Lieferungen schwerer Waffen in die Ukraine werden von 54 Prozent im Westen unterstützt. Im Osten sind es lediglich 32 Prozent.

Wenngleich aus der Studie hervorgeht, dass im Osten die Unzufriedenheit mit der Politik ungleich höher ist als im Westen, zeigt sie auch, dass es einen gleichmäßigen Abfall gibt.

Der negative Trend wird anhalten, in ganz Deutschland.

Hans Vorländer, Politikwissenschaftler

Die multiplen Krisen schlügen auf die Zufriedenheit und die Erwartungen der Bevölkerung durch, sagt der Politikwissenschaftler Hans Vorländer dem Tagesspiegel. „Gleichzeitig ist es so, dass die persönliche Zufriedenheit in der Regel höher ist als die allgemeine. Frei nach dem Motto: Die Lage ist nicht so schlecht, aber die Stimmung ist verheerend.“

Der Blick auf viele Institutionen ist durch die Indoktrination in der DDR immer noch skeptisch.

Hans Vorländer, Politikwissenschaftler

Dass die Zufriedenheit im Osten geringer sei, stelle kein neues Phänomen dar, sondern halte sich seit dreißig Jahren konstant. „Das hängt damit zusammen, dass das Vertrauen in das politische System, die Parteien, den Bundestag und andere Institutionen deutlich geringer und die Skepsis groß ist.“ Darüber hinaus sei die Transformation der 90er- und Nuller-Jahre und die damalige hohe Arbeitslosigkeit immer noch sehr präsent. „Die Demokratie in Ostdeutschland ist viel jünger und der Blick auf viele Institutionen durch die Indoktrination in der DDR immer noch skeptisch.“

Die Gründe für die Unzufriedenheit in Ostdeutschland sind nicht nur kultureller Art, sondern auch zutiefst ökonomisch.

Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler

Der Politologe Wolfgang Schroeder nennt im Gespräch mit dem Tagesspiegel noch einen weiteren Aspekt: „40 Prozent der Ostdeutschen verdienen immer noch weniger als den Mindestlohn und haben deutlich weniger Möglichkeiten Vermögen zu bilden. Die Gründe für die Unzufriedenheit sind also nicht nur kultureller Art, sondern auch zutiefst ökonomisch.“

Hans Vorländer warnt davor, aus dieser und anderen Studien ein Narrativ abzuleiten, dass „der Osten“ sich immer benachteiligt und in der Opferrolle fühle. „Bei diesem negativen Framing ist Vorsicht geboten.“ Seine Prognose: Die Zeiten werden vorerst nicht besser werden. Der negative Trend wird anhalten, in ganz Deutschland.“

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