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Hatte keinen Redebedarf: Brandenburgs Landtags-Vizepräsident Galau

© Monika Skolimowska/dpa

Debatte zu Rechtsterror in Brandenburgs Parlament blockiert: Landtags-Vize von der AfD handelte rechtswidrig

Der Vizepräsident des Landtags, Andreas Galau (AfD), verweigerte nach Hanau eine Debatte zu Rechtsterror. Jetzt widersprach ihm das Landesverfassungsgericht.

Brandenburgs Verfassungsgericht hat die AfD in die Schranken gewiesen: Das höchste Landesgericht hat per einstweiliger Anordnung entschieden, dass eine von der CDU nach den rassistischen Hanau-Morden beantragte aktuelle Stunde im Plenum über Rechtsterrorismus zugelassen werden muss. Landtagsvizepräsident Andreas Galau (AfD) Galau dürfe die Debatte nicht blockieren, das stehe ihm gar nicht zu.

Damit folgte das Verfassungsgericht dem Eil-Antrag der CDU-Landtagsfraktion. Sie hatte einen Wechsel des Themas für die Debatte am Donnerstag beantragt - statt hundert Tage Kenia-Koalition mit SPD und Grünen sollte das Thema lauten: „Walter Lübcke, Halle, Hanau – wehrhafte Demokratie in der Pflicht“.

In der Landtagsdebatte soll es nach dem Willen der CDU-Fraktion und in Absprache mit der Koalition um die Konsequenzen für den Rechtsstaat nach den rassistischen Morden von Hanau gehen - auch für Brandenburg. Galau lehnte das ab und verweigerte das nötige Einvernehmen mit Parlamentspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD).

Galau erklärte, es gebe keinen Bezug zum Land Brandenburg und die Hanau-Morde würden damit instrumentalisiert, das dürfe aus Rücksicht auf die Opfer nicht. zugelassen werden. Er befürchtete, dass die Emotionalität des Themas dazu führe, dass die Debatte nicht mehr ergebnisoffen geführt werden können.

AfD-Politiker unter sich: Björn Höcke, Andres Kalbitz und Alexander Gauland
AfD-Politiker unter sich: Björn Höcke, Andres Kalbitz und Alexander Gauland

© dpa/Julian Stratenschulte

Galaus Fraktionsvorsitzender, der Flügel-Mann und AfD-Landeschef Andreas Kalbitz, hatte sekundiert: Es sei offensichtlich, dass es bei der Debatte nur um ein AfD-Bashing gehen solle. Doch nun entschied das Verfassungsgericht: Galau hat gar nicht das Recht, über den Antrag der CDU-Fraktion auf Themenwechsel überhaupt zu befinden.

Anordnung gegen Landtagspräsidentin als Organ des Parlaments

Deshalb konnte die Anordnung des Verfassungsgericht auch formalrechtlich nicht gegen Galau ergehen, sondern nur gegen Landtagspräsidentin Liedtke. Ihr sei juristisch Galaus Weigerung zuzurechnen. Denn die Präsidentin ist ein eigenständiges Organ des Landtags, gegen das sich ein Organstreitverfahren gerichtet werden muss.

Das Gericht hat zudem entschieden, dem Vizepräsidenten des Landtags stehe ein „von ihm der Sache nach geltend gemachtes Prüfungsrecht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts nicht zu“. Es gehöre zu autonomen Rechten der CDU-Fraktion festzulegen, welche landespolitischen Themen sie zur Aktuellen Stunde anmelden wolle.

Der Saal des Verfassungsgerichtes Brandenburg.
Der Saal des Verfassungsgerichtes Brandenburg.

© Ralf Hirschberger/dpa

Das Prüfungsrecht der Präsidentin und ihres ersten Stellvertreters bei dem Antrag auf einen Themenwechsel bei der aktuellen Stunde beschränke sich darauf, ob die formalen Voraussetzungen und ob die Aktualität vorliegen. Es sei allein Sache der CDU-Fraktion, welches Thema sie zur aktuellen Stunde anmelden will.

Galau zeigt keine Einsicht

Galau selbst zeigte nach dem Beschluss des Verfassungsgericht kaum Einsicht. Er bleibt dabei, dass angeblich eine Instrumentalisierung des Themas bei der Debatte um Hanau und Rechtsterror droht. „Diese höchstrichterliche Entscheidung ist selbstverständlich zu respektieren, auch wenn ich sie in der Sache bedaure", sagte Galau. Er erwarte von der CDU und den anderen Fraktionen, dass sie "verantwortungsvoll und sachlich mit der Thematik umgehen und auf jegliche parteipolitische Instrumentalisierung" der Hanau-Morde verzichten.

Mit Blick auf Rücktrittsforderungen gegen ihn sagte Galau: "Sollte der Eindruck entstanden sein, dass ich meinem Neutralitätsgebot nicht gerecht geworden bin, bedaure ich dies, wenngleich ich versichern kann, dass dies unzutreffend ist."

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In Bund und Ländern war die AfD parteiübergreifend wegen ihrer Hetze für das Attentat von Hanau mitverantwortlich gemacht worden. Deutschlandweit löste nun Galau mit seinem Verhalten Empörung aus - weil sich ausgerechnet ein Vizepräsident eines Landtags mit AfD-Parteibuch gegen die über Jahrzehnte im Parlamentarismus der Bundesrepublik eingeübte Praxis und Pflicht zur Neutralität und zu Konsensverhalten stellt.

"Wehrhafte Demokratie schützen"

CDU-Fraktionschef Jan Redmann zeigte sich erleichtert über den Beschluss des Landesverfassungsgerichts. „Welch fatales Signal wäre es gewesen, wenn die AfD die Behandlung des Themas Rechtsterrorismus im Landtag hätte verhindern können", sagte Redmann. „Wir stehen als wehrhafte Demokraten in der Pflicht, jene, die durch Rechtsterrorismus tagtäglich bedroht sind, zu schützen."

Der Brandenburger Landtag in Potsdam.
Der Brandenburger Landtag in Potsdam.

© Andreas Klaer

Landtagsvizepräsident Galau habe in dieser Frage "die notwendige Neutralität eines Vizepräsidenten vermissen lassen und sein Amt beschädigt". Die CDU werde nun eine Sondersitzung des Landtagspräsidiums beantragen, um den Beschluss des Gerichts auszuwerten. "Vizepräsident Galau hat dann einiges zu erklären", sagte Redmann. Über die von anderen Fraktionen geforderte Abwahl Galaus "sollten wir im Anschluss entscheiden".

Auch SPD-Fraktionschef Erik Stohn begrüßte die Entscheidung des Verfassungsgerichts. „Ich bin froh über die Entscheidung der Verfassungsrichter. Der Landtag kann sich nun anlässlich des Anschlags in Hanau mit dem Rechtsterrorismus und Konsequenzen daraus befassen, wie es sein Recht und seine Aufgabe ist", sagte Stohn. "Das sind wir auch den Opfern der rassistisch motivierten Morde und ihren Angehörigen schuldig."

Kalbitz war drei Monate vor dem Anschlag in Hanau

Daneben kritisierte der SPD-Fraktionschef auch den AfD-Politiker Galau. "Es kann nicht angehen, dass sich die AfD anmaßt, über die Themen aktueller Debatten im Landesparlament zu befinden. Vizepräsident Andreas Galau hat in dieser Sache allein parteipolitisch entschieden."

Auch die SPD habe viele Fragen an Galau im Landtagspräsidiums. Als Vizepräsident müsse er seine Aufgaben wie vorgeschrieben parteipolitisch neutral erfüllen. "Das Verhalten Herrn Galaus in Parlamentsangelegenheiten ebenso wie seine Kontakte zu polnischen Rechtsextremisten und seine Nähe zum völkischen Flügel der AfD und zu Pegida lassen daran ernste Zweifel und dringende Fragen aufkommen", sagte Stohn. "Weitere Schritte behalten wir uns vor.“

Die Linksfraktion hatte bereits eingekündigt, einen Abwahlantrag gegen Galau zu stellen. Das Führungsduo der Grünen-Fraktion, Petra Budke und Benjamin Raschke, warf Galau Amtsmissbrauch vor. Zudem forderte die Fraktionsspitze Konsequenzen. "Das ist genau das perfide Vorgehen der AfD: das demokratische Amt zu missbrauchen, um die Demokratie zu untergraben. Damit ist Galau aus Sicht unserer Fraktion für dieses Amt untragbar. Er selbst oder das Parlament müssen daraus Konsequenzen ziehen.“

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AfD-Fraktionschef Kalbitz hatte dem Verdacht widersprochen, Galau haben nicht eigenständig und unabhängig, sondern auf Weisung gehandelt. Tatsächlich könnte es noch einen anderen Grund für Galaus Verhalten und Kalbitz' These von einer Instrumentalisierung des Hanau-Themas durch die "Altparteien" geben.

Kalbitz, der wie sein Partei-Flügel wegen extremistischer Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Visier des Verfassungsschutzes steht, war in Hanau. Und zwar drei Monate vor dem rechtsextremistischen Morden, drei Monate bevor der 43-jährige Tobias Rathjen neun Migranten, seine Mutter und sich erschossen hat.

Im November sprach Kalbitz in der Reinhardskirche. „Dieses Volk ist ja verwirrt, auch im identitären Sinne. Das wieder gerade zu rücken, ist ja viel mehr als zu sagen, ich will meine Regierungsbeteiligung, damit ein paar Gesetze geändert werden“, sagte er. Es gehe um einen Paradigmenwechsel.

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