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Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD).

© Soeren Stache/dpa

Trotz Rekordeinnahmen von 14 Milliarden Euro: Krach in Brandenburgs Kenia-Koalition wegen 600-Millionen-Lücke

Die Regierung in Potsdam streitet um den Haushalt: SPD-Finanzministerin Katrin Lange will Etats neu verhandeln. Dabei stand der Plan weitgehend fest.

Gemessen an früheren Zeiten erlebt Brandenburg gerade ziemlich fette Jahre, trotz Corona-Pandemie. Und die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen wird wohl auch weiterhin so viel Geld ausgeben können wie vorher keine Regierung seit 1990.

Finanzministerin Katrin Lange (SPD) erwartet nach den Steuerschätzungen auch in den Folgejahren Rekordeinnahmen für das Land. Danach gefragt, nannte ihr Ministerium diese Zahlen: „Ohne die Aufnahme von zusätzlichen Krediten kann das Land Brandenburg gegenwärtig für die Jahre 2022-2024 voraussichtlich mit Einnahmen von 14.089,7 Millionen Euro (2022), 13.755,4 Millionen Euro ((2023) und 13.976,6 Millionen Euro (2024) rechnen.“ 

Zum Vergleich: Noch vor wenigen Jahren hatten Brandenburgs Haushalte ein Volumen von zehn, elf Milliarden, für die bis 2014 noch Kredite aufgenommen werden mussten.

Trotzdem wird die Kenia-Regierung aktuell von einer Krise um die Finanzen erschüttert, die Lange auch noch selbst ausgelöst hat. Zwar hat sich Woidke jüngst hinter seine Vertraute gestellt, sich gegenüber dem Tagesspiegel um Schadensbegrenzung, um Wogenglättung bemüht. Klar sei, dass „die Einnahmen mit den Ausgaben übereinstimmen müssen. Das ist momentan noch nicht der Fall. „Deswegen habe ich Verständnis, dass die Finanzministerin noch etwas Zeit braucht.“ Wen man aber auch fragt im Bündnis: Im Grunde versteht niemand, warum die Finanzministerin so gegen alle agiert, „ohne erkennbare Logik“, wie es heißt.

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Was ist passiert? Eigentlich sollte der Haushaltsentwurf für 2022 vergangene Woche das Kabinett passieren, zum Landtag geleitet werden, wie es gerade auch in Berlin geschah. Stattdessen verschob Lange alles auf den Spätsommer. Der veränderte Zeitplan an sich soll zwar intern bekannt gewesen sein, seit am 30. Mai der Koalitionsausschuss tagte, aber keine Beschlüsse fasste, auch zum Haushalt nicht. Die Grünen hatten sich wegen Abwesenheit der damals erkrankten Ministerin Ursula Nonnemacher für nicht beschlussfähig erklärt, was bei SPD und CDU für Befremden sorgte.

Langes Vollbremsung: Ihre Vorwürfe brüskierten das Kabinett

Empörung in Kabinett und Koalition löste vor allem die Ankündigung Langes aus, dass die Einzeletats neu verhandelt werden müssen, wofür sie in einer Pressemitteilung die Ressorts verantwortlich machte. „Finanzministerin Katrin Lange hat das Verfahren zur Aufstellung des Landeshaushaltes für das Jahr 2022 angehalten“, hieß es da. „Nach aktuellem Stand beträgt die Deckungslücke im Haushaltsentwurf noch knapp 600 Millionen Euro, das heißt die derzeit angemeldeten Ausgaben übersteigen die zur Verfügung stehenden Einnahmen deutlich.“ Ursächlich dafür seien nicht die erwarteten Pandemiefolgekosten im Jahr 2022, „sondern nicht erbrachte Einsparungen und zusätzliche sonstige Ausgabewünsche“.

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Lange wurde wörtlich so zitiert: „Der Appetit der Ressorts ist größer als der Magen des Landeshaushalts. So lege ich den Etatentwurf daher nicht vor.“ Die finanziellen Möglichkeiten eines Landes seien „endlich“, und orientierten sich „nicht an politischen Wunschzetteln.“ Lange kündigte an, „im Sommer zu weiteren Chefgesprächen“ einzuladen, um die Lücke zu schließen.

Neun von zehn Einzeletats hatte die Ministerin bereits abgezeichnet

Die Vorwürfe, das Vorgehen und auch die angebliche 600-Millionen-Lücke geben Rätsel auf. Denn die „Chefgespräche“, bei denen nach vorheriger Abstimmung die Finanzministerin mit jedem Ressortminister letzte Streitpunkte klärt, waren abgeschlossen, einvernehmlich.

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Mit Ausnahme des Ressorts von Nonnemacher gab es nach Tagesspiegel-Recherchen mit jedem Kabinettsmitglied einen endverhandelten Einzeletat – samt Protokoll, von Lange und dem jeweiligen Ressortchef unterzeichnet. Wenn es noch eine 600-Millionen–Lücke gebe, dann sei das ihr Armutszeugnis, da allein das Finanzministerium den Überblick habe, heißt es in Regierungskreisen.

Finanzministerium: Haushaltsausgleich für 2022 nicht gesichert

Auf Anfrage bestätigt das Ministerium die von Lange unterzeichneten Protokolle, verweist aber darauf, dass diese wegen der „besonders schwierigen Situation“ diese Klausel enthalten: „Gleichwohl ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht auszuschließen, dass auf der Grundlage der Ergebnisse der Chefgespräche der verfassungsrechtlich erforderliche Haushaltsausgleich für 2022 nicht hergestellt werden kann“ Und: „Für diesen Fall besteht Einvernehmen, dass auch bereits verhandelte Ergebnisse hinsichtlich eines zusätzlichen Deckungsbeitrags erneut geprüft werden müssen.“

Auskunft, welche Ressorts die 6,9-Prozent-Sparvorgabe Langes ganz, teilweise oder gar nicht umgesetzt hätten, lehnt das Ministerium ab. Eine Erklärung, warum nach Chefgesprächen samt Protokollen die Lücke so groß ist, wird auch nicht gegeben. Es sei doch nichts Unvorhergesehenes passiert, so ein Ressortchef. „Warum hat sie dann unterschrieben?“ Nun fehle es für Ministerien, aber auch Kommunen an Planungssicherheit.

Unklar ist auch, warum die Staatskanzlei nicht eingegriffen hat. In der allgemeinen Ratlosigkeit sind Ministerpräsident Woidke und einige Minister nun erst einmal in den Urlaub gedüst. Die Krise soll im August in einem Koalitionsausschuss geklärt werden.

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