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Wer gegen die Maskenpflicht verstößt, soll 150 Euro bezahlen, fordert der SPD-Politiker Karl Lauterbach.

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Lauterbach über den Corona-Sommer: „Wir haben kostbare Zeit vergeudet“

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach fordert schärfere Kontrollen bei der Maskenpflicht – und härtere Strafen gegen Corona-Sünder.

Karl Lauterbach (57) sitzt seit 2005 für die SPD im Deutschen Bundestag. Der studierte Mediziner – Spezialgebiet: Gesundheitsökonomie und Epidemiologie – ist in der Coronakrise ein gefragter Experte. Er ist ein entschiedener Kritiker zu schneller Lockerungen der Anti-Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern.

Herr Lauterbach, Deutschland wurde bislang viel gelobt für seine Bewältigung der Pandemie. Die Infektionszahlen sind vergleichsweise gering, ebenso die Todesrate. Doch jetzt steigt die Zahl der Ansteckungen. Welche Fehler hat die Politik über den Sommer gemacht?
Im Großen und Ganzen wurde das meiste schon richtig gemacht. Wir werden dafür international nach wie vor beneidet. Auch in anderen Ländern gibt es eine zweite Welle, die wir ja erwartet haben. Deshalb ist aus meiner Sicht bislang nichts Außergewöhnliches passiert. Man hätte sich aber durchaus früher Gedanken machen können, wie man mit Reiserückkehrern umgeht. Hier war die Vorbereitung suboptimal. Ähnliches kann man über die Schulen sagen.

Was meinen Sie konkret?
Bei den Reiserückkehrern zeigt sich, dass wir vor einem Engpass unserer Testmöglichkeiten stehen. Wir leben derzeit von unserer Reserve an Testausrüstung. Deshalb müssen wir jetzt Prioritäten setzen, wen wir testen. Bei Reiserückkehrern aus Risikogebieten ist das grundsätzlich richtig. Aber nicht jedes Land mit Corona-Fällen ist ein Hochrisikogebiet.

Hier können Stichproben an den Flughäfen helfen, um herauszufinden, in welchen Gegenden in einem Urlaubsland die Ansteckungsgefahr tatsächlich sehr hoch ist. Aber alle Urlaubsreisenden pauschal zu testen, ist wenig sinnvoll, weil das die Kapazitäten schnell übersteigt.

Der Berliner Volkspark Hasenheide hat sich in der Coronakrise zum Hotspot für illegale Privatpartys entwickelt.
Der Berliner Volkspark Hasenheide hat sich in der Coronakrise zum Hotspot für illegale Privatpartys entwickelt.

© dpa/picture alliance

Also wäre eine Quarantänepflicht besser?
Das ist grundsätzlich schwer durchzusetzen, weil die Menschen sich oft nicht freiwillig daranhalten. Außerdem wird zunehmend klar, dass man in der zweiten Quarantänewoche nicht mehr ansteckend ist. Es wäre deshalb sinnvoll, die Quarantäne auf sieben Tage zu verkürzen, das deckt den größten Teil der Ansteckungsgefahr ab. Dann wäre die Akzeptanz größer. Ein Test der Reiserückkehrer fünf Tage nach der Rückkehr macht dagegen kaum Sinn. Nur fünf bis sieben Prozent der Infizierten sind nach dem siebten Tag noch ansteckend.

Und nochmal: Wir müssen bei den Tests priorisieren – Klinikpersonal, Lehrer und Menschen, die Symptome zeigen, müssen als erstes getestet werden.

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Sie haben vorhin die Schulen angesprochen. Sind die ausreichend auf den Corona-Herbst vorbereitet?
Ich fürchte: Nein. Ob man sich in einem Klassenraum ansteckt oder nicht, das hängt stark vom Aersol-Gehalt in der Luft ab. Wenn gut gelüftet wird, dann sinkt das Ansteckungsrisiko deutlich. In vielen Schulen sind die Fenster aber so gebaut, dass das nicht möglich ist. Auch könnte es im Winter nötig werden, die Schulklassen zu teilen, damit sich das Virus nicht so schnell ausbreiten kann. Doch dafür fehlt in vielen Schulen der Platz oder alternativ das Angebot für hochwertiges Homeschooling.

Das zu schaffen, hat man über den Sommer leider versäumt. Das ist jetzt natürlich noch machbar, wir haben aber kostbare Zeit vergeudet.

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Sehen Sie Verfehlungen der Bevölkerung?
Viele junge Leute sind viel zu unvorsichtig geworden. Gerade wird darüber nachgedacht, ob wir auch in der Schule und am Arbeitsplatz eine Maskenpflicht einführen müssen. Währenddessen feiern junge Leute in Parks wie in der Berliner Hasenheide, wo sie sich quasi freiwillig infizieren. Das ist nicht akzeptabel.

Am Donnerstag trifft sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten in der Bund-Länder-Kommission, um das weitere Vorgehen zu beraten. Was sollte das Gremium konkret beschließen?
Ich empfehle vor allem bundeseinheitliche Regelungen für Menschenansammlungen: Private Feste sollten auf 50 Personen begrenzt werden. Spontanfeiern mit großen Menschengruppen, die mit Alkohol bis spät in die Nacht feiern, müssen verboten werden, wenn sich dort keine Maskenpflicht durchsetzen lässt.

Wer sich dem Abstandsgebot oder der Maskenpflicht verwehrt, muss mit einem Bußgeld sanktioniert werden. Ich schlage einen einheitlichen Betrag von 150 Euro vor. Der müsste aber auch wirklich erhoben – und mit gezielten Kontrollaktionen eingefordert werden. Es kann nicht sein, dass einige rücksichtslos feiern und die Pandemie weitertreiben, während andere am Arbeitsplatz mit der Maskenpflicht kämpfen.

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