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Brandenburg hat, was Berlin fehlt: einen Überfluss an Bauland und Gewerbeflächen. Im Bild: Mühlberg an der Elbe.

© euroluftbild.de/Martin Elsen

Schienennetz, Breitband, Wohnungsbau: Warum die Verschmelzung von Berlin und Brandenburg stockt

Die Hauptstadtregion wächst nur langsam zusammen. Experten fordern von den Ländern bessere Planung.

Im Einheitsjahr 1990 war die Reaktivierung der „Kremmener Bahn“ zwischen Berlin und den Kommunen im Nord-Westen Brandenburgs beschlossen worden – dreißig Jahre später gehört sie zu den „Konzepten 2030“ zur Verbesserung der Bahnverbindungen zwischen den beiden Ländern. Bei der länderübergreifenden Zusammenarbeit geht es im Schneckentempo voran – auf der Schiene und in den Verwaltungen.

Dieses Beispiel lieferte Volker Krane vom ADAC am Montag in der Video-Pressekonferenz des „Zukunftsforums Berlin-Brandenburg“ der Stiftung Zukunft Berlin. Die Stiftung, geleitet vom früheren Berliner Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer, erarbeitet seit Jahren Konzepte, um die Defizite bei der Organisation des Wachstums und der Stärkung von Wirtschaft, Verkehr und Lebensqualität in Berlin und der Hauptstadtregion voranzubringen – jüngst nun mit einem Experten-Netzwerk zum Thema „Siedlungsentwicklung, Mobilität, Wohnen und Arbeiten“. Krane, Vorstand für Verkehr beim ADAC Berlin-Brandenburg, forderte zur Belebung der bisher schleppenden länderübergreifenden Arbeit „verbindliche Staatsverträge“, die gemeinsam zu vereinbarende Beschlüsse „abarbeitet mit einem messbaren Ergebnis“. Geredet werde ja genug und schon seit Langem – getan aber werde zu wenig.

Zusammenwachsen muss die Region vor allem bei der Infrastruktur: Das Datennetz ist zu langsam ebenso wie das Schienennetz und beide sind dazu noch lückenhaft. Das ist in einem Jahrzehnt des Wachstums, das Berlin bis 2030 eine Bevölkerung von 3,9 Millionen Einwohnern bringe – zuzüglich 2,5 Millionen in Brandenburg –, fatal für eine koordinierte Entwicklung der Region. Zumal der Mangel in Berlin – an Bauland und Gewerbeflächen – einem Überfluss an Grund und Boden im Flächenstaat Brandenburg gegenüber steht.

Und die Pandemie hat gezeigt, dass niemand mehr unbedingt in Berlin leben muss, um dort arbeiten zu können. Maren Kern, Chefin des größten Wohnungsverbandes Berlin-Brandenburgs BBU brachte eine Studie ins Spiel, wonach viele Arbeitgeber auch nach der Pandemie ihre Angestellten an zwei bis drei Tagen die Woche aus der Ferne arbeiten lassen wollen. Da sei ein Wohnsitz sogar in der Lausitz noch verträglich, schnelle Verbindungen in den digitalen und verkehrlichen Netzen etwa der Bahn vorausgesetzt. Noch aber ist das Breitbandnetz löchrig: Der „Breitbandatlas“ zur Netzversorgung des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur verzeichnet 4000 Meldungen, dass kein Internetanschluss mit 50 Megabit pro Sekunde verfügbar sei, in Berlin gab es 800 Meldungen dieses Mangels. Dabei sollte „ein Gigabite Ziel für die Gesamtregion sein“, fordert das Zukunftsforum.

Das hindert viele Firmen daran, ihre Standorte im Umland auszubauen, etwa über Lagerflächen hinaus. „Die Unternehmer müssen auch dort Architektenpläne herunterladen können, um Baupläne zu bearbeiten“, sagte Manja Schreiner, Chefin der Fachgemeinschaft Bau in Berlin. Sie fordert dazu noch ein länderübergreifendes Management von Gewerbeflächen und Fachkräften. Auch das „Bündnis für Wohnen“ in Brandenburg sollte länderübergreifend mit Berlin gemeinsam geschlossen werden. „Denn die Grenzen gelten nur für die Verwaltungen, die Menschen beschäftigt nur Wohnen, Arbeiten und Verkehr“, sagte Schreiner. Und sie machen an der Grenze keinen Halt, wie das Amt für Statistik seit Jahren meldet: Viele Berliner ziehen nach Brandenburg, der „Wanderungsverlust“ der Stadt zu ihrem Umland ist fünfstellig.

Das wirtschaftliche Wachstum der Region treibt die Entwicklung voran: Elektromobilität, Energiewende eine quirlige Gründergemeinschaft, die zu den Top5 Deutschlands gehört und die traditionellen Industrien ließen die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs kräftig steigen. Die Zahl der Pendler über die Grenzen hinweg nahm seit dem Jahr 2000 um fast 60 Prozent zu, so der frühere Chef der Staatskanzlei Brandenburgs, Thomas Kralinski.

Die Experten fordern deshalb, „die Räume entlang der Verkehrsachsen und die Regionen an den Achsen besser miteinander (zu) verbinden“. Bis hinaus zur früheren Kohleregion Lausitz könnten Wohnlagen erschlossen werden. Um das alles voranzubringen, müsse eine Berlin-Brandenburgische Gesellschaft gegründet werden. Ralf Schönball

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