zum Hauptinhalt
Zupackend. Mitarbeiter der Deutschen Post DHL in der Zustellbasis Marzahn laden die von einer Anlage automatisch sortierten Pakete in ihre Fahrzeuge.

© Sven Darmer/Davids

Deutsche-Post-Manager Ole Nordhoff: „Kann mich nicht an Ärger mit dem Zusteller erinnern“

Montags keine Briefe? Ärger mit dem DHL-Boten? Im Interview antwortet Deutsche-Post-Manager Ole Nordhoff auf die ständige Kritik von Kunden.

Fast alle Päckchen und Pakete für Empfänger in Berlin-Mitte sammelt die Deutsche Post zunächst in ihrer „mechanisierten Zustellbasis“ im Stadtteil Marzahn. Wer sich dem Gebäude im Pyramidenring nähert, erkennt schnell, warum es nicht in die Innenstadt passt: Viel zu groß – und quietschgelb! Wie ein gigantischer Karton mit mehr als einem Dutzend Ladebuchten für Lkw liegt diese Basis in dem Gewerbegebiet. Vor allem morgens herrscht hier Hochbetrieb. Wir treffen den zuständigen Deutsche-Post-Manager Ole Nordhoff aus der Bonner Konzernzentrale in dem Büro der Schichtleitung dieser Basis in Marzahn.

Herr Nordhoff, wann haben Sie sich zuletzt über Ihren Zusteller geärgert?
In meinem Bezirk in Bonn habe ich einen ganz hervorragenden Zusteller. Ich kann mich nicht erinnern, mich jemals über ihn geärgert zu haben.

Das müssen Sie jetzt so sagen, oder?
(Lacht) Nein. Wichtiger ist doch: Wir können noch so viele Qualitätsoffensiven starten und digitale Innovationen einführen – für die meisten Kunden sind unsere Mitarbeiter draußen das Gesicht des Unternehmens. Sie sind der wesentliche Faktor, wie zufrieden unsere Kunden sind.

Manche wirken gestresst. Dabei hatte Ihr Vorstandschef Frank Appel einmal erklärt, dass er monotone Tätigkeiten abschaffen will. Wie weit sind Sie gekommen?
Eine genaue Positionsbeschreibung fällt mir schwer. Aber die Tätigkeiten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wandeln sich ständig und stetig. Das hat vor allem mit der Digitalisierung zu tun.

Ole Nordhoff ist Marketingchef Post und Paket Deutschland im Konzern Deutsche Post DHL Group. Er ist seit 2012 im Konzern. Zuvor hat er Mathematik und Informatik studiert und in Betriebswirtschaft promoviert.
Ole Nordhoff ist Marketingchef Post und Paket Deutschland im Konzern Deutsche Post DHL Group. Er ist seit 2012 im Konzern. Zuvor hat er Mathematik und Informatik studiert und in Betriebswirtschaft promoviert.

© Davids/Sven Darmer

Wie konkret?
Auf der einen Seite wächst das Paketgeschäft wegen des Booms im Onlinehandel jedes Jahr um sechs bis acht Prozent, auf der anderen schrumpft die Sendungsmenge bei der Briefpost jedes Jahr um zwei bis drei Prozent. Leute schreiben ja zunehmend E-Mails. So verschiebt sich mit dieser Mischung auch das Anforderungsprofil unserer Mitarbeiter: Gerade die Kolleginnen und Kollegen auf dem Land, wo Briefe und Pakete oft gemeinsam zugestellt werden, müssen heute mehr Pakete tragen als früher.

Wie ist es in Berlin?
Auch hier ändert sich der Alltag unserer Zusteller. Wir müssen regelmäßig Zustellbezirke neu zuschneiden. So gibt es bereits mechanisierte Zustellbasen wie hier in Marzahn, wo die Zusteller ihre Pakete vorsortiert ins Fahrzeug laden. Es gibt andere, wo sich unsere Kollegen morgens noch die Pakete für ihren Bezirk selbst sortieren müssen. Diese Tätigkeit ist weniger abwechslungsreich als die Fahrt durch den Bezirk.

Laut Gesetz muss die Post an sechs Tagen die Woche zustellen. Zumindest in Berlin gelingt das offenbar nicht überall. Speziell montags bleiben Briefkästen oft leer. Wie erklären Sie das?
Speziell den Vorwurf mit der Montagszustellung höre ich oft. Das Phänomen erklärt sich im Wesentlichen dadurch, dass wir den ganz überwiegenden Teil der Sendungen am nächsten Werktag zustellen. Samstags bekommen wir aber so gut wie keine Geschäftspost. Für die Montagszustellung bleibt also nur die private Post – und deren Volumen hat deutlich abgenommen.

Und da lohnt sich für Sie gar nicht mehr, rauszufahren?
Doch, wir fahren montags raus! Aber wenn Sie samstags niemandem schreiben, wird montags auch niemand Post von Ihnen bekommen. Wer sich bei mir beklagt, dass er die vergangenen drei Montage nichts im Briefkasten hatte, den frage ich, wann er zuletzt an einem Samstag einen Brief oder eine Postkarte eingeworfen hat.

Postdienstleistungen sind ein Stück Daseinsvorsorge. Deshalb regelt das Postgesetz auch die Zahl der Filialen und Briefkästen. Diese nehmen aber seit Jahren stetig ab. Warum?
Der Eindruck täuscht. Neben den klassischen Filialformaten, deren Zahl schon immer über der gesetzlichen Vorgabe lag, sorgen wir für eine noch höhere Dichte alternativer Kontaktstellen. Denken Sie an unsere Paketshops oder unsere inzwischen 4200 automatischen Packstationen, die man zum Empfang wie Versand von Paketen nutzen kann. Heute kommen wir auf rund 28 000 stationäre Formate in Deutschland. Dass sind deutlich mehr als früher.

Aber eine Packstation kann doch eine Filiale mit echten Menschen hinterm Schalter nicht ersetzen. Postfilialen sind und waren vor allem für Menschen in ländlichen Regionen wichtige Kontaktpunkte.
In Berlin haben wir über mehrere Jahre konstant etwa 350 Filialen. Und die Zahl der Paketshops haben wir in diesem Jahr erweitert – um 50 auf nun 550. Dazu kommen noch Verkaufspunkte, sodass wir in Berlin rund 1100 Kontaktstellen haben.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken - und über Probleme mit der Post. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Auch die Zahl der Beschwerden nimmt zu. Im Paketbereich gab es laut Bundesnetzagentur im ersten Halbjahr 2019 rund 43 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Wie erklären sie das?
Der Anstieg liegt im Wesentlichen daran, dass die Bundesnetzagentur durch Veröffentlichung und nachfolgende Presseberichte als Beschwerdekanal immer bekannter geworden ist. 2018 hatten wir etwa 11 000 Beschwerden, das entspricht etwa einer Beschwerde pro 1,7 Millionen Sendungen. Das ist relativ wenig. Man kann sich aber auch direkt bei uns beschweren.

Aber diese Zahlen geben sie nicht raus.
Die sind intern, ja. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass die Zahl rückläufig sind – insbesondere in den vergangenen zwölf bis 18 Monaten. Das freut uns, da wir sehr viel investiert haben, um eine bessere Zustellqualität zu erreichen. Das sind jährlich allein 150 Millionen Euro in unterschiedlichste Maßnahmen. Zum Beispiel in Technologien wie die automatische Sortierung, dank der die Fehlerquote sinkt.

Und Diebstahl? Wer Geschenke oder gar Bargeld verschicken will, wird genötigt, diesen teuer als Wertbrief zu frankieren. Warum können sie nicht mit Standardprodukten eine sichere Zustellung garantieren?
Wir haben verschiedene Produkte, um damit verschiedene Haftungsgrößen abzudecken. Auch ein Standardbrief wird mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit ankommen. Zugleich können wir bei einem solchen Massenprodukt nur in sehr begrenztem Umfang haften, sofern es abhandenkommt. Deshalb bieten wir einen versicherten Wertbrief an.

Warum gibt es immer wieder Irrläufer?
Ein Grund für Zustellfehler sind mehrere Label auf dem Paket – weil zum Beispiel jemand einen Karton vom Onlineshop für ein privates Paket wiederverwendet. Unsere Anlagen lesen dann mitunter einen alten Strichcode aus und leiten das Paket an eine falsche Adresse. Deshalb investieren wir in IT und Künstliche Intelligenz, um solche Pakete besser ausfindig zu machen.

Auf der Suche nach neuen Mitarbeitern hatten Sie im Spätsommer rund 300.000 „Gelbe Karten“ in Briefkästen ausgewählter Berliner Stadtteile verteilt. Wie erfolgreich war diese Rekrutierungsaktion?
Unsere Werbekampagne „Werde einer von uns“ hilft uns neue Mitarbeiter zu finden. In Berlin und Brandenburg haben wir in diesem Jahr rund 900 Kräfte eingestellt, 650 davon fürs Paketgeschäft – und stellen auch weiter ein.

Sie zahlen Einsteigern heute 13,65 Euro die Stunde – zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das ist deutlich mehr als Ihre Wettbewerber zahlen.
Das stimmt. Einige Wettbewerber zahlen da eher im Mindestlohnbereich. Das verschafft uns einen deutlichen Vorteil bei der Suche nach Zustellern – zumal die Durchschnittsgehälter deutlich höher liegen, da die Löhne mit den Jahren weiter steigen. Was noch mehr wiegt ist, dass ein sehr hoher Anteil unserer Angestellten unbefristete Arbeitsverträge hat. Das schafft eine Langzeitperspektive und Vertrauen. Nichts desto trotz müssen wir die Löhne, die wir zahlen auch am Markt verdienen können.

Deshalb hat die Regulierungsbehörde ihnen die jüngste Portoerhöhung bewilligt – unter der Auflage, dass Sie mehr Personal einstellen.Das Briefporto kann schlecht sinken, da wir ja Inflation und steigende Lohnkosten ausgleichen müssen. Wenn dann die Sendungsmenge sinkt, bleibt nur eine Preiserhöhung. Und damit die Zustellqualität nicht sinkt, und die Kunden noch weniger Briefe verschicken, müssen wir Personal einstellen.

Zugleich hat irritiert, dass Post-Manager in Bonn nach dieser Porto-Genehmigung Investoren höhere Renditen in Aussicht gestellt haben. Der Aktienkurs schoss an dem Tag noch oben. Kunden bezahlen also das Glück Ihrer Aktionäre.
Wir sind ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen. Und da ist es für Investoren wichtig zu erfahren, ob wir unsere steigenden Kosten langfristig mit einer Preisanhebung in den Griff bekommen können.

Sie wollen auch mit digitalen Technologien zukunftsfest werden. Warum aber sind viele ihrer Onlineprodukte so kompliziert?
Das empfinde ich nicht so. Die Einführung unseres Systems zur mobilen Paketmarke oder des mobilen Rücksendescheins zum Beispiel ist eine enorme Erleichterung für viele Kunden. Wir bekommen auch viel positives Feedback dazu.

Warum gibt es nicht die eine App für alle wichtigen Dienstleistungen?

Wir haben die Paket-App mit einem sehr großen Funktionsspektrum – vom Tracking bis zum Standortfinden oder Frankieren ist alles dabei. Eine andere dreht sich stärker um den Briefversand. Unser Anspruch ist es, mehr Post und Paket aus einer Hand zu machen. Aber ob eine App für alles da wirklich die Lösung ist...

Das wäre schon praktisch.
Der Charme von Apps auf dem Smartphone besteht doch gerade darin, dass sie kleinere Funktionalitäten erfüllen und so schön übersichtlich bleiben. Ich denke, wer nur schnell sein Paket verfolgen will, will nicht gefragt werden, ob er auch noch ein Einschreiben nach Neuseeland schicken möchte. Da muss man eine Balance finden.

Wie und warum sind Sie selbst zum Unternehmen gekommen.
Über Umwege! Ich bin Mathematiker, habe auch zunächst als Mathematiker und Statistiker gearbeitet, dann acht Jahre als Unternehmensberater bei McKinsey und habe in dieser Funktion auch die Deutsche Post kennengelernt. Ich fand das Unternehmen auf Anhieb spannend, weil ich das Netzwerkgeschäft intellektuell sehr interessant finde. Und ich mag es, weil man auch viele hemdsärmelige und bodenständige Themen behandeln darf. Am Ende geht es meist darum, eckige Dinge von A nach B zu bringen. Das ist sehr konkret.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false